Eine Frage der grönländischen Unabhängigkeit

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An diesem Dienstag wählt Grönland ein neues Parlament, und kurz davor ist noch einmal sehr deutlich geworden, worum es dabei geht. Scharf wie nie wandte sich Grönlands Ministerpräsident Múte B. Egede gegen den amerikanischen Präsidenten. „Wir verdienen es, mit Respekt behandelt zu werden, und ich glaube nicht, dass der US-Präsident das in letzter Zeit getan hat“, sagte Egede in einem Interview, das der Dänische Rundfunk am Montag ausstrahlte. Donald Trump sei „unberechenbar“ und verunsichere die Menschen. 

Trump wiederum veröffentlichte in der Nacht auf Montag einen Beitrag auf seiner Plattform „Truth Social“ mit Bezug auf die anstehende Wahl. „Wir sind bereit, Milliarden von Dollar zu investieren, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und Sie reich zu machen“, schrieb er. Wenn die Grönländer wollten, „heißen wir sie herzlich willkommen, Teil der großartigsten Nation der Welt zu werden“.

Grönland ist riesig, rund viermal so groß wie Frankreich, doch auf der Insel leben nur rund 56.000 Menschen. Wahlberechtigt sind sogar nur rund 43.000 von ihnen. In dieser Hinsicht gleicht die Parlamentswahl an diesem Dienstag einer kleineren Kommunalwahl. Doch ihre Auswirkungen könnten gravierend sein. Für das Land selbst, für Dänemark, aber auch für Europa insgesamt.

Trump: „Auf dem einen oder anderen Weg werden wir es bekommen“

Grönland ist ein weitgehend autonomer Teil des dänischen Königreichs. Auf der Insel gibt es seit Langem Unabhängigkeitsbestrebungen, von der früheren Kolonialmacht fühlt man sich ungerecht behandelt. Skandale wie die erzwungene Einsetzung von Spiralen zur Verhütung bei Tausenden grönländischen Mädchen und Frauen trugen dazu bei. Öl ins Feuer goss Trumps Sohn Donald Jr. im Januar bei einem Besuch in der grönländischen Hauptstadt Nuuk, indem er Dänemark Rassismus vorwarf. 

Trump wiederum schloss nicht einmal militärische und wirtschaftliche Maßnahmen gegen Dänemark aus. Amerika brauche die Insel für seine und für die internationale Sicherheit, bekräftigte er. Und vor dem Kongress gab Trump sich kürzlich zuversichtlich: Er glaube, Amerika werde Grönland bekommen. „Auf dem einen oder anderen Weg werden wir es bekommen.“

Mit seinem Vorgehen hat Trump Dänemark in eine tiefe außenpolitische Krise gestürzt. Von seinem Angriff, der zusammenfiel mit einer verstärkten Unabhängigkeitsbestrebung auf Grönland, wurde es kalt erwischt. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen versucht nun zu retten, was geht. Sie versicherte den Grönländern wiederholt, nur sie allein bestimmten über die Zukunft ihres Landes. Doch in Kopenhagen wird bezweifelt, dass man Grönland wird halten können.

Viele Kinder in Grönland sprechen besser Englisch als Dänisch

Die eigene Unabhängigkeit war im grönländischen Wahlkampf das zentrale Thema. Alle im Parlament vertretenen Parteien sind dafür bis auf die Mitte-rechts-Partei Atassut, die ein Verbleib im Königreich befürwortet. Doch die meisten anderen Parteien wollen keine Unabhängigkeit um jeden Preis. Seit Langem gibt es auf der Insel eine Hinwendung zu Amerika. Grönland ist geographisch Teil des amerikanischen Kontinents, viele Kinder sprechen besser Englisch als Dänisch. Aber Amerikaner wollen sie deswegen nicht unbedingt werden, und der amerikanische Druck sorgte nun dafür, dass viele Menschen auf Abstand zu den USA gingen. „Grönland gehört uns. Wir werden weder Amerikaner noch Dänen sein“, sagte Egede wiederholt.

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Bei der Wahl treten sechs Parteien an, nur die Naleraq-Partei befürwortet eine schnelle Abstimmung über die Unabhängigkeit und eine rasche Annäherung an die USA. Anhänger der Partei hatten Trump Jr. im Januar in Nuuk begrüßt, und ein Abgeordneter der Partei war in die USA gereist, wo er sich mit republikanischen Abgeordneten traf, die einen „Make Greenland Great Again Act“ ins Repräsentantenhaus einbrachten.

Inwiefern Naleraq von dem antidänischen Kurs profitieren wird, ist offen. Es gab im Wahlkampf nur eine Umfrage, bei der auch nur rund 500 Personen befragt wurden. Die sah die Protestpartei Naleraq zwar gestärkt, aber nur bei rund 16 Prozent. 

Der Druck von außen könnte den Zuspruch für die Regierung verstärken

Unklar ist auch, inwiefern sich mögliche Manipulationsversuche auf das Wahlergebnis auswirken, vor denen die dänischen Geheimdienste Ende Februar warnten. Diese teilten mit, im Wahlkampf würden Profile in sozialen Netzwerken gefälscht sowie Zitate von grönländischen Politikern aus dem Zusammenhang gerissen. Außerdem führe die amerikanische Aufmerksamkeit für Grönland zur Verbreitung von Fehlinformationen durch „Politiker, Meinungsmacher und einflussreiche Personen aus den USA“.

Erwartet wird, dass Egedes linke Partei Inuit Ataqatigiit (IA), die derzeit eine Koalition mit der sozialdemokratischen Partei Siumut bildet, wieder stärkste Kraft wird, auch weil der Druck von außen den Zuspruch für den Regierungskurs verstärken könnte. Die beiden Koalitionsparteien streben auch die Unabhängigkeit Grönlands an, aber erst dann, wenn die richtigen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen gegeben sind. Egede zielt nun darauf, im Falle eines Wahlsieges eine möglichst breite, robuste Koalitionsregierung zu bilden.

Sollte dann eine Unabhängigkeit von Dänemark beschlossen werden, ist zunächst ein Referendum notwendig. Danach müsste mit Dänemark verhandelt werden, wie die Zusammenarbeit nach der Abspaltung aussehen könnte. Eine klare Strategie dafür gibt es bisher von keiner Partei. Wie die Insel wirtschaftlich jemals auf eigenen Beinen stehen soll, ist offen. Noch überweist Kopenhagen jährlich rund 530 Millionen Euro nach Grönland, was etwa der Hälfte des grönländischen Staatshaushalts entspricht. Zudem geht die Einwohnerzahl zurück, viele Grönländer sind bildungsschwach. Angenommen wird in Kopenhagen, dass sich Grönland zwar von Dänemark unabhängig machen könne, dann aber zwangsläufig in Abhängigkeit Amerikas geriete.

Ausgerechnet der 77 Jahre alte Aktivist und Politiker Aqqaluk Lynge, der sein Leben lang für Grönlands Unabhängigkeit gekämpft hat, setzt sich deswegen nun für eine verstärkte Verbindung mit Dänemark ein. Um zu überleben, müsse sich Grönland nun „so weit wie möglich“ an Dänemark annähern, sagte Lynge kürzlich der Zeitung „Politiken“. 

Lynge hatte einst die IA, die Partei von Regierungschef Egede, mitbegründet. Aus seiner Sicht ist die Gefahr einer Übernahme Grönlands durch die USA sehr real. „Wenn Grönland und Dänemark in diesem Spiel nicht sehr eng zusammenrücken, wird Trump kommen und uns holen.“ Trump sei hinter dem Reichtum Grönlands her. „Für ihn existieren wir als Volk nicht.“