Der ukrainische Vorstoß auf das Gebiet des Angreifers Russland bei Kursk steht nach sieben Monaten vor dem Ende. Nach der Rückeroberung der Kreisstadt Sudscha durch russische Truppen besuchte Kremlchef Wladimir Putin erstmals eine Stabsstelle an diesem Teil der Front.
Gekleidet in Tarnuniform ordnete er an, die letzten ukrainischen Truppen so schnell wie möglich aus dem Grenzgebiet Kursk zu vertreiben. Zu dem Vorschlag der USA und der Ukraine für eine 30-tägige Waffenruhe äußerte sich Putin bei dem demonstrativen Auftritt mit seiner Militärführung nicht.
Die Ukraine hatte sich am Dienstag unter Druck der USA dem Vorschlag einer Feuerpause angeschlossen – vorausgesetzt, dass Russland mitziehe. Moskau reagierte zunächst ausweichend auf dieses Ergebnis amerikanisch-ukrainischer Gespräche in Saudi-Arabien.
Russland legte laut Insidern den USA eine Liste mit Bedingungen für ein Ende des Krieges vor, berichtet die Nachrichtenagetur Reuters. Der genaue Inhalt sei allerdings nicht bekannt, wie die beiden mit den Vorgängen vertraute Personen demnach sagen. Die Forderungen seien eher breit angelegt und den bereits früher geäußerten ähnlich. Dazu gehört, dass die Ukraine kein NATO-Mitglied wird, in der Ukraine keine ausländischen Truppen stationiert werden und die Ukraine territoriale Zugeständnisse an Russland macht.
Wann reisen US-Gesandte nach Moskau?
Unklar ist, wie schnell amerikanische Unterhändler die Initiative in Russland ansprechen können. Präsident Donald Trump sagte im Weißen Haus, es sei bereits eine Delegation unterwegs. „Wir wissen, dass in diesem Moment Leute nach Russland reisen“, sagte Trump bei einem Empfang für den irischen Premier Micheál Martin. Später hieß es aus dem Weißen Haus, der Sondergesandte Steve Witkoff werde Russland in einigen Tagen besuchen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, die Verbündeten seines Landes müssten in dieser Lage den Druck auf Moskau aufrechterhalten. „Das Wichtigste ist die Fähigkeit unserer Partner dafür zu sorgen, dass Russland bereit ist, nicht zu täuschen, sondern den Krieg tatsächlich zu beenden“, sagte er in einem Video. Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als drei Jahren gegen eine russische Invasion.
Ukraine: Rückzüge, aber kein Abzug aus Kursk
Trotz der Rückschläge für die ukrainischen Truppen im Gebiet Kursk dementierte Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj einen vollständigen Abzug. „Trotz des verstärkten Drucks der russisch-nordkoreanischen Armee werden wir die Verteidigung in der Region Kursk so lange aufrechterhalten, wie es angemessen und notwendig ist“ schrieb er auf Facebook.
Eventuelle Rückzüge gebe es, um das Leben der Soldaten zu schonen. In diesem Fall manövrierten sich die Einheiten „erforderlichenfalls in günstigere Positionen“, erklärte Syrskyj. Den Karten ukrainischer Militärbeobachter zufolge sind nur noch wenige Quadratkilometer in der Hand Kiewer Truppen.
Mit dem Vordringen auf russisches Staatsgebiet Anfang August 2024 hatte die Ukraine den Krieg erstmals auf das Terrain des Gegners getragen. In den ersten Tagen der Offensive wurden etwa 1.300 Quadratkilometer erobert. Der Kreml und die russische Armee reagierten langsam. Putin befahl mehrmals die Rückeroberung, aber ohne Ergebnis.
Erst im Laufe der Zeit schrumpfte der ukrainische Brückenkopf. Seit Februar verstärkten die Russen die Angriffe. Die unerwartet schnelle Eroberung von Sudscha gelang nach Moskauer Darstellung durch eine List: Russische Soldaten krochen über Kilometer durch eine stillliegende Gaspipeline in den Rücken der Ukrainer. Andere Militärbeobachter vermuten, der ukrainische Rückzug aus Sudscha könnte bereits Teil der Absprachen zu einer Feuerpause sein.
Russischer Generalstab: Letzte Ukrainer eingekreist
Die letzten ukrainischen Truppen im Gebiet Kursk seien eingekreist, sagte der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow bei der Beratung mit Putin. Die Kiewer Führung habe das Gebiet als Tauschobjekt für mögliche Verhandlungen mit Russland besetzt. Außerdem habe der Vorstoß russische Kräfte binden sollen. „Doch diese Absichten des Gegners sind vollständig gescheitert.“
Putin sprach davon, dass an der Grenze zwischen Kursk und dem ukrainischen Gebiet Sumy eine Sicherheitszone eingerichtet werden sollte – er drohte also mit einem weiteren Vorrücken auf Gebiet der Ukraine.
Gerassimow berichtete, bei den Gefechten seien 430 ukrainische Soldaten gefangengenommen worden. Gefangene sollten human behandelt werden, sagte Putin. Ausländische Söldner fielen aber nicht unter das Kriegsvölkerrecht. Weiter sagte er, dass auch ukrainische Soldaten in Kursk nach russischem Recht als Terroristen gelten.
Europäische NATO-Staaten beraten
Eine Fünfer-Gruppe wichtiger europäischer NATO-Staaten traf sich in Paris und arbeitete an militärischen Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Dabei ging es auch um eine mögliche Truppenstationierung, um einen Friedensschluss mit Russland abzusichern. Zur konkreten Ausgestaltung und Stärke einer solchen Truppe machten die Verteidigungsminister aus Frankreich, Deutschland, Italien, Polen und Großbritannien aber noch keine Angaben.
Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu sagte, als erste Sicherheitsgarantie müsse die ukrainische Armee gestärkt werden. Es gehe nicht um die Absicherung einer Waffenstillstandslinie durch die Europäer. In Moskau vermutete der Politikexperte Wladimir Frolow, Putin werde es zur Vorbedingung einer Feuerpause machen, dass keine europäischen Truppen in die Ukraine entsandt werden.