Stocker neuer Bundeskanzler in Wien

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Am 155. Tag nach der Nationalratswahl im September 2024 hat der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen die neue Mitte-links-Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos ernannt. Der Parteichef der christdemokratischen ÖVP, Christian Stocker, führt als Bundeskanzler die erste Dreierkoalition in Wien seit der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Der Anführer der sozialdemokratischen SPÖ, Andreas Babler, ist Vizekanzler, die Chefin der liberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger, Außenministerin. Insgesamt hat die Regierung 14 Mitglieder, neben Kanzler Stocker fünf Minister der ÖVP, sechs der SPÖ und zwei der Neos. Unterstützt werden sie von sieben Staatssekretären.

„Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit“

Van der Bellen verwies auf die Herausforderungen durch die globalen Spannungen, mahnte aber auch zu Selbstbewusstsein. Europa sei „eine wirtschaftliche Weltmacht“, erinnerte er. Der Präsident erinnerte an die Verantwortung nicht nur, aber an erster Stelle der Regierung für das Gemeinwesen. „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit“, sagte Van der Bellen. Es brauche dafür aktive Bürger, eine integre Medienlandschaft „und natürlich Vorbilder“, fügte er mit einer Geste an die neuen Regierungsmitglieder hinzu.

An Themen, die anzupacken seien, nannte er die Bildung, insbesondere hinsichtlich des digitalen Wandels. Den Klimawandel nannte der frühere langjährige Grünen-Vorsitzende Van der Bellen „eine der größten Bedrohungen unserer Zeit, nicht die einzige, aber sie duldet keinen Aufschub“. Aber auch die Herausforderung von Migration und Integration. Es gehe um „unsere schöne und lebenswerte Heimat, auf die wir alle stolz sind“. Den neuen Regierungsmitgliedern gab er mit: „Wenn Sie Erfolg haben, hat Österreich Erfolg. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand.“

Das neue österreichische Kabinett am 3.März 2025 in Wien
Das neue österreichische Kabinett am 3.März 2025 in Wiendpa

Die Regierungsbildung war dadurch erschwert, dass die vom früheren Innenminister Herbert Kickl geführte rechte FPÖ als stimmenstärkste Kraft von allen anderen Parteien abgelehnt wurde. Nachdem ein erster Versuch, eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos zu bilden, Anfang Januar gescheitert war und der bisherige ÖVP-Vorsitzende Karl Nehammer sich zurückzog, zeigten sich die Christdemokraten doch bereit, über eine Regierung mit der FPÖ zu verhandeln, in der dann Kickl Kanzler geworden wäre.

Doch auch diese Verhandlungen scheiterten Mitte Februar. Danach wurde recht zügig zwischen ÖVP und SPÖ, die dann auch die Neos wieder einbezogen, ein „Arbeitsprogramm“ ausgearbeitet. Das 120 Seiten starke Papier wurde von den Vorständen von ÖVP und SPÖ am vergangenen Freitag sowie einer Mitgliederversammlung der Neos am Sonntag gebilligt. Damit war der Weg frei für die Ernennung und „Angelobung“ der neuen Regierung durch den Bundespräsidenten.

Vereidigt wurden von der ÖVP Kanzler Christian Stocker sowie die Minister Gerhard Karner (Inneres), Wolfgang Hattmannsdorfer (Wirtschaft), Klaudia Tanner (Verteidigung), Norbert Totschnig (Landwirtschaft und Umweltschutz) und Claudia Plakolm (Jugend, Familie, EU und Integration). Seitens der Sozialdemokraten werden Vizekanzler Andreas Babler (Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport), Markus Marterbauer (Finanzen), Anna Sporrer (Justiz), Korinna Schumann (Soziales und Gesundheit), Peter Hanke (Infrastruktur und Verkehr) und Eva-Maria Holzleitner (Frauen und Wissenschaft) in der Regierung sitzen, für die Neos Beate Meinl-Reisinger (Äußeres) und Christoph Wiederkehr (Bildung).

Zuvor hatte Van der Bellen die bisherige Bundesregierung enthoben. Der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der nach dem Rücktritt Nehammers zugleich die Aufgaben des Bundeskanzlers übernommen hatte, übergibt nun seine Amtsgeschäfte am Wiener Ballhausplatz an Stocker. Ein Großteil der neuen ÖVP-Minister gehörte schon der bisherigen Regierung an.