Stopp von Asylverfahren für Syrer: Für Österreich nicht genug

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Neben Deutschland setzen auch andere Länder die Bearbeitung von Asylanträgen aus, die von Syrern gestellt, aber noch nicht abgeschlossen worden sind. In Österreich, wo die Regierung den Schritt am Montagnachmittag bekannt gab, betrifft das rund 7300 offene Verfahren. Ebenso wird auch der Familiennachzug ausgesetzt.

Während deutsche Regierungsvertreter wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Überlegungen über eine Rückkehr von Syrern in ihre Heimat als verfrüht zurückweisen, prescht die Regierung in Wien hier vor. „In diesem Zusammenhang habe ich das Ministerium beauftragt, ein geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm nach Syrien vorzubereiten“, wurde der österreichische Innenminister Gerhard Karner zitiert. Bundeskanzler Karl Nehammer gab bekannt, dass er den Innenminister zu diesen Schritten angewiesen habe. Man habe einen Plan für die Rückführung von Syrern in ihr Heimatland.

Kritiker beklagen „politische Schnellschüsse“

Die konkreten Folgen dieser Ankündigungen dürften vorerst gering sein. Denn die Regierung wies zugleich darauf hin, dass die weiteren Schritte von den Entwicklungen in Syrien selbst abhingen. Zugleich beeilte sich das österreichische Bundesverwaltungsgericht, darauf hinzuweisen, dass alle Asylentscheidungen Einzelfallprüfungen unterlägen und letztlich durch die Justiz getroffen würden. Die eiligen Ankündigungen durch Nehammer und Karner, die beide der christdemokratischen ÖVP angehören, dürften dem politischen Druck von rechts geschuldet sein. Der Vorsitzende der rechten FPÖ, Herbert Kickl, forderte „sofort“ mehrere Maßnahmen: Aberkennung des Schutzstatus, „sofortige Abschiebungen“ auch von Asylbewerbern, keine Annahme mehr von Asylanträgen.

In der Stellungnahme des Innenministeriums hieß es, die politische Lage in Syrien habe sich in den vergangenen Tagen „grundlegend und vor allem rasant verändert“. Die Lage werde an Ort und Stelle beobachtet. „Wesentlich ist eine Neubewertung des Lagebilds, das für die weitere Bearbeitung der Fälle (anhängige Verfahren, Familienverfahren, Aberkennungsverfahren) notwendig ist.“ Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Ankündigungen der Regierung in Wien dagegen als „politische Schnellschüsse“. Die Aussetzung der laufenden Verfahren verunsichere Schutzsuchende und verletze internationale Verpflichtungen, befand Amnesty International. „Schutz und Stabilität müssen im Vordergrund stehen – nicht politisches Kalkül.“

Neben Deutschland und Österreich haben auch die skandinavischen Staaten Schweden, Norwegen und Dänemark, Großbritannien, Italien sowie die Schweiz die Bearbeitung von Asylanträgen von Syrern gestoppt. Frankreich hat das noch nicht vollzogen, plant jedoch einen entsprechenden Schritt.

Frankreich nahm 2015 nur wenige Syrer auf

Nach Angaben des Innenministeriums in Paris ist eine entsprechende Aufforderung an das zuständige Zentralamt für den Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen (Ofpra) ergangen. Die Behörde ist jedoch nicht direkt dem Innenministerium unterstellt. „Wir verfolgen die Situation in Syrien sehr aufmerksam, da sie sich sehr schnell entwickelt. Dies könnte uns dazu veranlassen, bestimmte Entscheidungen aufzuschieben“, sagte Ofpra-Direktor Julien Boucher. Die Entscheidungspraxis werde angepasst.

Derzeit liegen in Frankreich etwa 700 offene Asylanträge von Syrern vor. Anders als in Deutschland stand die damalige sozialistische Staatsführung 2015 der Aufnahme von Syrern ablehnend gegenüber. Etwa 45.000 syrische Staatsangehörige genießen derzeit in Frankreich Schutz. Der Vorsitzende des rechtspopulistischen Rassemblement National, Jordan Bardella, äußerte sich besorgt über das Risiko massiver Migrationsströme nach Frankreich nach dem Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad. Außenminister Jean-Noël Barrot bezeichnete diese Besorgnis als „absoluten Fehlschluss“.

Der französische Präsident Emmanuel Macron verständigte sich außerdem in einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) darauf, „auf der Basis grundlegender Menschenrechte und dem Schutz ethnischer und religiöser Minderheiten“ zu einer Kooperation mit den neuen Machthabern bereit zu sein. Beide begrüßten das Ende der Regierung von Assad, denn Assad habe „dem syrischen Volk furchtbares Leid und seinem Land großen Schaden zugefügt“. Wichtig sei es, die „territoriale Integrität und Souveränität Syriens zu erhalten“.

In Paris verwies man zudem auf die UN-Resolution 2254. Sie besagt, dass die Terrororganisationen „Islamischer Staat“ und Al-Nusra-Front aus dem politischen Übergangsprozess ausgeschlossen bleiben müssen. Scholz und Macron bekundeten zudem ihren Willen, das Engagement der EU in Syrien zu verstärken.