Finanzierung der Aufrüstung: Elterngeld runter, Verteidigung rauf?

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Es sind nur zwei Worte, aber sie verheißen Schlechtes: „I agree“, ich stimme zu, antwortete der Trump-Berater Elon Musk am Sonntag auf der Plattform X auf den Vorschlag eines Trump-Unterstützers, die Vereinigten Staaten sollten die NATO und die Vereinten Nationen verlassen. Was sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz schon angedeutet hatte, wird nach dem Rauswurf des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus mehr und mehr zur Gewissheit: Präsident Donald Trump und sein Vize J.D. Vance stehen derzeit mehr auf der Seite Russlands als auf der Seite der Europäer.

Fieberhaft wird nun in Berlin daran gearbeitet, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Im Zentrum der Debatte steht die Schaffung eines neuen Sondervermögens für die Bundeswehr, womöglich ergänzt um ein weiteres für eine Stärkung der In­frastruktur. Die dafür nötige Zweidrittelmehrheit im Bundestag haben Union, SPD und Grüne derzeit noch. Das wird mit der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags, die spätestens am 25. März stattfinden muss, nicht mehr so sein. Parallel dazu wird darüber diskutiert, wo im Haushalt gespart werden könnte, um Spielraum für einen dauerhaft höheren Wehretat zu schaffen. Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, will eine äußerst beliebte Subvention streichen: „Das Elterngeld würde ich ganz abschaffen. Es ist ein klassischer Fall von nice-to-have, aber nicht prioritär“, sagte er der „Welt am Sonntag“.

Die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer, sieht diesen Vorschlag kritisch. Zwar müsse angesichts der „dramatisch veränderten Sicherheitslage und der schwierigen Wirtschaftslage“ nach Kürzungsmöglichkeiten geschaut werden. Studien hätten jedoch gezeigt, dass das Elterngeld die Geburtenrate „signifikant“ gesteigert habe. „Besonders stark war dieser Effekt bei gut ausgebildeten Frauen. Wir wollen diese Frauen nicht für den Arbeitsmarkt verlieren, wollen aber gleichzeitig auch nicht, dass diese Frauen sich gegen Kinder entscheiden.“ Der Bund gab für das Elterngeld zuletzt rund acht Milliarden Euro im Jahr aus.

„Die Mütterrente könnte man kürzen“

Schnitzer bringt einen anderen Einsparvorschlag ins Gespräch: „Die Mütterrente könnte man kürzen, vor allem sollte man sie nicht erhöhen, wie im Wahlkampf gefordert wurde.“ Da die Mütterrente für Kinder gezahlt werde, die vor 1992 geboren wurden, gebe es keinen Anreizeffekt, sagt die Wirtschaftsweise. „Die Mütterrente hilft auch nicht den besonders einkommensschwachen Rentnerinnen, denn wenn sie von Grundsicherung leben, wird die Mütterrente eins zu eins mit der Grundsicherung verrechnet.“

Ähnlich sieht die Sache Jens Südekum, einer der Berater von Nochwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und SPD-Mitglied. „Ich finde nicht, dass das Elterngeld gescheitert ist“, sagt er. Das Ziel, auch Besserverdiener zum Kinderbekommen zu bewegen, sei erreicht worden. Wichtig sei jetzt aber etwas anderes: „Wir sollten uns darauf fokussieren, in den nächsten drei Wochen noch ein neues Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur zu beschließen.“ Danach brauche es dann „ein großes Paket“, für das alle Parteien etwas geben müssten. „Die SPD könnte auf die Rente mit 63 verzichten, die CDU könnte einer höheren Erbschaftsteuer zustimmen und die CSU ihre Mütterrente aufgeben.“ Die vor zehn Jahren auf Druck der CSU eingeführte Mütterrente kostet die Steuerzahler jährlich rund 14 Milliarden Euro.

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Lars Feld, bis 2021 Vorsitzender der „Wirtschaftsweisen“ und bis zum Ampel-Aus Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP), findet Fuests Idee dagegen gut. „Ich hatte schon vor Längerem vorgeschlagen, das Elterngeld grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen“, sagt er. Es gebe „keine überzeugende kausale Evidenz“, dass Frauen wegen des Elterngelds mehr Kinder bekämen. Zudem sei unklar, ob Effekte auf die Frauenerwerbstätigkeit nicht nur beim ersten, sondern auch beim zweiten Kind noch aufträten. Aber auch aus Felds Sicht ist das Elterngeld jetzt nicht die entscheidende Frage. „Noch wichtiger scheint mir eine Integration von Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag zu einer Sozialleistung zu sein, weil aus dem bisherigen Nebeneinander ungünstige Anreizwirkungen auf dem Arbeitsmarkt resultieren.“

SPD und Grüne fokussieren Reform der Schuldenbremse

In den nächsten Tagen wird es aber erst einmal darum gehen, ob der Bundestag mit seiner alten Mehrheit noch ein neues Sondervermögen für die Verteidigung beschließen soll. CDU-Chef Friedrich Merz hat dafür Offenheit signalisiert. SPD und Grüne sähen lieber eine Reform der Schuldenbremse, mit der sowohl höhere Verteidigungsausgaben als auch andere staatliche Investitionen dauerhaft von der Schuldenregel ausgenommen würden. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, ein Sondervermögen zu schaffen, das neben Rüstungsausgaben auch Investitionen in die Infrastruktur und Investitionsanreize für die Wirtschaft umfasst – oder zwei getrennte Sondervermögen für diese Zwecke.

Ob ihre Fraktion einer solchen Lösung zustimmen würde, ließ die Ko-Fraktionschefin der Grünen, Katharina Dröge, am Sonntag offen. „Alle demokratischen Fraktionen sollten angesichts der Lage miteinander sprechen und versuchen, eine breite Mehrheit für eine Reform der Schuldenbremse zu erzielen“, sagte sie der F.A.Z. „Das sollte auch Friedrich Merz tun.“ Mit Blick auf die angekündigte Verfassungsklage der Linken gegen ein neues Sondervermögen hielte Dröge es für ratsam, auch diese Partei in die Suche nach einer Lösung einzubeziehen.

Der baden-württembergische Finanzminister und Grünen-Politiker Danyal Bayaz mahnt zur Eile. „Es braucht sehr schnell Klarheit, wie wir langfristig unsere Verteidigungsfähigkeit sichern. Ich halte ein Sondervermögen für den richtigen Weg“, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“. Man dürfe die Last höherer Verteidigungsausgaben aber nicht „allein über neue Schulden unseren Kindern aufbürden“, fügte Bayaz hinzu. „Die Dänen haben einen Feiertag zugunsten der Verteidigungsausgaben gestrichen, man kann auch an einen Verteidigungs-Soli denken.“ Einen Verteidigungs-Soli hatte kürzlich auch Lars Feld ins Spiel gebracht. Auf Nachfrage sagt er dazu jetzt, dies sei als eine „Anregung zum Nachdenken“ gedacht gewesen.

Bislang war in Berlin von einer Größenordnung um 200 Milliarden Euro für ein neues Sondervermögen die Rede. Die Wirtschaftsweise Schnitzer hält das für zu wenig. „Wenn das Ziel ist, in den nächsten Jahren jährlich drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben – und das ist angesichts der Lage noch konservativ gerechnet –, dann wäre eine Aufstockung des Sondervermögens Bundeswehr um rund 300 Milliarden Euro notwendig, um bis einschließlich 2029 diese Ausgaben zu stemmen“, sagt sie. Hintergrund ist, dass der reguläre Wehretat derzeit nur etwas mehr als 50 Milliarden Euro im Jahr umfasst, das bestehende Sondervermögen 2027 aufgebraucht ist und alle Rechnungen noch auf einer Verteidigungsquote von nur zwei Prozent der Wirtschaftsleistung beruhen.

Für die Steigerung auf drei Prozent müssten laut Schnitzer 2025, 2026 und 2027 jeweils 45 Milliarden Euro dazukommen, 2028 und 2029 seien es jeweils 75 Milliarden Euro. Sollten auch Nachholbedarfe für die Infrastruktur enthalten sein, „käme sicherlich noch mal ein dreistelliger Betrag dazu.“ Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Sonntag sogar von je 400 Milliarden Euro für die Verteidigung und die Infrastruktur, die eine Gruppe von Ökonomen, zu der neben Fuest und Südekum IfW-Präsident Moritz Schularick und IW-Direktor Michael Hüther gehören, der Regierung empfehle. Dies sei auch als ein Signal an Russlands Präsident Wladimir Putin zu verstehen, hieß es.