Generative KI war gestern, nun komme die physische KI, sagt Jensen Huang. An Nvidias Entwicklerkonferenz präsentiert der CEO neue Hardware, Software – und jede Menge Optimismus, wieso der KI-Boom anhalten werde.

Jensen Huang im Austausch mit einem Mini-Roboter aus dem Hause Disney an der Entwicklerkonferenz GTC in San Jose.
«Woodstock der KI-Industrie» lautete zuletzt der Spitzname von Nvidias Entwicklerkonferenz, und wer verstehen will warum, musste am Dienstag nach San Jose schauen. 25 000 Zuschauer drängten sich am Vormittag in das riesige Event-Areal SAP Center, um den Mann in Lederjacke auf der Bühne zu erleben. In Zeiten der künstlichen Intelligenz verzauberte aber nicht Jimi Hendrix die Massen, sondern Jensen Huang, der CEO von Nvidia.
Die Jahre, in denen Nvidias Entwicklerkonferenz eine Nischenveranstaltung für Hippies und Gamer war, sind längst vorbei. «Wir sind nicht mehr das Woodstock der KI, sondern der Superbowl», scherzte Huang zum Auftakt.
Tatsächlich spielt Nvidia inzwischen in der obersten Liga: Mit einer Börsenbewertung von rund 3 Billionen Dollar ist die 30 Jahre alte Firma in den Olymp der wertvollsten Firmen der Gegenwart aufgestiegen. Ohne die Hochleistungschips von Nvidia gäbe es kein Chat-GPT, keine KI-Agenten, keine KI-Revolution.
Doch wie lange wird der Nvidia-Boom noch anhalten? Bei den Anlegern kommen allmählich Zweifel auf, ob Nvidia seinen Höhenflug fortsetzen kann – oder ob bald der harte Fall kommen wird. Das spiegelte sich im Deepseek-Schock im Januar: Als bekannt wurde, dass ein unbekanntes chinesisches Startup ein mächtiges Sprachmodell auch ohne die neuesten Nvidia-Chips gebaut hatte, verlor Nvidia an einem Tag 600 Milliarden Dollar an Börsenwert.
Vor diesem Hintergrund hatte Jensen Huang am Dienstag vor allem eine Aufgabe: der Welt zu erklären, wie Nvidia seinen beeindrucken Höhenflug fortsetzen kann.
Huang gründete Nvidia 1993 und ist einer der wenigen Gründer-CEOs im Silicon Valley.
Neue Reasoning-Modelle brauchen auch mehr Rechenleistung
Der 62-Jährige tat das auf seine typische Art: mit einer Jensen-Huang-Show. Ohne Notizen, Teleprompter oder Unterstützung anderer Mitarbeiter präsentierte der CEO über gut zwei Stunden hinweg, in welche Richtung sich der KI-Boom aus seiner Sicht bewegt – und welche Produkte Nvidia dafür parat hat.
Ganz der Verkäufer, war seine Botschaft klar: Die KI-Revolution stehe in Wahrheit erst am Anfang. Aus seiner Sicht wird die Welt bald sogar noch viel, viel mehr Hochleistungschips brauchen. Denn neue KI-Modelle entwickelten sich immer mehr Richtung Reasoning-Modelle: also Denkmodelle, die dem Nutzer nicht nur eine Antwort «ausspucken» wie traditionelle Modelle, sondern ihn an jedem Schritt der Analyse teilhaben lassen. Man kann ihnen praktisch beim Denken zuschauen.
Auf diese Weise liefern sie auch deutlich häufiger korrekte Antworten als traditionelle Modelle. Doch das hat seinen Preis. Die Reasoning-Modelle benötigen deutlich mehr Rechenleistung, will heissen: Es braucht künftig noch viel mehr mächtige Chips von Nvidia.
Nvidias Klassenprimus ist zurzeit Blackwell, ihn stellte Huang vor einem Jahr an der Entwicklerkonferenz vor. Nach anfänglichen Produktionsproblemen werden die Blackwell-Chips nun seit Dezember versendet. Es sind die schnellsten derzeit verfügbaren Chips und dürften für das kommende Jahr die Säule von Nvidias KI-Geschäft bilden.
Doch Huang gewährte den Zuschauern am Dienstag bereits einen Blick in Nvidias Maschinenraum: In der zweiten Jahreshälfte komme eine noch schnellere Version namens Blackwell Ultra auf den Markt. Und für 2026 plane man bereits die nächste Generation an Hochleistungschips, die Vera Rubin heissen wird: benannt nach der amerikanischen Astronomin, die die Dunkle Materie entdeckt hatte.
Ähnlich wie bei Blackwell dürfte auch das Leistungsvermögen von Rubin derart präzedenzlos und schwer vorzustellen sein, dass man Vergleiche mit den Vorgängergenerationen wird heranziehen müssen. Doch Details zu Rubin teilte Huang am Dienstag noch nicht. Stattdessen betonte er immer wieder, wie unfassbar schnell und kompakt die Blackwell-Architektur sei.
Die Ära der Roboter bricht an
Als weiteren grossen Trend sieht Huang das Zeitalter der «physischen KI»: Nach der Ära der generativen KI treffe die KI nun auf die physische Welt und werde den Arbeitsmarkt revolutionieren. «Das Zeitalter der Roboter ist hier», rief Huang. Er ist mit dieser Einschätzung nicht allein: Auch andere Robotik-Experten sehen 2025 als das Jahr, in der die Robotik einen grossen Sprung nach vorne machen dürfte.
Nvidia sieht für sich gleich mehrere Rollen in dieser Roboter-Revolution: Natürlich brauchen die Roboter ebenfalls mächtige KI-Chips, zudem betreibt Nvidia aber auch ein eigenes Metaversum, also eine virtuelle Trainingswelt, die die Roboter mit Simulationen auf die reale Welt vorbereitet. Kunden habe man schon, sagte Huang, und listete Kooperationen mit Toyota, Mercedes-Benz, Schaeffler und diversen anderen Firmen auf.
«Das wird eine sehr grosse Industrie sein, all Ihre Infrastruktur wird aus Robotern bestehen», rief Huang den Zuschauern zu, einen Mini-Roboter von Disney an seiner Seite. Der CEO präsentierte solche Industrieroboter nicht etwa als Bedrohung traditioneller Arbeitsplätze, sondern als Lösung für einen weltweiten Mangel an Fachkräften.
In das Feld der «Physischen KI» fallen für Huang auch selbstfahrende Autos. So will Nvidia künftig mit dem amerikanischen Autobauer General Motors zusammenarbeiten und deren Flotte selbstfahrender Autos bauen. GM hatte seine eigene Robotaxi-Flotte Cruise nach einem Unfall in San Francisco eingestellt, doch zahlreiche Konkurrenten arbeiten erfolgreich an eigenen Robotaxis.
Enorme Abhängigkeit von Big Tech
Offensichtlich war am Dienstag, dass Huang seinen Status als «Celebrity CEO» liebt – immer wieder machte er ein Spässchen hier, einen selbstironischen Kommentar da. Die Zuschauer – Reporter, Analytiker und Firmenvertreter – dankten es ihm mit Applaus und Jubelrufen.
Doch allen Marketingtricks zum Trotz bleibt die grosse Frage, ob Firmen weiterhin Dutzende Milliarden von Dollar in teure KI-Chips von Nvidia stecken werden. Zuletzt hat Huang deswegen auch Regierungen als neue Kundengruppe erschlossen: Rund ein Dutzend Länder von Thailand bis Dänemark wollen nun in eine eigene KI-Infrastruktur mit Nvidia investieren.
Nichtsdestotrotz hat Nvidia ein enormes Klumpenrisiko bei Big Tech: Microsoft, Meta, Amazon und Apple waren 2024 für rund 40 Prozent von Nvidias Umsatz von 130 Milliarden Dollar verantwortlich. Gleichzeitig tüfteln all diese Firmen an eigenen Hochleistungschips und werden über kurz oder lang weniger Nvidia-Chips nachfragen. Schlimmer noch: Sie dürften Nvidia Konkurrenz machen. Die Plattform «The Information» berichtete diese Woche, dass Amazon bereits aggressiv Nvidias Kunden umgarne und ihnen die gleiche Rechenleistung zu einem Viertel des Preises verspreche.
Doch von derartigen Sorgen war am Dienstag im SAP Center nichts zu spüren. In Jensen Huangs Darstellung geht der Nvidia-Boom erst richtig los. Und anders als beim Superbowl «gibt es bei uns nur Gewinner». Die Anleger sahen das nicht unbedingt so: Im nachbörslichen Handel fielen die Nvidia-Titel um gut drei Prozent.