Das Ifo-Institut traut der deutschen Wirtschaft 2025 nur ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent zu. Erst 2026 könnte sich die Lage mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,8 Prozent etwas verbessern, teilten die Münchner Ökonominnen und Ökonomen am Montag mit. „Die deutsche Wirtschaft steckt fest“, sagte Timo Wollmershäuser, Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen. „Trotz einer wieder anziehenden Kaufkraft bleibt die Konsumlaune verhalten, und auch die Unternehmen investieren zurückhaltend.“ Vor allem die Industrie leide unter schwacher Nachfrage und mehr internationalem Wettbewerbsdruck. Zugleich sorgten politische Unsicherheiten, in Deutschland und den USA, für große Risiken.
Das Ifo-Institut hatte im Dezember noch 0,4 Prozent Wachstum für 2025 erwartet und für nächstes Jahr mit einem BIP-Anstieg – je nach Schwäche der Industrie und Impulsen der Wirtschaftspolitik – zwischen 0,8 und 1,6 Prozent gerechnet. Andere führende deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute sind für 2025 noch skeptischer als das Ifo, aber optimistischer für 2026.
Mexiko ist Schlusslicht hinter Deutschland
Die Industriestaaten-Organisation OECD halbierte ihre bereinigte Wachstumsschätzung für die deutsche Wirtschaft für 2025 fast von 0,7 auf 0,4 Prozent. In der Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schneidet nur Mexiko in der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer schlechter ab. Für 2026 senkte die OECD ihre Deutschland-Prognose von 1,2 auf 1,1 Prozent.
Allerdings ist in den neuen Prognosen das von Union und SPD mit den Grünen verabredete riesige Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur noch nicht berücksichtigt. „Wenn das Finanzpaket beschlossen würde, würde es sich sicherlich signifikant auf das Wachstum 2026 auswirken”, sagten die beiden OECD-Experten Isabell Koske und Robert Grundke der Nachrichtenagentur Reuters. Öffentliche Investitionen würden dadurch steigen, private Investitionen stimuliert. „2025 würden die Effekte aber geringer ausfallen, da die Implementierung von Investitionsprojekten einige Zeit in Anspruch nimmt”, hieß es. Allerdings dürfte die Unsicherheit sinken und das Vertrauen von Investoren und Haushalten zunehmen. Beides könne sich auch schon im laufenden Jahr auf Konsum und private Investitionen auswirken.
Erratischer Trump, Vorgehen in der Ukraine und Finanzpaket belasten
Das Ifo verwies auf neue Probleme für die Wirtschaft durch die Zoll-Politik von US-Präsident Donald Trump. Die neue US-Regierung hat eine erratische und protektionistische Wirtschaftspolitik eingeschlagen, erklärten die Ifo-Fachleute und Regierungsberater. Bereits angekündigte Importzölle auf Waren aus Mexiko, Kanada und China sowie entsprechende Gegenzölle hätten erste negative Auswirkungen auf die US-Konjunktur und die Weltwirtschaft. Sollte es zusätzlich zu Zollerhöhungen auf europäische Produkte kommen, könnte dies die deutsche Exportwirtschaft empfindlich treffen.
Die wirtschaftliche Schwäche setzt sich auch nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums derzeit fort. „Die wirtschaftliche Lage ist zu Jahresbeginn 2025 weiter geprägt von hohen innen- und außenpolitischen Ungewissheiten“, heißt es im Monatsbericht des Ministeriums. Dies gelte außenpolitisch vor allem mit Blick auf die „sprunghafte US-Handelspolitik“ sowie die Perspektiven des Ukraine-Krieges – innenpolitisch hinsichtlich der Ausgestaltung und Umsetzung der finanzpolitischen Pläne von Union und SPD.
Auch innenpolitisch bestehen laut Ifo Unsicherheiten. „Zwar sind Maßnahmen zur Stärkung der Infrastruktur und Verteidigung im Gespräch, doch ob und wann sie umgesetzt werden, ist offen“, hieß es mit Blick auf die Finanzpläne der voraussichtlichen künftigen Koalition von Union und SPD. Nach Ansicht von Ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser sollte diese Phase der Unsicherheit schnell überwunden werden: „Eine verlässliche Wirtschaftspolitik ist essenziell, um Vertrauen zu schaffen und Investitionen anzukurbeln.“
Deutschlands Industrie zieht es jedoch zunehmend aus Kostengründen ins Ausland, wie aus einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zu den Auslandsinvestitionen hervorgeht. Demnach setzen hohe Energie- und Arbeitskosten, geopolitische Unsicherheiten und eine schwache Konjunktur Firmen unter Druck und schmälern die Attraktivität des Standorts Deutschland. Von den rund 1700 befragten auslandsaktiven Industriebetrieben planten 40 Prozent Investitionen im Ausland – ein leichter Rückgang zum Vorjahr (42 Prozent). Dabei gehe es nicht mehr vorrangig darum, neue Märkte zu erschließen, sondern vor allem darum, Kosten zu senken.
„Deutschland droht den Anschluss zu verlieren“, warnte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Wenn Unternehmen zunehmend ins Ausland abwandern, weil hohe Energiekosten, lähmende Bürokratie und eine steigende Steuerlast ihnen hierzulande die Luft abschnüren, ist das ein gefährliches Signal.“ Tatsächlich erreichte das Motiv Kostensenkung für die Investition im Ausland laut DIHK mit 35 Prozent den höchsten Wert seit der Finanzkrise 2008. „Wir stehen an einem Wendepunkt: Deutschland verliert als Investitionsstandort rapide an Boden“, betonte Treier.
Die Wirtschaft ist 2023 und 2024 geschrumpft. Sollte 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge werden, wäre es die längste konjunkturelle Durststrecke seit Gründung der Bundesrepublik.