Europa arbeitet an Lösungen für die Ukraine

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Der Satellitendienst Starlink ist entscheidend für die Kommunikation der ukrainischen Truppen. Nun fürchten sich viele vor einer Abschaltung. Europäische Anbieter arbeiten an einer Alternative.

Elon Musks Starlink hat über 7000 Satelliten im All. Dorthin werden sie von SpaceX-Raketen transportiert.

Elon Musks Starlink hat über 7000 Satelliten im All. Dorthin werden sie von SpaceX-Raketen transportiert.

SpaceX

Stellt er ab, oder stellt er nicht ab? Diese Frage kreist derzeit um Elon Musk und seinen Satellitendienst Starlink in der Ukraine. Dort ist Starlink seit Beginn des russischen Angriffskriegs eine Schlüsselinfrastruktur.

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Mit seinen Satelliten versorgt Starlink, das vom amerikanischen Raumfahrtunternehmen SpaceX betrieben wird, die ukrainischen Gebiete mit verlässlichem Internetzugang. Spitäler, Militärstützpunkte und auch Truppen an der Front kommunizieren darüber.

Für lange Zeit konnte sich die Ukraine auf Starlink verlassen. Doch seit ein paar Wochen ist alles anders. Unter Donald Trump ist die Unterstützung der Ukraine seitens der USA unsicher geworden. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete Ende Februar unter Berufung auf anonyme Quellen, die USA benutzten Starlink als Druckmittel für Rohstoffverhandlungen. Musk schrieb am Sonntag auf X: «Mein Starlink-System ist das Rückgrat der ukrainischen Armee. Deren ganze Front kollabiert, wenn ich es abstelle.»

Kurz darauf beteuerte er zwar, Starlink würde den Dienst in der Ukraine niemals einstellen. Doch Musks Unberechenbarkeit ist Grund genug für Europa, sich nach einem Ersatz umzusehen. Welche Optionen aber gäbe es, um unabhängig von Starlink zu werden? Mit dem Programm Govsatcom will die EU nächstes Jahr die Satelliten der einzelnen Mitgliedsstaaten bündeln, mit Iris2 will sie ab 2030 ein europaweites Satellitennetzwerk in Betrieb nehmen. Doch die Ukraine kann vielleicht nicht so lange warten.

Erste kurzfristige Alternativen zu Starlink scheint es nun zu geben. Oder zumindest die Hoffnung darauf. In mehreren europäischen Ländern haben sich Satellitenbetreiber eingeschaltet. Einer verkündet sogar, er könnte Starlink in der Ukraine ersetzen. Und zwar in den nächsten Monaten. Ist das nun der europäische Durchbruch? Oder eher eine Selbstüberschätzung?

Starlink hat noch immer mehr und modernere Satelliten

Elon Musks Raumfahrtfirma SpaceX betreibt mit Starlink weltweit über 7000 Satelliten, die im niedrigeren Orbit fliegen, sogenannte Low-Earth-Orbit- oder LEO-Satelliten. Für den Empfang dieser Satellitendaten auf der Erdoberfläche stellt SpaceX Empfänger her, Laptop-grosse, handliche Terminals. In der Ukraine gibt es davon über 40 000 Stück. Sie sind mobil, schnell installiert und einfach zu bedienen.

Unter den europäischen Satellitenbetreibern kommt derzeit der französisch-britische Konzern Eutelsat der Starlink-Infrastruktur am nächsten. Die französische Firma Eutelsat fusionierte 2023 mit dem britischen Unternehmen Oneweb, das nach SpaceX weltweit die meisten LEO-Satelliten betreibt. Zwar sind von Oneweb derzeit nur 631 LEO-Satelliten in Betrieb und damit ein Bruchteil der 7000 von Starlink. Doch das müsse kein Nachteil sein, sagt Sandro Scalise, der die Abteilung für Satellitennetze am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt leitet.

Die Oneweb-Satelliten kreisen in einer Höhe von 1200 Kilometern und damit auf einer weiter entfernten Umlaufbahn um die Erde, während die Starlink-Satelliten 550 Kilometer von der Erde entfernt sind. Entsprechend grösser ist der Ausschnitt der Erdoberfläche, den die Oneweb-Satelliten abdecken können. Scalise sagt: «Ein Oneweb-Satellit erfasst etwa eine Fläche der Grösse Alaskas – für die Ukraine reichen also ein oder zwei verlässliche Satelliten.»

Quelle: Celestrak (Stand: 15. 11. 2024).

Aber wieso hat Elon Musks Starlink dann überhaupt so viele Satelliten auf der Erdumlaufbahn? Scalise sagt, das liege einerseits an der geringeren Flughöhe. Diese mache 2,5- bis 3-mal so viele Satelliten für eine globale Abdeckung nötig. Also ein Minimum von ungefähr 1500.

Andererseits liege es auch daran, dass ständig neue Modelle entwickelt und diese dann laufend und relativ unkompliziert durch die Raketen von SpaceX ins All geschickt werden könnten. Derzeit kreisen die Starlink-Versionen 1.0, 1.5 und 2.0 Mini durchs All. Ab der Version 1.5 sind sie mit einem sogenannten Intersatellitenlink verbunden. Das ist eine Verbindung, mit der die Satelliten untereinander Daten austauschen, sie bei einem Satelliten bündeln und dann direkt an eine Bodenstation schicken können.

Musk aktualisiert und modernisiert seine Satellitenflotte also laufend. Eutelsat hingegen hat zurzeit ausschliesslich Satelliten seiner ersten Generation im Orbit – ohne Intersatellitenlink. Die zweite Generation befindet sich derzeit in der Entwicklung.

Die europäischen Eutelsat-Terminals sind teurer

Auch in Bezug auf die Terminals hat Starlink gegenüber Eutelsat noch einen Vorsprung. SpaceX stellt diese selber her. Eutelsat muss sie bei Partnerunternehmen einkaufen, ist also abhängig von deren Produktionskapazitäten. Immerhin: Dadurch, dass mehrere Unternehmen Zulieferer sind, kann schneller eine grössere Masse hergestellt werden.

Eva Berneke, die CEO von Eutelsat, sagte am Montag gegenüber Bloomberg: «Wir haben Stand heute ein paar tausend Terminals in der Ukraine.» In einigen Wochen könnten sie diese Zahl verdoppeln oder verdreifachen und bis in einigen Monaten ebenfalls 40 000 Terminals einsatzbereit haben.

Die Terminals von Eutelsat sind mit rund 10 000 Dollar jedoch um einiges teurer als diejenigen von Starlink. Diese kosten knapp 600 Dollar mit einer Nutzungsgebühr von bis zu 400 Dollar monatlich. Derzeit trägt Polen neben den USA die Hälfte der Kosten für die Starlink-Infrastruktur in der Ukraine. Wer bei einer Ablösung die Mehrkosten für die Eutelsat-Terminals tragen würde, bliebe abzuwarten.

Neben Eutelsat sind drei weitere europäische Satellitenbetreiber daran, Alternativen für Starlink auszuarbeiten. Gegenüber der «Financial Times» bestätigten das luxemburgische Satellitenunternehmen SES, der spanische Satellitenbetreiber Hisdesat und mit Viasat der Eigentümer des britischen Satellitendienstleisters Inmarsat am Freitag: Sie seien derzeit im Austausch mit Regierungen und EU-Institutionen darüber, wie man Starlink ersetzen könnte.

Das luxemburgische SES verfügt über Satelliten im mittleren Orbit, also dem Bereich zwischen den LEO- und den geostationären Satelliten. Der Satellitenexperte Scalise sagt, diese mittelorbitalen SES-Satelliten könnten für die Ukraine eine Ergänzung zu den LEO-Satelliten von Eutelsat sein. Insgesamt schätzt er einen möglichen Ersatz von Starlink durch europäische Alternativen als plausibel ein.

Für europäische Satellitenunternehmen präsentiert sich die Unsicherheit mit Starlink derweil als unternehmerische Chance. Der Aktienkurs von Eutelsat ist seit Anfang März jedenfalls um ein Vielfaches gestiegen.