Ariane 6 und Starship blieben am Boden

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Am Montagabend und in der Nacht zum Dienstag wurden die Freunde der westlichen Raumfahrt gleich zwei Mal enttäuscht. Um 17:24 mitteleuropäischer Zeit sollte die neue europäische Schwerlastrakete Ariane 6 zu ihrem ersten kommerziellen Flug starten und um 0:45 Uhr das „Starship“ des zu Elon Musks Firmenimperium zählenden Unternehmens SpaceX zu seinem achten Testflug.

Beide Raketen standen bereits voll betankt auf ihren Rampen, als die jeweiligen Bodenkontrollen bekannt gaben, dass die Triebwerke an diesem Tag nicht mehr gezündet würden.

Im Falle der Ariane 6 am europäischen Raumfahrtzentrum Kourou in Französisch Guayana erfolgte der Abbruch 30 Minuten vor dem geplanten Lift-off. Als Grund wurden lediglich „Anomalien am Boden“ angegeben. Später bestätigte der Chef des Unternehmens Arianespace, David Cavaillolès, gegenüber dem Nachrichtenportal „Spaceflight Now“, ein Problem mit den Systemen am Boden habe den Start verhindert, konnte aber keine weiteren Details nennen. Auch ein neuer Starttermin wurde bislang nicht bekanntgegeben.

Noch keine neuen Termine

Wenn es tatsächlich nur ein Problem mit der Startanlage war – und nicht mit der 56 Meter hohen Rakete selbst – dann dürfte das die Verantwortlichen ersteinmal beruhigen. Die Ariane 6 hatte Ihren Jungfernflug bereits am 9. Juli 2024 absolviert, damals aber nur mit einer Test-Nutzlast. Jetzt hatte die Rakete einen teuren Satelliten an Bord: COS-3, die dritte und letzte Komponente des Systems „Composante Spatiale Optique“. Zusammen mit COS-1 soll er in einer sonnensynchronen Umlaufbahn in 800 Kilometern Höhe die französischen Streitkräfte bei der Aufklärung unterstützen. Der genaue Wert des Militärsatelliten wurden nicht öffentlich. Plattformen dieser Art kosten aber üblicherweise mindestens 100 Millionen Euro.

Der achte Start von Elon Musks „Starship“ sollte, wie die anderen zuvor, von dem Startgelände „Starbase“ nahe Boca Chica am Südzipfel des Bundestaates Texas erfolgen. Die letzte halbe Stunde vor dem Start war bereits angebrochen, als die Kommentatoren des Livestreams von SpaceX durchblicken ließen, es gebe ein Problem mit der Unterstufe, das ein Anhalten des Countdowns bei 40 Sekunden vor Lift-off verursachen könnte. Dazu kam es dann auch – rund fünf Minuten lang wurde das Herunterzählen angehalten, dann wieder fortgesetzt, doch fünf Sekunden später erneut gestoppt. Nun wurde der Start ganz abgesagt. Ein neuer Termin wurde auch hier noch nicht bekanntgegeben.

In einem Tweet, den Elon Musk noch in der Nacht auf seiner Plattform X absetzte deutete er allerdings Probleme mit den Turbopumpen der Triebwerke an: „Zu viele Fragezeichen bei diesem Flug und dann waren wir 20 bar unter dem Ground-Spin-Druck“ – das könnte auf ein Leck in einer Treibstoffzuleitung hindeuten. Es sei besser, so Musk weiter, die beiden Stufen wieder voneinander zu trennen, beide zu inspizieren und es in ein oder zwei Tagen noch einmal zu versuchen.

Der achte Flug sollte das Programm des siebten Starts der mit 123 Metern Höhe und neun Metern Durchmessern größten und leistungsfähigsten jemals geflogenen Rakete wiederholen. Insbesondere ging es um Tests der in Teilen neu gestaltete Oberstufe, die nach einem suborbitalem Flug vor der Westküste Australiens sanft im indischen Ozean landen sollte – allerdings noch ohne die Möglichkeit, danach geborgen zu werden. Letztlich ist Starship aber als erste vollständig wiederverwendbare Schwerlastrakete konzipiert, das bedeutet: auch die Oberstufe soll nach Absetzen der Nutzlast im All zu ihrer Startrampe in Texas zurückkehren und dort von zwei schwenkbaren Stahlarmen aufgefangen werden. Für die Unterstufe ist SpaceX dieses Manöver bereits zwei Mal geglungen.

Beim siebten Testflug des Starship am 16. Januar 2025 war die Oberstufe allerdings über der Karibik spektakulär explodiert. Wie die Untersuchung der Ursachen durch SpaceX ergab, hatte sich in dem Raum zwischen Treibstofftank und Triebwerken entwichener Treibstoff entzündet und zum Abschalten des Antriebs geführt. Der Kontakt zur Bodenkontrolle ging verloren, woraufhin sich das Selbstzerstörungssystem der Oberstufe aktivierte.

Für Europa geht es um alles, für Musk nicht nur um den Mars

Für SpaceX wie für die Europäer geht es bei beiden Raketenprojekten um viel. Europa muss nach Jahren der Missgeschicke und Verzögerungen seinen eigenen Zugang zu All sichern – in Anbetracht der jüngsten weltpolitischen Entwicklungen ist dies dringender denn je. Und Elon Musk bezieht inzwischen einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Images aus dem stupenden technischen wie kommerziellen Erfolg seiner Falcon-Raketen, von denen allerdings nur die Unterstufen wiederverwendbar sind. Mit Starship möchte er diesen Erfolg noch einmal auf eine völlig neues Niveau heben.

Dabei geht es nicht allein um Musks Visionen, mit dem Starship bemannte Expeditionen zum Mars zu unternehmen. Beim aktuellen Testflug sollte, wie bereits bei dem missglückten im Januar, die Oberstufe Attrappen der nächsten Generation von Satelliten des Starlink-Kommunikationssystems aussetzen. Starship ist beim Aufbau und vor allem dem kosteneffizienten Erhalt dieses aus abertausenden Kleinsatelliten bestehenden Netzwerkes eine zentrale Rolle zugedacht. Dieses Netz ermöglicht direkten und schnellen Internetzugang von fast jedem Ort auf der Welt und hat akutell bereits mehr als fünf Millionen Abonnenten. Sie könnte dem Unternehmer mittelfristig einen Einfluß sichern, der möglicherweise dauerhafter ist als seine aktuellen Aktivitäten in der Trump-Administration.