Von KI bis Theologie: Auszeichnung für “exzellente” Forschung

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Stand: 19.03.2025 06:51 Uhr

Inoffiziell werden sie als die “deutschen Nobelpreise” gehandelt: Zehn Spitzenforscher erhalten heute die Leibniz-Preise, inklusive jeweils 2,5 Millionen Euro – unter ihnen: ein Onkologe aus Freiburg.

“Spitzenforschung, so wie sie durch den Leibniz-Preis gefördert wird, spielt eine ganz zentrale Rolle für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes”, sagt Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). “Sie ist wichtig für die Innovationsfähigkeit und für die Resilienz des Landes.”

Seit 1986 wird der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis jährlich von der DFG verliehen. “Leibniz war ein ganz wichtiger Vordenker der Aufklärung, und für diesen Geist steht auch der Leibniz-Preis”, so Becker.

Preisträger aus vielen Wissenschaftsbereichen

Dieses Jahr feiert die DFG das 40. Jubiläum des Preises. Es werden zehn Forschende aus Natur-, Geistes-, Lebens- und Sozialwissenschaften geehrt:

  • Volker Haucke, Biochemie und Zellbiologie, Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, Berlin
  • Hannes Leitgeb, Theoretische Philosophie, LMU München
  • Bettina Valeska Lotsch, Festkörper- und Materialchemie, Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart
  • Wolfram Pernice, Experimentelle Physik, Universität Heidelberg
  • Ana Pombo, Genombiologie, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin
  • Daniel Rückert, Künstliche Intelligenz, TU München
  • Angkana Rüland, Angewandte Mathematik, Universität Bonn
  • Michael Seewald, Katholische Theologie, Universität Münster
  • Maria-Elena Torres-Padilla, Epigenetik, Helmholtz Zentrum München
  • Robert Zeiser, Hämato-Onkologie, Universitätsklinikum Freiburg

Der Preis kann an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus allen Wissenschaftsbereichen verliehen werden. “Diese Vielfalt an Ausgezeichneten finde ich immer wieder faszinierend”, sagt Becker. Zentrales Auswahlkriterium sei die wissenschaftliche Exzellenz: “Das heißt, wir wählen Persönlichkeiten aus, die in den vergangenen Jahren bereits herausragende Forschungsleistungen erbracht haben und von denen aber auch zu erwarten ist, dass sie in Zukunft die Grenzen des Wissens nochmals signifikant erweitern.”

“Brennende Themen unserer Zeit”

Die Themen, mit denen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigen, spiegelten dabei die brennenden Themen und Probleme unserer Zeit wider, sagt DFG-Präsidentin Becker. “Das kann zum Beispiel die Klimaforschung sein oder die Erforschung von Energiesystemen der Zukunft, von Künstlicher Intelligenz oder des Biodiversitätsverlust.”

Oder die Entwicklung von neuen Therapien für Krebspatienten. Das ist das Spezialgebiet von Robert Zeiser, einem der diesjährigen Preisträger. “Es ist eine unglaublich große Ehre und Anerkennung meiner Arbeiten”, so Zeiser. Der Freiburger erforschte unter anderem schwerwiegende Nebenwirkungen von Krebsbehandlungen nach Stammzelltransplantationen. 

Forschung macht Krebsbehandlung sicherer

Nach einer solchen Transplantation kann es vorkommen, dass Immunzellen der Spender sich gegen den Körper der Empfänger richten – mit teils fatalen Folgen. Graft-versus-Host-Erkrankung wird diese Nebenwirkung genannt. Was genau dabei im Körper abläuft, hat Robert Zeiser grundlegend erforscht: Er fand heraus, dass ein Medikament, das bereits in anderen Fällen genutzt wird, auch gegen diese gefährliche Komplikation wirkt.

“Die Grundlagenforschung wurde 2014 abgeschlossen und publiziert. Und bereits 2020 kam die Zulassung in den USA”, so der Onkologe. Mittlerweile sei das Medikament weltweit zugelassen und der Standard bei der Behandlung dieser Nebenwirkung. “Als die Zulassung kam, habe ich mich persönlich sehr gefreut für unsere Patienten, weil wir ihnen jetzt ein zugelassenes Medikament anbieten können, um diese schwere Erkrankung zu behandeln und zum Teil auch zu heilen.”

Darüber hinaus hat der Freiburger Onkologe eine Immuntherapie gefunden, mit der Menschen sicherer behandelt werden können, bei denen der Blutkrebs ein zweites Mal auftritt. Durch die Therapie wird der Tumor für die körpereigene Immunabwehr der Patienten sichtbar gemacht und kann bekämpft werden. Auch diese Behandlung ist zugelassen und wird heute standardmäßig eingesetzt. Insgesamt führte Zeisers Grundlagenforschung bereits zu sechs klinischen Studien, die zum Teil noch laufen.  

“Leibniz-Preis motiviert, weiterzuforschen”

Für DFG-Präsidentin Becker ist Zeiser ein würdiger Leibniz-Preisträger: “Er arbeitet auf höchstem internationalem Niveau, sehr interdisziplinär, er bildet Netzwerke.” In der Vergangenheit habe er bereits hervorragende Leistungen gebracht, “und wir gehen davon aus, dass er das auch in Zukunft tun wird”.

Für Robert Zeiser ist die Ehrung auch ein Ansporn: “Es ist eine große persönliche Freude, wenn man sieht, dass Patienten davon profitieren, dass wir Wissenschaft machen. Und eine Anerkennung wie der Leibniz-Preis motiviert, weiterzumachen und weiterzuforschen und sich nicht damit zufrieden zu geben, wie die aktuelle Situation ist.”

2,5 Millionen Euro für “riskantere” Forschung

Doch Ruhm und Ehre ist nur ein Aspekt, durch den der Leibniz-Preis gekennzeichnet ist, findet Becker. “Die Preisträger und Preisträgerinnen genießen international höchstes Ansehen und erhalten häufig Spitzenpositionen in Wissenschaft und Wirtschaft.” Zwölf von ihnen wurden auch mit einem Nobelpreis geehrt.

Dazu komme aber auch noch das Preisgeld von 2,5 Millionen Euro. Zum Vergleich: Nobel-Preisgewinner und -gewinnerinnen erhalten umgerechnet rund eine Million Euro, zum Teil wird das Geld unter mehreren Personen aufgeteilt. Allerdings muss das Preisgeld beim Leibniz-Preis für die Forschung ausgegeben werden – es handelt sich um einen Forschungsförderpreis: “Dabei kann das Geld aber ganz flexibel verwendet werden”, erklärt Biochemikerin Becker. “Zum Beispiel, um Mitarbeiter einzustellen, um Geräte zu kaufen, um Reisen zu Konferenzen und zu Forschungszwecken durchzuführen.” Das ermögliche eine große wissenschaftliche Freiheit: “Der Preis schenkt Zeit: Zeit zum Nachdenken, Zeit, der eigenen Neugierde wirklich zu folgen.”

Auch Robert Zeiser hat schon konkrete Ideen, wie er das Preisgeld verwenden will: “Es gibt immer wieder Projekte, die relativ sicher sind, bei denen man schon eine Ahnung hat, was dabei herauskommt.” Auf der anderen Seite stünden riskantere Forschungsfragen, für die es schwieriger sei, Förderungen zu erhalten. “Aber gerade diese Projekte sind, wenn sie denn positiv ausfallen, viel wichtiger für den Erkenntnisgewinn.”

Einige solcher Hochrisikoprojekte will er mit der Förderung des Leibniz-Preis nun voranbringen – in der Hoffnung, weitere Therapien aus dem Labor in die verbesserte Versorgung der Patientinnen und Patienten zu bringen.