Forschende testen Medikamente aus 3D-Drucker

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Stand: 04.03.2025 06:30 Uhr

Tabletten aus dem 3D-Drucker, die an individuelle Bedürfnisse angepasst sind. Was nach einer guten Idee klingt, war bislang aus technischen Gründen nicht möglich. Forschende aus dem UKE in Hamburg wollen das ändern.

Rund drei Jahre lang haben Forschende der Klinikapotheke vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg daran gearbeitet – jetzt ist es möglich: Sie können Medikamente mit einem speziellen 3D-Drucker drucken, um individuelle Arzneimitteldosierungen herzustellen.

Denn die Versorgung mit Medikamenten in der Kinderheilkunde, vor allem bei schwerstkranken Kindern, sei nicht immer einfach, erklärt die Forschungsgruppenleiterin der Klinikapotheke Claudia Langebrake. Sie hat das Verfahren für die innovativen Medikamente gemeinsam mit ihren Kollegen entwickelt. “Das machen wir, weil wir ganz besondere Patienten hier haben. Wir stellen ja jetzt in der laufenden Studie Medikamente für Kinder her. Und viele von uns wissen, dass Medikamente bitter schmecken können und zu groß sind zum Schlucken und vor allem Kinder die oft nicht einnehmen können.”

Studie soll Ende 2026 abgeschlossen sein

Genau das war das Ziel für sie und ihren Kollegen, den Apotheker Adrin Dadkhah: schwerstkranken Kindern die Medikamenteneinnahme zu erleichtern. Im konkreten Fall, dem bundesweit erstmaligen Einsatz solcher Tabletten, drucken die Apotheker in der Klinikapotheke das Medikament Dexamethason. Krebskranke Kinder bekommen es während einer Hochdosis-Chemotherapie, damit ihnen nicht heftig übel wird und sie die Nahrung besser bei sich behalten können. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie während der Chemotherapie zu viel Gewicht verlieren.

In der Studie, die aktuell angelaufen ist und voraussichtlich bis Ende 2026 laufen wird, erhalten die Kinder während der ersten Hochdosis-Chemotherapie die herkömmlichen Tabletten und im zweiten Behandlungszyklus die indvididuell gedruckten Kautabletten. Dabei gehe es um die Akzeptanz und um die Arzneimitteltherapiesicherheit, betont Claudia Langebrake.

Etwas weicher als Gummibärchen, aber nicht matschig und mühelos zerkaubar: die Tabletten aus dem 3D-Drucker

Dosierung individuell anpassen

Denn wie fast alle Tabletten ist auch das Dexamethason in Dosierungen auf dem Markt, die für Erwachsene gedacht sind, nicht aber für Kinder. Damit die Dosis stimmt, müssen diese wie auch andere Tabletten bei Kindern nach ihrem Gewicht also halbiert, geviertelt und abgewogen werden. Das stelle viele Eltern vor große Probleme, erklärt der Kinder-Onkologe Alexander von Hugo, der die Studie am UKE leitet.

Er sagt, fast täglich müsse er mit Eltern schwierige Gespräche führen, um die genauen Arzneimitteldosierungen zu besprechen. Für viele sei die Medikamenteneinnahme eine zusätzliche Herausforderung bei der Bewältigung der Tumorerkrankung. Deshalb sei der Bedarf an individuell angepassten Medikamenten für die schwerkranken Kinder sehr groß.

Hinzu kommt – neben der Schwierigkeit, die Medikamente genau zu dosieren -, dass viele Tabletten bitter schmecken oder so groß sind, dass Kinder und sogar Jugendliche sie nicht oder nur unter großen Mühen schlucken könnten. Auch diese Schwierigkeit soll durch passgenau gedruckte Tabletten gelöst werden.

Wirkstoff als Druckertinte

Und der Druck funktioniert so: Apotheker Dadkhah spannt eine große Plastikspritze in den 3D-Drucker ein. Darin befindet sich eine rote Masse, in der der Wirkstoff Dexamethason enthalten ist, aber auch viele andere Zusatzstoffe, die es ermöglichen, dass der Wirkstoff gleichmäßig in den Tabletten verteilt wird und die Konsistenz erhält, die gewünscht ist. “Die Druckertinte, so wie wir sie nennen, besteht aus dem Wirkstoff und den Hilfsstoffen. Die sind alle so aufeinander abgestimmt, dass die Masse bei Raumtemperatur eine feste Konsistenz hat, wie halt so Gummibärchen zum Beispiel. Und die wird dann in den Druckkopf eingespannt und dort erwärmt.”

Durch die Wärme verflüssigt sich die Masse und lässt sich tatsächlich wie Tinte drucken: zu dreidimensionalen Tabletten, in Herz oder Sternform oder klassisch rund. Diese fassen sich noch etwas weicher an als Gummibärchen, sind aber nicht matschig und lassen sich mühelos zerkauen. Sie sind rot und riechen nach Himbeeren, damit die Kinder sie ohne Ekel zu sich nehmen.

Einsatz nicht nur in der Kinderheilkunde

Kinderonkologe von Hugo ist begeistert: “Wenn das funktioniert, ist das wirklich ein Meilenstein in der Kinderheilkunde. Wenn man tatsächlich die richtige Dosis in einer gutschmeckenden Form herstellen kann, dass die Kinder das zuhause problemlos nehmen können. Das wäre schon ein großer Segen.”

Der Einsatz ist nicht auf die Kinderheilkunde beschränkt. Wenn der Ansatz funktioniert, dann wäre gut vorstellbar, solche individuell angepassten Tabletten auch auf andere medizinische Bereiche auszuweiten. Denn auch Erwachsene etwa mit Parkinson oder Demenz haben mitunter Probleme, ihre Medikamente zu schlucken.