Wieso Verbände mehr Geld für den Weltraum fordern

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Stand: 14.03.2025 05:00 Uhr

Europa will in der Raumfahrt unabhängiger werden – nicht erst seit dem Amtsantritt von US-Präsident Trump. Verbände fordern die neue Bundesregierung auf, bei Infrastruktur und Sicherheit auch den Weltraum mitzudenken.

Von Ute Spangenberger, SWR

“CSO-3” heißt ein französischer Spionagesatellit, der gerade von der europäischen Ariane-6-Rakete ins All gebracht wurde. Bis vor kurzem wäre das kaum eine Meldung wert gewesen. Doch jetzt hat die Diskussion um einen souveränen europäischen Zugang zum Weltraum zugenommen.

Europäische Launcherkrise

Der Satellit ist mit dem zweiten Flug der Schwerlastrakete Ariane 6 vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana abgehoben. Nachdem die Vorgängerrakete Ariane 5 im Sommer 2023 zum letzten Mal gestartet war, hatte Europa temporär seinen Zugang zum All verloren, da die Ariane 6 wegen zahlreicher Verzögerungen nicht launchen, also starten konnte.

Der erfolgreiche Start sei ein gutes Zeichen, aber Europa stecke immer noch in einer Launcherkrise, sagt Antje Nötzold, Sicherheitsexpertin an der TU Chemnitz, und verweist auf das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX von Elon Musk. “SpaceX hat mit seiner schieren Masse an Starts immer noch einen klaren Wettbewerbsvorteil. Und es gibt noch keine Perspektive, was nach der Ariane 6, die eine nicht wiederverwendbare Rakete ist, kommt.”

“Deutschland ist eigentlich Technologieführer”

Zumindest beim Launchen von kleineren Satelliten könnte Europa demnächst unabhängiger von SpaceX werden. Allein in Deutschland planen mehrere junge Raketenbauunternehmen mit sogenannten “Microlaunchern”, also kleineren Raketen, ihre Erststarts.

Eines davon ist das Startup HyImpulse aus Baden-Württemberg. Im vergangenen Jahr war eine HyImpulse-Rakete vom australischen Testgelände Koonibba erfolgreich zu einem suborbitalen Flug gestartet. Die Grenze zum Weltall bei 100 Kilometern soll bei zukünftigen Flügen überschritten werden. Dann will das Unternehmen von dem Saxavord Spaceport auf den schottischen Shetland-Inseln starten.

“Wir in Deutschland sind eigentlich Technologieführer. Wir haben drei Unternehmen, die wirklich an der Spitze in Europa stehen”, sagt Christian Schmierer, Geschäftsführer und Mitgründer von HyImpulse. “Die anderen Nationen investieren aber mehr und können dann diesen Vorsprung, den wir als deutsche Unternehmen haben, wieder einholen.” Er hofft, dass Deutschland nach dem Regierungswechsel mehr in Raumfahrt investiert: “Wir sehen ja zum Beispiel auch in den USA, wie schnell die neue Regierung da Milliardenbeträge für Schlüsseltechnologien bereitstellt.”

Wirtschaft fordert mehr staatliches Engagement

Matthias Wachter ist beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) für den Bereich Weltraum zuständig. Er fordert von der Bundesregierung eine Wende in der Raumfahrtpolitik. Statt wie in den vergangenen Jahren Budgets zu kürzen, solle der Staat mehr in Raumfahrt investieren und verstärkt als “Ankerkunde”, also als Hauptkunde, auftreten, um Innovationen in der Breite zu treiben: “Was wir brauchen, sind keine Förderprogramme, sondern Aufträge für Unternehmen, die Satelliten und Raketen herstellen oder Anwendungen anbieten. Eine Privatperson kauft keine Spionagesatelliten, das macht nur der Staat”, erklärt Wachter.

Staatliche Institutionen blieben in der Raumfahrt damit absehbar wichtige Kunden und Nutzer. “Angesichts der sicherheitspolitischen Spannungen in Europa sollte die Bundesregierung verstärkt Weltraumfähigkeiten für die Landes- und Bündnisverteidigung einkaufen.” Weltraumsysteme seien immer “dual use”-Technik seien, betont Wachter, weil sie sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können.

Abhängigkeit von den USA

Wie wichtig eigene Fähigkeiten im Weltraum sind, zeigt sich gerade in der Ukraine: Das Land ist abhängig von Elon Musks Starlink-Konstellation und nutzte US-amerikanische Aufklärungsfähigkeiten, die sich auf Satelliten stützen. Vergangene Woche hatte der Technologiekonzern Maxar aus den USA der Ukraine den Zugriff auf seine Satellitenbilder verwehrt. Die US-Regierung habe beschlossen, die ukrainischen Zugänge zu dem Satellitenbildservice Global Enhanced Geoint Delivery vorübergehend zu sperren, teilte das US-Unternehmen der Nachrichtenagentur dpa mit.

Klar ist: Je mehr eigene Fähigkeiten Deutschland und Europa im Weltraum haben, desto unabhängiger sind sie – auch von den USA. Der Aufbau der EU-Alternative IRIS2 zu dem SpaceX-System Starlink ist ein wichtiger Schritt zu mehr Unabhängigkeit. Allerdings wird die Satellitenkonstellation wohl nicht vor 2030 an den Start gehen.

Neue Bundesregierung soll aktiv werden

Die deutsche Raumfahrtindustrie stehe bereit, um den massiven Investitionsbedarf in die Weltrauminfrastruktur gemeinsam mit der Bundesregierung anzugehen, sagt Marco Fuchs, Vizepräsident des Bundesverbandes der Luft- und Raumfahrtindustrie. “Gerade im Bereich der militärisch relevanten Anwendungen hängt Europa hinterher, und Deutschland als führende Raumfahrtnation muss hier schnell Akzente setzen und den Weg vorgeben.”

Raumfahrtexpertin Nötzold hofft, dass die von der Bundesregierung schon für vergangenes Jahr angekündigte Weltraumsicherheitsstrategie endlich beschlossen wird. Diese soll fertig geschrieben und zwischen Bundesverteidigungsministerium und Auswärtigem Amt abgestimmt sein, sagt sie. “Nur ist sie nicht mehr ins Kabinett der Ampel-Regierung gekommen. Dort ist die notwendige Weltraumsicherheitsarchitektur definiert, die die Bundeswehr braucht, um Sicherheit im Weltraum zu gewährleisten.”

Auch Bundeswehr-Satelliten im All

Die Bundeswehr verfügt über mehrere Satelliten im All. Auf Anfrage von tagesschau.de teilt ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums mit:

“Die Bundeswehr verfügt derzeit über acht Satelliten im All, davon fünf Mal SAR-Lupe, ein SARah, zwei SATComBw. Mit den beiden weiteren SARah-Satelliten der Firma OHB wären es zehn Stück, diese hat die Bundeswehr aber nicht übernommen. Aufgrund von technischen Einschränkungen konnte die operationelle Inbetriebnahme der beiden Satelliten der Firma OHB bislang noch nicht erfolgen.”

Ob Aufklärung, abhörsichere Kommunikation oder Einsatzführung – Satelliten haben an Bedeutung gewonnen und müssen geschützt werden, wie Nötzold sagt. Als Staat könne man sich nicht nur auf die Weitergabe von Satellitendaten von NATO-Partnerländern verlassen. Erst am Wochenende hat sich Elon Musk auf seiner Plattform X für einen Austritt der USA aus der NATO ausgesprochen.

Bedrohung im Weltraum ist real

“Deutschland muss als Staat definieren, wie eine glaubwürdige Abschreckung gegenüber einer Bedrohung unserer Satelliten aussehen kann. Über welche Mittel der Abschreckung verfügen wir, welche brauchen wir?”, sagt Sicherheitsexpertin Nötzold.

Die Militarisierung des Weltraums findet längst statt. Das Bundesverteidigungsministerium hat bereits 2023 gesagt: “Mehrere Staaten haben bereits bewiesen, dass sie Satelliten von der Erde aus bekämpfen, sich im Weltraum an fremde Satelliten annähern und die Funktion von Sensoren und Kommunikationseinrichtungen der Satelliten auch am Boden und vom Boden aus stören können.”

In der politischen Debatte um mehr Geld für Infrastruktur und Militär muss also auch das Thema Weltraumtechnologie mitgedacht werden.