Augenheilkunde: Mit Stromimpulsen gegen Grünen Star

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Stand: 12.03.2025 07:44 Uhr

Das Auge mit Stromimpulsen schützen – eine neue Therapie gegen den Grünen Star wird nun in einer klinischen Studie in Mainz getestet. Wie vielversprechend ist die Therapie?

Betroffene merken es oft anfangs nicht – die Augen werden langsam immer schlechter. Doch unbehandelt kann die Glaukom-Erkrankung, auch als Grüner Star bekannt, zu vollständiger Blindheit führen, denn bei der Krankheit sterben nach und nach Zellen im Auge ab. In Zukunft sollen kleine Stromimpulse die Augenkrankheit aufhalten. Das ist das Ziel einer neuen Behandlung, die seit März 2025 an der Uniklinik Mainz getestet wird.

Wie Stromimpulse das Auge schützen sollen

Die Krankheit entsteht durch einen zu hohen Druck im Auge. Normalerweise kann die Augenflüssigkeit in der Augenkammer problemlos zirkulieren und abfließen. Bei der Glaukom-Erkrankung bleibt jedoch zu viel Wasser in der Kammer, der Druck im Auge steigt. Auf der Netzhaut im Auge sterben dann Zellen ab.

Dieses Absterben möchte die neue Behandlung möglichst stoppen. Bei dem transkornealen Elektrostimulationsverfahren (TES) geben kleine Metallfäden Stromimpulse ab. Diese schwachen Stromimpulse fließen dann durch die Hornhaut und das Auge. Die elektrischen Impulse stimulieren dabei die bedrohten Nervenzellen und sollen so ein weiteres Absterben verhindern.

“Dadurch werden dann Schutzmechanismen in den Zellen angeregt und auch die Mikrozirkulation verbessert, weil hier die Durchblutung im Auge eine wichtige Rolle spielt”, sagt Katrin Lorenz, Studienleiterin und Oberärztin der Augenklinik an der Universitätsmedizin Mainz. “Wir erhoffen uns natürlich, dass die Funktion in den verbliebenen Zellen dadurch verbessert wird.”

Glaukom bleibt oft lange unbemerkt

Die Glaukom-Erkrankung ist eine Erkrankung des Sehnervs und eine der häufigsten Ursachen für Erblindung. Zu den Risikofaktoren gehört erhöhter Augeninnendruck, aber auch Diabetes und Herzkreislauferkrankungen können zu einem grünen Star führen. Etwa 900.000 Menschen leben in Deutschland mit der Erkrankung – bei etwa der Hälfte von ihnen, so Schätzungen, ist die Krankheit unerkannt.

Mehrere Studien rechnen aufgrund der demografischen Alterung der Bevölkerung mit einem deutlichen Anstieg in den nächsten Jahren. Bis zum Jahr 2040 könnten in Deutschland etwa 1,2 Millionen Menschen betroffen sein. Ein Glaukom kann in jedem Alter auftreten, aber vor allem sind Menschen über 40 betroffen. Von den 75- bis 89-Jährigen sind etwa vier bis sieben Prozent betroffen.

Viele erkennen die Krankheit nur schleichend. “Man sieht die Ränder nicht. Man sieht rechts und oben und unten nicht mehr richtig”, sagt Sybille Schmelzenbach-Ziegelmeyer, die selbst Glaukom-Betroffene ist. Häufig wird die Krankheit erst wahrgenommen, wenn die Ausfälle schon deutlich fortgeschritten sind. Auch ihre Schwester Olivia Bell ist erkrankt und hat ihre Sehverluste beim Autofahren bemerkt. “Ich habe es auch mit zwei kleinen Autounfällen praktisch erfahren, dass ich jetzt nicht mehr Auto fahren sollte. Es ist nicht viel passiert, aber ich habe dann die Autos nicht gesehen, die von der Seite kamen.”

Bisherige Therapien verlangsamen die Krankheit häufig nur

Bei bisherigen Therapien kann der hohe Augendruck nur durch Augentropfen oder eine Operation verringert werden. Häufig wird die Krankheit so nur verlangsamt, aber nicht aufgehalten.

Die neue Behandlungsmethode wird an der Uniklinik Mainz in den nächsten zweieinhalb Jahren im Rahmen einer Studie getestet. Einmal in der Woche sollte die Therapie für 30 Minuten angewendet werden, sagt die Studienleiterin Katrin Lorenz. “Zuerst findet ein Training in der Klinik statt. Wenn die Therapie dann eingeübt wurde, können die Patienten die Therapie zu Hause durchführen.”

Noch ist neue Therapie für den Grünen Star nicht zugelassen, sie wird gerade erst getestet. Bei einer anderen unheilbaren Erbkrankheit der Netzhaut, Retinitis pigmentosa, auch Patermann-Syndrom genannt, wird die Therapie bereits regelmäßig in der Praxis eingesetzt. Hier konnten mehrere Studien eine deutliche Verbesserung feststellen. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind bisher nicht bekannt. Manche Patienten klagen jedoch über trockene Augen, in vereinzelten Fällen auch über Augenschmerzen. Noch muss sich erst zeigen, wie gut die Elektrostimulation beim Grünen Star wirkt. Die neue Therapie könnte die Behandlung aber deutlich verbessern.

Krankheit soll gestoppt werden

Die Hoffnungen sind groß, aber auch die Elektrostimulation kann Schäden im Gesichtsfeld der Betroffenen nicht reparieren. Vorhandene Schäden und Ausfälle im Auge können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Deshalb muss die Krankheit bei Betroffenen möglichst früh erkannt werden.

Aufgrund der vermutlich hohen Zahl unerkannter Erkrankungen empfiehlt der Verband der Augenärzte für Risikopatienten daher eine jährliche Früherkennung – vor allem, wenn bereits Familienangehörige am Grünen Star erkrankt sind. “Es ist wichtig, dass hier regelmäßige augenärztliche Kontrollen stattfinden, wo man den Augeninnendruck kontrolliert, aber auch Gesichtsfelduntersuchungen durchführt und den Sehnerv kontrollieren lässt, insbesondere wenn Risikofaktoren vorliegen, wie zum Beispiel eine familiäre Vorbelastung”, sagt Katrin Lorenz von der Uniklinik Mainz.

Die Früherkennung muss jedoch selbst bezahlt werden, kostet bis zu 45 Euro und wird selten so umfassend angeboten. Umstritten ist allerdings, für welche Patientengruppen solch eine Früherkennung nötig ist.