„Stimmen fangen“, sagte man zu sowjetischer Zeit, wenn man Radio Swoboda hören wollte. Denn die Machthaber versuchten, die Radioprogramme des Feindes im Kalten Krieg zu stören. Doch fanden Hörer Wege, sie doch zu empfangen. Was dem KGB in all den Jahren nicht gelungen war, seit Radio Liberty 1953 den Sendebetrieb aufnahm, damals noch aus München, und später auch nicht dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und anderen Diktatoren und autoritären Regimen in der Welt, droht den Programmen von Voice of America (VOA) und Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) nun durch die vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump angeordneten Kürzungen.
Das faktische Ende der amerikanischen Auslandssender kam am Freitag in Form eines Erlasses „für die weitere Reduzierung der Bundesbürokratie“. Mit dem Abbau der „Behörde für globale Medien“ wurden etwa 1300 Journalisten beurlaubt; wer am Wochenende zur Arbeit kommen wollte, wurde nicht ins Gebäude gelassen. Trump ließ keinen Zweifel an seinen Beweggründen für diesen Schritt. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte der Republikaner dem Netzwerk vorgeworfen, es spreche für Amerikas Gegner. Im Zuge des Erlasses schrieb er, künftig müssten amerikanische Steuerzahler „nicht länger für radikale Propaganda aufkommen“.
Unverzichtbare Informationsquellen
Eigentlich hatte Trump die frühere Fox-News-Moderatorin Kari Lake als künftige Chefin der Behörde vorgesehen. Sie wollte die Sender zu „Waffen“ im „Informationskrieg“ machen. Doch am Wochenende äußerte Lake, da sei „nichts mehr zu retten“. Innerhalb der Behörde gab es scharfe Kritik an der Entscheidung. Der Chef von Radio Free Europe, Stephen Capus, sprach von einem „großen Geschenk an Amerikas Feinde“. Iran, China, Russland und Belarus würden diese Entscheidung feiern. Doch die Trump-Regierung ist bereit, in Ländern wie diesen ein Nachrichtenvakuum zu hinterlassen. Erst am Freitag bezeichnete Trump auch Sender wie CNN und MSNBC als „illegal“ und sagte, sie müssten „gestoppt“ werden.

In den meisten Staaten, die aus den Trümmern der Sowjetunion hervorgingen, blieben die Programme von RFE/RL wichtige Informationsquellen, zunehmend auch wegen der Websites in den Landessprachen. Die englischsprachige Seite des Senders bietet im Gegenzug Einblicke in die Länder Zentralasiens, die sonst schwer zu bekommen sind. Von ihrer Bedeutung zeugt, dass die Sender von autoritär und autokratisch regierten Staaten bekämpft werden.
In Russland beispielsweise gehörten VOA und RFE/RL zu den ersten Medien, die 2017 zu „ausländischen Agenten“ erklärt wurden. Im Angriffskrieg gegen die Ukraine wurden die Websites beider Medien im Land gesperrt. Radio Swoboda wurde vor gut einem Jahr als „unerwünschte Organisation“ verboten. Die Journalistin Alsu Kurmasheva, die für den tatarisch-baschkirischen Dienst von Radio Swoboda arbeitet, war von Oktober 2023 bis zu einem Gefangenenaustausch am 1. August 2024 in ihrer Heimat inhaftiert. Der belarussische Ableger von RFE/RL wurde schon Ende 2021 als „extremistisch“ verboten. Das war die Rache von Machthaber Alexandr Lukaschenko dafür, dass das Medium und dessen Onlinefernsehprojekt Current Time ausführlich über die Protestwelle 2020 berichtet hatten. Mehrere der Journalisten verschwanden in Lukaschenkos Straflagern. Jetzt können Lukaschenko, der russische Präsident Wladimir Putin und Herrscher wie Ilham Alijew in Aserbaidschan und Emomali Rachmon in Tadschikistan triumphieren: Die Stimme der Freiheit soll schweigen.
Die KP Chinas zitiert Elon Musk
In China war die Freude über die Schließung des auch auf Mandarin, Uigurisch und Tibetisch verbreiteten Radio Free Asia (RFA) so groß, dass die Parteizeitung „Global Times“ der „Lügenfabrik“ einen Leitartikel widmete. „Wie ein dreckiger Lappen weggeworfen“ habe man den Sender, schrieb das Staatsmedium. Genüsslich zitierte es den Trump-Vertrauten Elon Musk, der Voice of America einen Haufen „linksradikaler Verrückter“ genannt hatte. „Mehr Amerikaner beginnen, ihren Informationskokon zu durchbrechen und die reale Welt und das multidimensionale China zu sehen“, schloss die „Global Times“.
Die Amerikaner hatten den asiatischen Ableger RFA nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 gegründet. Über die vergangenen Jahre ist es im zunehmend repressiven China das oft einzige internationale Medium geblieben, das noch kenntnisreich über Verhaftungen, Repressionen und Urteile gegen Angehörige von Minderheiten und Dissidenten berichtete. Andere kamen kaum noch an entsprechende Informationen, ohne selbst Kritiker zu gefährden. Bis 2019 waren Voice-of-America-Reporter noch in die Große Halle des Volkes gelassen worden. Zuletzt aber gab es keine Visa mehr. Auch die Sonderverwaltungszone Hongkong mussten die Journalisten verlassen. „Fast jeder in China kennt die VOA, denn sie ist ein Symbol für die ideologische Unterwanderung Chinas durch die USA“, schrieb der bekannte Propagandist Hu Xijin im Internet. Nun erfasse ihn „große Erleichterung“.
In Südostasien, wo die Zahl der autoritären Systeme in den vergangenen Jahren zugenommen hat, hat Radio Free Asia in vielen Fällen, in denen es zu Menschenrechtsverletzungen, Einschränkungen der Redefreiheit oder Korruption gekommen war, als einziges Medium berichtet. „RFA leistet unter den schwierigsten Bedingungen in dieser Region – insbesondere in Myanmar, Vietnam und Kambodscha – erstaunliche Arbeit. Wir verlassen uns sehr auf sie“, schrieb der seit vielen Jahren aus Bangkok berichtende BBC-Korrespondent Jonathan Head auf der Plattform X. Einige der Journalisten riskieren mit ihrer Arbeit in diesen Ländern ihre Freiheit und sogar ihr Leben. In Vietnam sind mehrere Blogger und Aktivisten, die zu dem Informationsprogramm des Senders beigetragen hatten, zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt worden.
Kommt die Rettung aus Europa?
Auf dem afrikanischen Kontinent, wo sich Zeitungen, Onlinemedien und Radiosender schon aus finanziellen Gründen auf die lokalen Geschehnisse konzentrieren und die Pressefreiheit vielerorts stark eingeschränkt ist, wird das Informationsangebot westlicher internationaler Medien noch weiter eingeschränkt. Voice of America hatte in der Sahelregion ein beliebtes Programm in Hausa, einer in West- und Zentralafrika verbreiteten Sprache. Erfreut über die Abschaltung dürften die autoritären Regime sein. Die Militärregierung in Burkina Faso hatte im vergangenen Jahr VOA und die britische BBC zeitweise abgeschaltet, nachdem beide über eine Untersuchung von Human Rights Watch berichtet hatten.

Das Ende von Voice of America werde in dieser Region russische Desinformation befördern, sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako. Russland habe jüngst Schwierigkeiten gehabt, in Mali und anderen Sahelstaaten mit seinem Narrativ durchzudringen, weil vor Ort wenig von angekündigten Hilfen wie Getreidelieferungen zu sehen war. Jetzt seien die Menschen zunehmend auf die Staatsmedien und russische Informationen angewiesen. Die amerikanische Politik könnte Russland und China doppelt in die Hände spielen: Erst das Aussetzen der Entwicklungshilfe USAID, jetzt das Abschalten des amerikanischen Informationskanals lassen in Afrika Raum für andere interessierte Akteure.
Der tschechische Außenminister Jan Lipavský macht sich für einen Fortbestand auf europäischer Basis stark. Er tat das auch am Montag während der Sitzung der EU-Außenminister, wo Lipavský nach Angaben von Kollegen vorschlug, dass die EU den in Prag ansässigen Sender kauft. „Es liegt im Interesse Europas, dass solche Sendungen fortgesetzt werden“, sagte Lipavský vor seiner Abreise im tschechischen Fernsehen. Sie stellten eine wichtige Unterstützung der demokratischen Kräfte in osteuropäischen und asiatischen Ländern dar. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte nach den Beratungen, die EU wolle eine Finanzierung prüfen. Sie schränkte jedoch ein, dass dies nicht automatisch der Fall sein könne, weil es solche Anfragen auch von vielen anderen Organisationen gebe.
Doch auch in der Tschechischen Republik, wo die Sendungen von RFE auch eine historische Bedeutung haben, ist das Meinungsbild gespalten. Innenminister Vít Rakušan schrieb: „Übernehmen wir als Europa die Verantwortung für das Radio, das jahrelang mit einer freien Stimme zu uns gesprochen hat.“ Der Oppositionspolitiker Radek Vondráček von der in Umfragen führenden Partei ANO des früheren Ministerpräsidenten Andrej Babiš äußerte dagegen: „Wir befinden uns im Jahr 2025, und Informationen verbreiten sich anders in der Welt.“ Auch er verwies auf das Verdikt Elon Musks.