Dass die Grünen sich beim Thema Schulden mal auf einen als „Sparminister“ bekannten CDU-Politiker berufen würden, war bis vor Kurzem schwer vorstellbar. Doch die Zeiten sind in jeder Hinsicht ungewöhnlich. „Wolfgang Schäuble würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen würde, wie seine Partei die Schuldenbremse reformieren will, um Steuergeschenke zu finanzieren“: Mit diesen Worten stellte sich Grünen-Chefin Franziska Brantner am Montag gegen die Pläne von Schwarz-Rot, Verteidigung und Infrastruktur künftig weitgehend über neue Kredite zu finanzieren.
Eben noch die lautesten Verfechter einer höheren Neuverschuldung, jetzt das Sparsamkeitsgewissen des Berliner Politikbetriebs? Was überraschend klingt, ist es bei genauerer Betrachtung nicht so sehr. Das hat zum einen mit persönlicher Kränkung zu tun. Obwohl CDU-Chef Friedrich Merz weiß, dass er die Zustimmung der Grünen für seine Verschuldungspläne braucht, band er die Partei nicht in die Gespräche ein. Vielmehr erweckten er und SPD-Chef Lars Klingbeil den Eindruck, das Ja der Grünen sei Formsache.
Das war ein Fehler. Vor dem Wechsel auf die Oppositionsbank wollen die Grünen noch ein letztes Mal Politik mitgestalten – wie jede andere Partei es in dieser Lage auch machen würde.
Das Manöver ist taktisch klug
Und dann ist da noch die inhaltliche Ebene. Dass der Klimaschutz im Sondierungspapier nicht mehr als eine Randnotiz ist, der vergrößerte finanzielle Spielraum unter anderem für eine höhere Mütterrente und Subventionen für Gastronomen und Landwirte genutzt werden soll, wollen die Grünen Union und SPD nicht durchgehen lassen. Das ist auch richtig so.
Zugleich ist es aber wenig glaubwürdig, wenn die Grünen jetzt den Eindruck erwecken, sie seien der Hort der reinen finanzpolitischen Lehre. Ihnen geht es nicht um Maßhalten, sondern das Gegenteil: eine dauerhafte Lockerung der Schuldenbremse für alle Ausgaben, die irgendwie mit Zukunft zu tun haben.
Auch die Grünen fassen den Investitionsbegriff denkbar weit, von Klimaschutzverträgen bis zur Kindergrundsicherung. Das Manöver vom Montag mag taktisch klug sein – aber es ist auch sehr durchschaubar.