Vučić setzt auf Trump und Putin

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Die seit November 2024 andauernden Proteste gegen das Herrschaftssystem von Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vučić verebben auch im fünften Monat nicht. Im Gegenteil: Für Samstag ist die bisher größte Demonstration einer Protestwelle angekündigt, die an den Hochschulen des Landes ihren Ausgang nahm, aber längst über das akademische Milieu hinausreicht. Bis zu 100.000 Menschen werden in Belgrad erwartet.

Die Proteste hatten nach dem Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad am 1. November vergangenen Jahres begonnen. In Serbiens zweitgrößter Stadt waren 15 Menschen ums Leben gekommen, weitere zum Teil schwer verletzt worden. Es gibt ernsthafte Hinweise darauf, dass der Einsturz eine Folge von Baupfusch war, der wiederum durch Korruption bei der Auftragsvergabe und Zeitdruck aufgrund von politischer Einflussnahme begünstigt wurde.

Wut über das System Vučić

Das Unglück war weniger Ursache denn Auslöser der Protestwelle, da eine wachsende Zahl von Staatsbürgern unter dem Eindruck steht, Vučić und seine regierende „Serbische Fortschrittspartei“ behandelten Serbien als eine Art Latifundium, aus dem sie noch das Letzte herauspressen können, während Gewaltenteilung, rechtsstaatliche Kontrollmechanismen und Institutionen wie die Bauaufsicht oder Kartellbehörden nur auf dem Papier existieren.

Demonstrationen gegen solche Zustände hatte es in den vergangenen Jahren mehrfach gegeben. Die derzeitige Protestwelle ist aber größer, zäher und ernsthafter als alle vorigen. Vor dem bisherigen Höhepunkt der Proteste am Samstag herrscht nun die Befürchtung, der verunsichert wirkende Präsident könnte versucht sein, seinen Polizeiapparat zu einer gewaltsamen Niederschlagung der Kundgebungen einzusetzen. Zumindest werden solche Befürchtungen gestreut oder sogar offen geschürt – nicht zuletzt von Vučić selbst. Dies geschieht wohl auch in der Hoffnung, möglichst viele Bürger in der Provinz davon abzuhalten, am Samstag in die Hauptstadt zu reisen.

Vučić am Katzentisch im Weißen Haus während Trumps erster Amtszeit 2020
Vučić am Katzentisch im Weißen Haus während Trumps erster Amtszeit 2020AP

Seit Tagen verkündet Vučić, „die Opposition“ werde versuchen, „massive Gewalt“ und einen Umsturz zu organisieren, samt Sturm auf das Parlament, den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender und das Verfassungsgericht. Doch er werde nicht nachgeben, solange er lebe. „Sie werden mich töten müssen“, sagte der mitunter zu rhetorischer Melodramatik neigende Präsident mit Blick auf etwaige Forderungen nach Einsetzung einer Übergangsregierung. Kein anständiger Serbe werde an dem Protest am Samstag teilnehmen, fügte er an. Bei anderer Gelegenheit drohte er, man werde die Demonstranten „fünf oder sechs Minuten“ gewähren lassen, „und dann werden wir zeigen, dass der Staat der Staat ist“.

Ob das die offene Ankündigung von Polizeigewalt war, wird sich zeigen. Zu den beunruhigenden Vorboten möglicher Repressalien gehört jedenfalls die Tatsache, dass in Belgrad in den vergangenen Tagen Veteranen einer offiziell seit Jahren aufgelösten kriminellen Sondereinheit aufgetaucht sind, ebenso uniformiert wie ungeniert. Die einst als „Rote Barette“ gefürchtete Einheit war unter anderem an der Ermordung des damaligen serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjić im März 2003 beteiligt und beging weitere Auftragsmorde.

Vučić steht indes nicht allein oder isoliert da. Ein Teil der Bevölkerung, insbesondere ältere Menschen und Landbewohner, sieht in ihm die beste Gewähr für Serbiens Stabilität, Sicherheit und wirtschaftlichen Erfolg. Diesem Publikum demonstriert Vučić gern, wie gut er vernetzt ist in der chaotischen Welt.

Vučićs Nähe zum Kreml

Nach einem Telefonat mit Wladimir Putin am 7. März teilte er mit, er habe „ein gutes, substanzielles und, wie manche sagen würden, ausgezeichnetes Gespräch“ mit seinem russischen Gegenpart geführt. Gesprochen wurde demnach auch über ein neues Gaslieferabkommen sowie über eine Strategie zum Umgang mit amerikanischen Sanktionen gegen Serbiens Ölindustrie, die sich in russischem Eigentum befindet.

Zudem habe er Putin eine Botschaft des bosnischen Serbenpräsidenten Milorad Dodik überbracht. Gegen Dodik, der sich voll auf Putins Linie befindet, liegt in Bosnien seit Kurzem ein Haftbefehl vor. Putin beobachte genau, was in Serbien und der Region geschehe, so Vučić. Er unterstütze die legitime serbische Regierung gegen etwaige Umsturzversuche oder „bunte Revolutionen“.

Graffiti in Belgrad
Graffiti in BelgradAP

Auch durchschaue Putin, dass der Hohe Repräsentant der Staatengemeinschaft in Bosnien, der deutsche Politiker Christian Schmidt (CSU), mit aller Macht versuche, Dodik zu stürzen. Zugleich bedankte sich Vučić bei Putin für die Einladung zur Siegesparade am 9. Mai in Moskau, wo er Serbien mit Stolz auf dem Roten Platz repräsentieren werde. Derlei kommt gut an bei einem Teil der serbischen Bevölkerung.

Zugleich setzt Vučić auf gute Beziehungen zu Donald Trump. Am 11. März empfing er dessen Sohn Donald jr. in Belgrad zu einem „freundlichen Gespräch“ über die bilateralen Beziehungen sowie „gemeinsame Projekte in den kommenden Jahren“.

Dabei ist vor allem ein Immobilienprojekt von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner zu nennen, dessen Investmentfonds Affinity Global Development nach eigener Darstellung „ein monumentales Vorhaben“ in Belgrad plant: Drei Hochhäuser zu je 30 Etagen mit 250.000 Quadratmeter Nutzfläche für Wohnungen, Einzelhandel und Gastronomie sollen entstehen, ebenso das Trump International Hotel.

Dazu will Kushner das 1999 von der NATO zerbombte einstige Generalstabshauptquartier der jugoslawischen Armee übernehmen. Es ist das einzige im damaligen Kosovokrieg zerstörte große Gebäude in Belgrad, das noch heute eine Ruine ist, gelegen direkt gegenüber von Serbiens Außenministerium und dem Regierungsgebäude. Kurze Wege zur Macht wären also gesichert, hüben wie drüben.