Die Grünen verderben der Industrie die Laune

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Gleich im Vierergespann traten sie am Montag unter der sonnigen Reichstagskuppel vor die Presse, die Partei- und Fraktionschefs der Grünen. Maximale Personalstärke für maximale Wirkung. Dem Plan von CDU/CSU und SPD, noch mit der alten Bundestagsmehrheit die Schuldenbremse für die Verteidigungsausgaben zu lockern und daneben ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur zu schaffen, will die Partei so nicht zustimmen. Kein einziger Euro werde dadurch zusätzlich investiert, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge. Es gehe den Verhandlern von Union und SPD nur darum, sich „Spielgeld“, eine „Schatzkiste“ für die Einlösung ihrer Wahlversprechen zu organisieren.

In den vergangenen Tagen hatten die Grünen irritiert beobachtet, wie Union und SPD ihr Sondierungspapier erst verhandelten und dann vorstellten, als wäre die Grundvoraussetzung – das Öffnen des Schuldenhahns – schon beschlossene Sache. Dafür aber braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und damit die Zustimmung der Grünen. Am Samstag versuchte CDU-Chef Friedrich Merz offenbar, die Skepsis der Grünen mit einem Anruf auszuräumen – vergeblich.

„Wenn Herr Merz auf den Anrufbeantworter von Frau Haßelmann spricht, man kann auch das Wort Klima noch in einer Begründung nennen, dann hat er noch nicht verstanden, dass wir das mit den Klimazielen in Deutschland ernst meinen“, sagte Dröge. Es brauche konkrete Investitionen in den Klimaschutz und in die Wirtschaft. Dafür wollen die Grünen statt eines zeitlich befristeten Sondervermögens eine Reform der Schuldenbremse, die das dauerhaft sicherstellt. Dazu müsse die Union auch das Gespräch mit der Linkspartei führen, so der Rat der Grünen an die Union.

„Die deutsche Exportwirtschaft befindet sich im freien Fall“

Für die Wirtschaft verheißt diese Entwicklung nichts Gutes. Etliche Verbände hatten sich am Wochenende erleichtert über das Sondierungspapier gezeigt, in dem unter anderem eine Unternehmensteuerreform und niedrigere Energiekosten angekündigt werden. Vor allem die Industrie hofft, dass sie schnell Planungssicherheit bekommt, wie die Rahmenbedingungen für sie in Deutschland demnächst aussehen.

Denn die Lage verschlechtert sich seit der Corona-Pandemie vor fünf Jahren. Im produzierenden Gewerbe ging die Produktion im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent zurück, mehr als 300.000 Arbeitsplätze sind seit 2019 verloren gegangen. Im Januar legte die Produktion zwar um zwei Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte.

Allerdings, so kommentierten Ökonomen umgehend, wurden damit nur die Rückgänge vom Jahresende ausgeglichen. Eine Trendwende sei nicht in Sicht. Dazu passt, dass die deutschen Exporte im Januar um 2,5 Prozent zum Vormonat gesunken sind. „Die deutsche Exportwirtschaft befindet sich im freien Fall“, sagte Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbandes BGA.

Was genau hat die mögliche neue Bundesregierung in der Energiepolitik vor?

Um das nötige Wirtschaftswachstum auszulösen, versprechen Union und SPD in ihrem Sondierungspapier neben Bürokratieabbau und Steuererleichterungen auch eine Senkung der Energiekosten sowie einen Ausbau der Netze und des Stromangebots. Doch es gibt Zweifel, ob dieser für die Koalitionsverhandlungen vorgezeichnete energie- und klimapolitische Weg wirklich in die richtige Richtung führt. „Die Maßnahmen greifen viel zu kurz“, sagt Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereichs Umwelt und Ressourcen am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung RWI in Essen. „Zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit ist ein radikaler Schwenk zu einer pragmatischen und kosteneffizienten Energiepolitik nötig.“ Frondel ist sicher: „Ein solcher Wechsel würde helfen, dreistellige Milliardenbeträge einzusparen oder zu erwirtschaften.“

Frondel, außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik an der Ruhr-Universität in Bochum, ist nicht nur Volkswirt und Wirtschaftsingenieur, sondern auch Mathematiker und Physiker. Er erinnert daran, dass das Sondierungspapier „Technologieoffenheit“ in Aussicht stellt und dass die Union im Wahlkampf angekündigt habe, die Weiternutzung der zuletzt abgeschalteten Kernreaktoren zu prüfen. Davon ist jetzt nicht mehr die Rede.

Subventionen für Investitionen

„Die sechs Atomkraftwerke sollten in einer öffentlichen-privaten Partnerschaft reaktiviert und die sozial ungerechte Förderung der Erneuerbaren, der Wärmepumpen und der energetischen Modernisierung, die vor allem Besserverdienende begünstigt, sofort abgeschafft werden“, sagt Frondel. „Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung und dem Verkauf von Emissionszertifikaten sollten strikt zur Senkung der Stromsteuer, von Umlagen und der Netzentgelte ausgegeben werden, um so die Stromverbraucher zu entlasten, nicht für die Erfüllung von Lobbywünschen.“ Der Verschuldungspfad, den Schwarz-Rot einschlage, gehe vollständig fehl: „Die Kosteneinsparpotentiale sind so riesig, dass auf das geplante, völlig überdimensionierte Infrastruktur-Sondervermögen verzichtet werden könnte“, sagt Frondel. „Die bei der Energiewende seit Dekaden übliche Geldverschwendung muss endlich ein Ende haben.“

Was genau hat die mögliche neue Bundesregierung in der Energiepolitik vor? Zum einen soll die Energieinfrastruktur aus dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für Investitionen unterstützt werden. Kommt dieser Nebenhaushalt trotz der Blockade der Grünen, dann sind zum Beispiel staatliche Zuschüsse für den geplanten Ausbau der Netze oder der Strom- und Wasserstofferzeugung denkbar. Die Übertragungs- und Verteilnetze für Strom, das Wärmenetz, das Wasserstoffkernnetz und das Kohlendioxidnetz erfordern riesige Investitionen.

Bis zur angestrebten Klimaneutralität 2045 sind geschätzt bis zu 600 Milliarden Euro nötig oder überschlägig 30 Milliarden im Jahr. Im Sondierungspapier steht zudem, dass bis zum Jahr 2030 „zur Vermeidung von Versorgungsengpässen“ sowie „zur Stabilisierung des Strompreises“ Gaskraftwerke mit einer Leistung von 20 Gigawatt (GW) errichtet werden sollen. Die Kraftwerksstrategie der alten Regierung sah 13 GW vor, davon 10 GW für wasserstofffähige Anlagen. Allein für Letztere hatte die Ampel Bau- und Betriebsbeihilfen von 15 bis 20 Milliarden Euro veranschlagt.

Die im Finanzpaket der Sondierer aus Union und SPD angestrebte Entlastung bei den Stromnetzkosten würde nach Einschätzung der Branche jedes Jahr Milliardensummen kosten. „Sechs Milliarden Euro wäre die Summe, die erforderlich wäre, um die Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber zu halbieren“, sagt der Chef des Netzbetreibers 50Hertz, Stefan Kapferer, am Montag. Es sei wichtig, die Kosten insgesamt zu senken. „Denn auf Dauer wird es natürlich nicht einfach sein, jedes Jahr sechs Milliarden Euro an Zuschuss zu mobilisieren.“

Neben den Subventionen für Investitionen plant Schwarz-Rot auch laufende Zuschüsse und niedrigere Abgaben. Die von der Ampel schon durchgesetzte Stromsteuersenkung auf das europäische Mindestmaß soll dauerhaft bestehen bleiben. Die sogenannte Strompreiskompensation will man verlängern und auf weitere energieintensive Branchen ausweiten.

All das soll möglichst schnell dafür sorgen, den Strompreis „um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde“ zu drücken. An den deutschen Klimazielen hält die designierte Regierung fest und auch am Ausbau des Ökostroms und der Speicher. Allerdings soll all das „netzdienlich“ erfolgen, also ohne die Leitungen zu über- oder zu unterfordern und ohne die Förderkosten weiter ins Kraut schießen zu lassen.