Das Strafverfahren wegen versuchten Betrugs in mehr als 9000 Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung gegen den Gründer der sogenannten Querdenker-Bewegung, Michael Ballweg, wird nun doch nicht wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Staatsanwaltschaft folgte einem am 12. März gemachten und jetzt in der Hauptverhandlung vorgetragenen Vorschlag der Wirtschaftsstrafkammer des Stuttgarter Landgerichts nicht. „Die Staatsanwaltschaft stimmt dem Vorschlag nicht zu“, sagte die Staatsanwältin am Montag in der Hauptverhandlung.
Nach der Beratung über den Vorschlag in der Behörde sei man zur Auffassung gelangt, dass eine Verurteilung des Angeklagten weiterhin wahrscheinlich sei. Die Staatsanwaltschaft will dem Vernehmen nach bis zum Nachmittag einen Antrag zu Feststellung der Befangenheit des Gerichts stellen.
Zuvor hatte die Vorsitzende Richterin ausführlich dargelegt, weshalb das Gericht zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verurteilung des früheren IT-Unternehmers Ballweg unwahrscheinlich sei. Insgesamt soll Ballweg für die Organisation der Querdenker-Aktionen, die sich gegen die Pandemiepolitik der damaligen Bundesregierung gerichtet hatten, etwa 1,2 Millionen Euro an Spenden eingenommen haben.
Was ist mit dem Geld auf Ballwegs Konto passiert?
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sollen hiervon etwa 500.000 Euro für private Zwecke verwandt worden sein. Die Richterin sagte, es könne aber nicht bewiesen werden, wie diese Gelder privat verwendet worden seien. Etwa 270.000 Euro hiervon seien zwar Ballwegs Privatvermögen zugewiesen worden, was genau mit dem Geld geschehen sei, lasse sich aber nicht aufklären. Es sei nicht klar, wie es zweckwidrig verwendet worden sei.
Für eine Verurteilung, sagte die Richterin, reiche es nicht aus, einfach nur festzustellen, dass offen sei, was mit dem Geld geschehen sei. Ein Betrag in Höhe von etwa 44.000 Euro sei zum Beispiel auf Krypto-Konten überwiesen worden. Bis heute wisse man nicht, ob das Geld später weitergeleitet worden sei oder nicht.
Bezüglich des Vorwurfs der versuchten Steuerhinterziehung müsse man feststellen, dass Schenkungen an eine Protestorganisation nicht mit Einkünften an ein Gewerbeunternehmen verglichen werden dürften. Und der Tatvorwurf der versuchten Steuerhinterziehung verlange den Nachweis eines Vorsatzes. „Für die Annahme eines Vorsatzes wissen wir zu wenig“, sagte die Richterin. Diesbezüglich sei die „Grenze der Ermittelbarkeit“ nun erreicht. Deshalb schlage die Kammer vor, das Strafverfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen.
Ballweg schweigt vor Gericht
Ballweg hatte in dem Verfahren vom Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht, außerdem hatte er seinen ehemaligen Steuerberater nicht von der Schweigepflicht entbunden. Hierdurch konnten einige Sachverhalte in den bislang 27 Verhandlungstagen nicht aufgeklärt werden. So lagen dem Steuerberater offenbar Einkommensteuererklärungen vor, die nun aber nicht zur Beweisaufnahme herangezogen wurden.
Der Anwalt Ballwegs sagte, mit dem Einstellungsvorschlag habe das Gericht der Staatsanwaltschaft „den Boden unter den Füßen weggerissen“. Das Landgericht habe deutlich gesagt, dass die erhobenen Vorwürfe nicht bewiesen werden könnten. Sein Mandant habe sich sogar in „Isolationshaft“ befunden, weil er die Impfung gegen das Coronavirus verweigert habe. Ein zweiter Anwalt sagte, eine Einstellung wegen Geringfügigkeit sei zu begrüßen, denn es handele sich um sehr geringe Steuersummen, die hinterzogen worden sein könnten.
Ballweg, der neun Monate in Untersuchungshaft saß, wertete den Vorschlag des Gerichts als „Teilerfolg“. „Es bestätigt sich alles, was meine Anwälte gesagt haben. Eine Organisation darf Geld sammeln und muss es nicht sofort ausgeben.“ Ballweg trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit.“ Für das Verfahren sind weitere 20 Verhandlungstage terminiert. Sollte Ballweg am Ende freigesprochen werden, hat er Anspruch auf Haftentschädigung.