Trump und Vance brachiale Rhetorik funktioniert

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Jahrzehntelang haben die Amerikaner, und nicht selten auch europäische Partner, Deutschland immer wieder einmal aufgefordert, im Interesse der Weltwirtschaft eine expansive Wirtschaftspolitik zu betreiben. Meist hat Deutschland diese Ansinnen mit Verweis auf Stabilitätsrisiken empört zurückgewiesen.

Seit mindestens fünfzehn Jahren haben die Amerikaner hinter verschlossenen Türen Deutschland zudem zu höheren Militärausgaben aufgefordert. Die hochmütige Antwort bestand lange darin, weiter den Trittbrettfahrer zu spielen und die Ausrüstung verrotten zu lassen.

Nun hat die Administration Trump die freundlichen Ermunterungen ihrer Vorgänger durch Brachialrhetorik ersetzt und dem darüber erschütterten Deutschland den Spiegel seiner Verletzlichkeit brutal vor Augen gehalten. Und siehe da, die alarmierte Berliner Politik kann gar nicht schnell genug reagieren und dabei gleich auch eherne finanzpolitische Prinzipien über den Haufen werfen. Während Washington versucht, die eigene ausufernde Neuverschuldung in den Griff zu bekommen, könnte Deutschland mit höheren Staatsschulden neben der heimischen Konjunktur zumindest ein ganz klein wenig die Weltkonjunktur anschieben.

Deutschland kann sich die zusätzliche Verschuldung leisten

Dazu gehört ein erheblicher Ausbau der militärischen Kapazitäten in einer Zeit, in der die Amerikaner bestrebt sind, eine Überforderung ihrer Streitkräfte zu reduzieren. Ohne Käufe amerikanischer Rüstungsgüter käme der deutsche Kapazitätsaufbau auch dann nicht zustande, wenn er in notwendiger Kooperation mit den Partnern dazu verwendet würde, die europäische Militärindustrie zu stärken. Keith Kellogg, der Ukraine-Beauftragte Washingtons, hat den aktuellen Umgang mit Kiew gerade als ein Schlagen auf die Nase eines Maultiers mit einem Kantholz beschrieben. Das tun die Herren Trump und Vance im übertragenen Sinne auch mit Deutschland und Europa. Und es funktioniert.

Die Überzeugung, dass man die Deutschen gelegentlich zu ihrem Glück zwingen muss, ist nicht nur im Weißen Haus anzutreffen. Schon den Kursreaktionen der internationalen Finanzmärkte – der Aufwertung des Euros, den steigenden Anleiherenditen und der im Vergleich ordentlichen Entwicklung des Aktienmarktes – lässt sich die Erwartung einer wirtschaftlichen Belebung als Ergebnis einer sehr aktiven deutschen staatlichen Investitionspolitik erkennen. Ebenso verraten Kommentare erfahrener Marktvertreter, wie viel sie einem Deutschland zutrauen, das sich aus dem Zustand von Selbstquälerei und Selbstfesselung befreit.

Aber auch im Lichte optimistischer Prognosen gilt für die Wirtschaftspolitik wie für die Militärpolitik weiterhin, dass man auch mit den größten Kanonen danebenschießen kann. Der schuldenfinanzierte beschleunigte Ausbau der Verteidigung bleibt wie 2022 als Ausnahmetatbestand begründbar, damit Deutschland nicht noch einmal in einen selbst herbeigeführten Zustand sicherheitspolitischer Hilflosigkeit gerät.

Diese zusätzliche Verschuldung kann sich Deutschland im Unterschied zu manchen Partnerländern leisten, weil nach den Verschuldungsschüben in der Finanzkrise und der Pandemie die Schuldenbremse für Mäßigung sorgte. Doch läge in einer Übertreibung kein Segen: Für Investitionen in die Infrastruktur wäre es vordringlich, Umschichtungen im Bundeshaushalt anzustreben.

Die Vorstellung, man müsse nur Geld ausgeben, damit die Wirtschaft wieder Schwung aufnimmt, bleibt gerade in einem überregulierten Land irrig. Weitreichende angebotspolitische Reformen bleiben auch als Flankierung staatlicher Investitionsprogramme unerlässlich. Um dauerhaft das Wachstumspotential der Wirtschaft zu steigern, müssen die staatlichen Investitionsmittel effizient eingesetzt werden, damit die Produktivität spürbar zunehmen kann. Erfahrungen aus anderen Ländern liegen für den Militärbereich vor, aus denen sich lernen ließe.

Wie sehr Staatsverschuldung Handlungsspielräume auch begrenzen kann, zeigt die Debatte um die Finanzierung einer europäischen Militärpolitik. Manche Länder möchten die Finanzierung auf die europäische Ebene verschieben.

Aber auch dort würde es teuer, weil die Kapitalmärkte längst die eher mäßige Bonität der Europäischen Union erkannt haben: So haben die Anleihen aus dem Next-Generation-Fonds zwar offiziell ein sehr gutes Rating, sie werden am Markt aber nur bezahlt wie die Anleihen Spaniens. Hier werfen alte Sünden lange Schatten. Die Kapitalmärkte aber lassen sich nicht einfach mit dem Kantholz auf die Nase schlagen. Das gelänge nicht einmal Donald Trump.