Frank-Walter Steinmeier mahnt zur Aufarbeitung

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den neuen Bundestag dazu aufgefordert, die Aufarbeitung der Corona-Pandemie sicherzustellen. „Ich halte es für unabdingbar, dass Transparenz hergestellt wird, damit wir möglichst viele Menschen zurückgewinnen, die in der Pandemie an Demokratie und den Institutionen gezweifelt haben“, sagte Steinmeier in einer Rede im Schloss Bellevue am Freitagvormittag.

Anschließend sprach der Bundespräsident dort mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Bereiche über ihre jeweiligen Erfahrungen aus der Zeit der Pandemie. Bereits im Januar hatte Steinmeier angekündigt, dass er selbst die Aufarbeitung in die Hand nehmen werde, wenn es auf parlamentarischer Ebene keine Einigung auf ein Verfahren geben werde.

Steinmeier: Es ist gelungen, viele Leben zu retten

„Ich halte es für sehr wichtig, dass wir aufarbeiten“, sagte er am Freitag. „Dass wir aufarbeiten, was gut gelaufen ist in der Zeit der Pandemie, was weniger gut, was möglicherweise zu Schäden geführt hat.“ Es sollte nicht vergessen werden, dass viele Maßnahmen des damaligen Stands der Erkenntnisse getroffen wurden. Er erinnerte daran, dass Kontaktbeschränkungen ein seit Jahrhunderten etabliertes Instrument zur Bekämpfung von Viren seien.

„Es gibt immer nur um eins: möglichst viele Menschenleben zu retten. Und das ist uns auch alles in allem gelungen.“ Trotzdem stelle sich die Frage, welche Maßnahmen sinnvoll waren. „Waren flächendeckende Schulschließungen etwa nötig?“, fragte er. „Welche Rolle hatte die wissenschaftliche Beratung, und welche Rolle soll sie bei zukünftigen Epidemien und Pandemien eigentlich spielen?“

Er sei überzeugt, dass die Aufarbeitung eine große Chance für die Demokratie sei, und vertraue darauf, dass ein neuer Bundestag und eine neue Bundesregierung diese Chance auch sehen werden. „Nach den jüngsten Wahlergebnissen ist die Aufgabe vielleicht noch dringender geworden“, so Steinmeier weiter. „Das, was wir nicht offen ansprechen, nähert Misstrauen und Verschwörungstheorien – und beides ist Gift für die Demokratie.“ Es sollte allerdings nicht darum gehen, „Schuldenböcke zu finden“. Es gehe nicht um Rache und Vergeltung, wovon „manche politischen Kräfte offenbar getrieben sind“.

Im elfseitigen Sondierungspapier von Union und SPD taucht die Corona-Pandemie ebenso wenig wie die Aufarbeitung auf, auch in den Wahlprogrammen der Parteien spielt das Thema kaum eine Rolle. Zuletzt haben beide Seiten allerdings zu erkennen gegeben, dass die Einigung auf eine Form der Aufarbeitung in den Verhandlungen gut möglich sei.