Die britische Nuklearmacht kann ohne die USA nicht bestehen

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Der britische Premierminister Keir Starmer führt zwar die Bemühungen der Europäer an, eigene militärische Anstrengungen drastisch zu verstärken, um die Ukraine in der Abwehr der russischen Aggression zu stützen und besser gegen Putin gewappnet zu sein. Aber er bleibt zugleich der eifrigste Mahner, ohne amerikanische „Rückversicherung“ seien diese Bemühungen nicht erfolgversprechend.

Starmers Maßstab bildet dabei die eigene, britische militär- und sicherheitspolitische Lage. Am Ende des Sondergipfels der Willigen bestritt der Premierminister die Einschätzung, die Vereinigten Staaten seien zu einem unzuverlässigen militärischen Alliierten geworden. Vielmehr seien die USA über viele Jahrzehnte hinweg ein „verlässlicher“ Partner gewesen und würden dies auch weiterhin sein, beteuerte Starmer. Es gebe „keine zwei anderen Länder“, die militärisch und sicherheitspolitisch miteinander so eng verbunden seien; „unsere Verteidigung, unsere Sicherheit, unsere Sicherheitsdienste sind in einer Weise verflochten, wie das nirgendwo sonst für zwei Länder gilt“.

Beispiele für die Verflechtung gibt es viele, angefangen bei der Partnerschaftsplattform „Five Eyes“ der Geheimdienste, zu der auch Kanada, Neuseeland und Australien gehören, über den Umstand, dass die britischen Flugzeugträger mitunter nur mithilfe amerikanischer F-35-Kampfjets einsatzfähig sind, bis hin zur britischen strategischen Nuklearabschreckung, die aus vier U-Booten besteht, die mit bis zu zwölf ballistischen Interkontinentalraketen des Typs „Trident“ (Dreizack) ausgerüstet werden können, die wiederum mit drei bis vier nu­klearen Sprengköpfen bestückt sind.

In den strategischen U-Booten steckt viel Amerika

Die britische Nukleardoktrin sieht vor, dass stets mindestens eines der vier strategischen U-Boote der Vanguard-Klasse im Nordatlantik im Einsatz ist, ein weiteres sich in der Werft zur Überholung und womöglich Reparatur befindet und die beiden restlichen Boote zur Ausrüstung und zum Training zur Verfügung stehen. Die Boote wurden in den Achtzigerjahren im nordenglischen Barrow-in-Furness gebaut, nutzten aber bei Bau und Betrieb auch amerikanische Technologien, unter anderem für ihren nuklearen Antrieb. Die Fertigung einer neuen Generation, der Dreadnought-Klasse, ist vor fast zehn Jahren vom Parlament beschlossen worden; die vier neuen U-Boote sollen von 2030 an zur Verfügung stehen, die Kosten des Bauprogramms werden auf fast 40 Milliarden Euro geschätzt.

Auch die atomaren Sprengköpfe werden in Großbritannien hergestellt, sie basieren weitgehend auf einem amerikanischen Design, mit dem in Amerika die Trident-Raketen ausgerüstet werden. Die ballistischen Raketen des Typs „Trident“ wiederum stammen vollständig aus den USA. Sie werden von Lockheed Martin produziert und müssen zur Wartung auch immer wieder nach Amerika verschifft werden. Die Einsatzfähigkeit des Trident-Systems hätte nach seiner ursprünglichen Konzeption demnächst enden sollen, durch Modernisierungen wurde die Lebensdauer jedoch bis nach 2040 hinein verlängert.

Großbritannien handelte immer transatlantisch

Die britisch-amerikanische Zusammenarbeit in der nuklearen Abschreckung geht auf das Ende der Fünfzigerjahre zurück; das damals zwischen dem amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower und dem britischen Premierminister Harold Macmillan geschlossene „Abkommen zur gegenseitigen Verteidigung“ ist seither im Zehnjahresrhythmus immer wieder verlängert worden.

Anders als Frankreich, die zweite europäische Nuklearmacht, hat Großbritannien in der Zeit des Kalten Krieges immer in einer transatlantischen Perspektive gehandelt. Und anders als Frankreich, das der NATO über Jahrzehnte hinweg eher fernstand und seine nukleare „Force de Frappe“ eigenständig aufbaute, haben die Briten sich immer am militärischen Atomstandard der USA orientiert. In den vielfältigen militärischen Kooperationsverträgen, die Paris und London vor fünfzehn Jahren schlossen, den „Lancaster-House-Abkommen“, findet sich daher zwar auch ein gemeinsames Programm für nukleare Simulationstests. Doch dieses „Teutates“-Abkommen sieht zugleich vor, dass die technologische „Brandmauer“ zwischen beiden Waffensystemen intakt bleibt und jeder der beiden Seiten die Einsicht in die Funktionsdetails des jeweils anderen Systems verwehrt wird.

Die britische strategische Nuklearabschreckung hat letzthin zudem aufsehenerregende Pannen verzeichnet. Vor einem Jahr wurde bekannt, dass der Testschuss einer Trident-Rakete von HMS Vanguard – dessen Einsatztauglichkeit nach Modernisierung und Truppentraining zertifiziert werden sollte – nach dem Unterwasserstart fehlschlug. Nachdem dieses Scheitern öffentlich wurde, hieß es von britischer Seite, der Fehler sei im Flugkörper zu suchen, nicht im Trägersystem. Trident bleibe „das verlässlichste Waffensystem der Welt“, teilte das Verteidigungsministerium mit, es sei rund 190-mal erfolgreich getestet worden. Dessen ungeachtet scheiterte 2016 schon ein ähnlicher Testschuss von einem anderen britischen U-Boot.

Im Lichte der transatlantischen Abhängigkeiten ist daher plausibel, dass Starmer trotz aller erratischer Entscheidungen des amerikanischen Präsidenten Trump die „besondere Verbundenheit“ zwischen Großbritannien und Amerika, die seit den Zeiten Churchills und Roosevelts beschworen wird, keinesfalls infrage stellen will. Um dieses Band zu bewahren, greift Starmer zu allen möglichen Mitteln. Er winkt mit einem Staatsempfang des britischen Königs für Trump und erinnert diesen sogar daran, dass er ja einen Golfplatz in Schottland besitze – ein eigenes schützenswertes Eigentum also.