Die Weltwirtschaft kann laut Studie sogar Donald Trump verkraften

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Der globale Warenverkehr wird in den nächsten fünf Jahren stärker zunehmen als in den vergangenen Jahren. Bis 2029 werde der Welthandel jährlich um durchschnittlich rund drei Prozent pro Jahr wachsen, prognostizieren die Ökonomen der New York University Stern School of Business (NYU Stern) im neuen DHL Trade Atlas. Mit dieser Rate rechnen sie trotz möglicherweise schwerwiegender Folgen durch die Zollpolitik des US-Präsidenten. Die Ökonomen nennen gleich mehrere Argumente, warum „die Globalisierung Trump 2.0 überstehen kann“.

Trotz des Tauziehens um Zollschranken in den vergangenen Wochen erwarten sie, dass der Welthandel weiter wächst und wächst. Ein Indikator dafür: 5000 Kilometer legten zuletzt global gehandelte Waren mittlerweile im Durchschnitt zurück, so weit wie noch nie.

Rückschläge wie Covid-Pandemie und Ukrainekrieg hätten keine dauerhaften ökonomischen Folgen für die Warenströme gehabt, sind sich die Autoren des Trade Atlas sicher. Noch würden sich 60 Prozent der Staaten dem Handel öffnen, die Zollbelastung sei global bislang gesunken. Zudem würde auch der globale Fluss an Kapital, Personen und Informationen weiter anschwellen.

„Auch wenn die Bedrohungen für das globale Handelssystem ernst genommen werden müssen, hat sich der Welthandel aufgrund der großen Vorteile, die er für die Volkswirtschaften und Gesellschaften bietet, als sehr widerstandsfähig erwiesen“, sagt Steven Altman, Wirtschaftsprofessor an der NYU Stern Business School, der die Studie wissenschaftlich verantwortet. Wenn die USA Zollschranken aufstellten, würden andere Länder umso mehr auf globalen Handel setzen. Die Mehrheit der Staaten sei nun mal eher klein und könne nicht wie die USA allein auf die Stärke des eigenen Binnenmarktes vertrauen.

Er mache sich wegen der Zölle keine Sorgen um den Welthandel, sagt John Pearson, CEO der DHL-Sparte Express anlässlich der Vorstellung des Trade Atlas: „Handelspolitik ist meist viel volatiler als der Handel selbst.“

Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) hat im vergangenen Dezember prognostiziert, dass die Weltwirtschaft 2025 und 2026 um 3,1 Prozent zulegen dürfte. Das sei jedoch von der Handelspolitik der neuen US-Regierung und der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas abhängig, hieß es damals. Die Analysten von Allianz Trade errechneten im November nach der Präsidentschaftswahl Donald Trumps, dass höhere amerikanische Zölle die Weltwirtschaft bis 2026 zwischen 0,6 und 2,4 Prozentpunkte Wachstum kosten könnten, je nach Höhe und Umfang der Handelsschranken.

Eine Stütze für die Resilienz dürfte unter anderem der grenzüberschreitende Internethandel sein, dem die Forscher im DHL Trade Atlas auch in Zukunft Wachstumsraten von jährlich 15 bis 25 Prozent zutrauen. Davon profitierten zuletzt chinesische Anbieter wie Shein, Temu und Ali Express, deren geringwertige Waren etwa in den USA oder auch in Großbritannien bisher zollbefreit sind. Trump hatte diese sogenannte De-minimis-Regelung für Waren unter 800 Dollar zwar im Februar abgeschafft, sie aber nach wenigen Tagen wieder etabliert, da Lieferdienste mit der Zollabwicklung überfordert waren.

Andere Regionen springen in die Bresche

Die dynamischsten Wachstumsmotoren des Welthandels werden laut der Berechnungen vier asiatische Länder sein: Indien, Vietnam, Indonesien und die Philippinen. Diese vier dürften sowohl prozentual als auch absolut mit am stärksten wachsen. Indien könnte demnach bis 2029 seinen Handelsumsatz um sieben Prozent beziehungsweise um 484 Milliarden Dollar steigern, Vietnam um sechs Prozent (272 Milliarden). Indien würde damit zur drittgrößten Handelsnation aufsteigen und Deutschland überholen. Die Autoren begründen diese Prognose unter anderem mit einem starken Anstieg ausländischer Investitionen in die indischen Industrie. Vietnam profitiere davon, dass das Land als günstige Alternative zu China in der Region gelte.

Würde allein auf die größte Wachstumsrate geschaut, dann würden etwa mit Simbabwe, Sudan, Guyana und Georgien Länder mit zweistelligen Raten an der Spitze stehen. Der Wert ihrer Ausfuhren und Einfuhren ist aber im globalen Maßstab winzig. Bei absoluten Wertzuwächsen im Handel stehen China und die USA weiterhin an der Spitze, ihnen wird aber mit je drei Prozent nur ein geringes prozentuales Wachstum zugetraut.

Dass die neuen Handelsantreiber alle in Süd- und Südostasien liegen, ist ein weiteres Indiz, wie sehr die Region an ökonomischer Bedeutung gewinnt. In den vergangenen fünf Jahren gehörten zu den Wachstumstreibern mit Irland und den Vereinigten Arabischen Emiraten neben Vietnam Vertreter aus drei verschiedenen Weltregionen. Und es zeige, dass der Welthandel sich auf immer mehr Schultern verteile: Entfiel auf China und die USA in den vergangenen fünf Jahren noch ein Drittel des globalen Handelswachstums, dürften sie in den nächsten fünf Jahren nur noch etwas mehr als ein Fünftel dazu beitragen.

Die USA dominieren den Welthandel nicht

Die Vereinigten Staaten sind, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), zweifellos die größte Volkswirtschaft der Welt. Damit sind sie aber nicht auch die größte Welthandelsregion. Ihr Anteil an den weltweiten Importen liegt bei 13 Prozent, bei den Exporten bei neun Prozent. Das sei zwar substanziell, aber „nicht ausreichend, um einseitig die Zukunft des Welthandels zu bestimmen“, schreiben die Autoren des Trade Atlas.

Tatsächlich habe die relative Bedeutung der Vereinigten Staaten seit 2000 im Welthandel von 15 auf zehn Prozent abgenommen – weil andere Regionen aufgeholt oder überholt haben. Insbesondere China hat seit der Jahrtausendwende seinen Anteil am Welthandel verdreifacht und konnte noch vor der Corona-Pandemie die USA überholen. Aber auch andere asiatische Staaten haben ihren Anteil vergrößert. Größte Handelsregion bleibt aber vorerst Europa, das mehr als ein Drittel zum Welthandel beiträgt. Diese Positionen dürften sich laut der Studie kaum verändern.

Optimismus für die Exportnation Deutschland

Die stabile europäische Dominanz liegt auch an Deutschland. Zwar stagniert die Wirtschaft der Bundesrepublik derzeit, nicht zuletzt eine Folge der russischen Invasion in die Ukraine. Mit zwei Prozent bis 2029 trauen die New Yorker Ökonomen den Deutschen auch weiterhin nur ein mäßiges Wachstum im Außenhandel zu. Mit einem Handelsplus von 375 Milliarden Dollar in fünf Jahren bliebe Deutschland aber weiterhin in der Spitzengruppe der bedeutendsten Handelsnationen, hinter China, USA und Indien.

Es wäre „höchst außergewöhnlich“ wenn Deutschland nach Jahren der Stagnation nicht wieder Wachstum im globalen Handel erleben würde, sagt der Ökonom Altman. Deutschland werde schon aufgrund seiner schieren Wirtschaftsgröße weiterhin zu den Topnationen im Welthandel gehören.

Die Wissenschaftler erklären das unter anderem damit, dass die deutsche Wirtschaft stärker als viele andere auf den Export ausgerichtet ist. Laut Daten der Asiatischen Entwicklungsbank (Asian Development Bank, ADB) erwirtschaftet die Bundesrepublik mehr als ein Drittel über den Export, bei den USA sind es weniger als zehn Prozent, und auch in China ist es nur rund ein Sechstel. Auf einen höheren Anteil als die Deutschen kommt unter den relevanten Handelstreibenden nur die Hafennation Niederlande. Das heißt aber auch: China und die USA sind aufgrund der schieren Größe ihre Binnenmärkte weniger vom globalen Warenaustausch abhängig.

Für den Trade Atlas haben die Ökonomen vier Prognosen des Weltwährungsfonds, S&P Global Market Intelligence, Oxford Economics und Economist Intelligence Unit aggregiert und ausgewertet. Für die Berechnung möglicher Folgen amerikanischer Zölle haben sie die diesbezüglichen Ankündigungen Donald Trumps im Wahlkampf sowie als Präsident bis Februar 2025 berücksichtigt und auch mögliche Gegenzölle der Handelspartner einkalkuliert.