USA lassen neue Weltuntergangsflieger bauen

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Das Konzept ist außergewöhnlich: Im Falle einer schweren Katastrophe und Notlage – zum Beispiel wegen eines Atomangriffs – sollen Staatspräsident, Verteidigungsminister und Militärkräfte ein Flugzeug besteigen und möglicherweise tagelang in der Luft bleiben können. Für diesen Einsatzzweck lassen die USA fünf Flugzeuge herrichten. Umgangssprachlich werden sie als Weltuntergangsflieger („Doomsday Jets“) bezeichnet.

Und für das erste Flugzeug in diesem 13-Milliarden-Dollar-Vorhaben meldet das beauftragte Unternehmen, Sierra Nevada Corp. (SNC), nun das Erreichen eines „Meilensteins“. Der Flieger wurde vom SNC-Technikzentrum in Dayton im Bundesstaat Ohio für die weitere Ausrüstung zu den Fachleuten des National Institute of Aviation Research im Bundesstaat Kansas überführt. Denn die Ausstattung wird speziell.

Sie soll auf einer offenen Architektur mit nachträglichen Anpassungsmöglichkeiten basieren, um die Betriebskosten über eine lange Einsatzdauer zu speziellen Zwecken nicht ausufern zu lassen. Denn für die Flugzeuge dürfte vorgesehen sein, dass sie lange im Dienst bleiben. Die Idee der Weltuntergangsflieger ist nämlich nicht neu, die USA halten seit Langem Maschinen zu diesem Zweck vor. Doch die vier bisherigen Flugzeuge sind in die Jahre gekommen, das älteste wurde schon im Sommer 1973 übergeben.

Auftrag über 13.080.890.647 Dollar

Technisch wären trotz des Alters noch viele Flugstunden möglich, doch der Wartungsaufwand der sowohl nach 1985 und nach 2005 zweimal modernisierten Flugzeuge dürfte zuletzt immens gewesen sein. Deshalb erteilte das US-Verteidigungsministerium Ende April den Auftrag für einen Ersatz – zum Fixpreis von exakt 13.080.890.647 Dollar – umgerechnet 12,5 Milliarden Euro.

Die neuen Flugzeuge sollen wie die bisherigen auf Boeing-Jumbojets der Baureihe 747 basieren – nun allerdings auf deren jüngster Generation. Allerdings hat der Flugzeughersteller Boeing 2022 mangels neuer Aufträge die Jumbo-Fertigung auch der letzten Passagierversion 747-8 auslaufen lassen. Es fügte sich aber, dass in der Corona-Pandemie, während der der internationale Verkehr einbrach, Fluggesellschaften Großflugzeuge ausrangierten und parkten.

Die fünf Exemplare für den amerikanischen Spezialauftrag waren zuvor von der Gesellschaft Korean Airlines beschafft worden, die sie nicht weiter nutzen wollte. SNC kaufte die Flieger für 675 Millionen Dollar – und passt sie für die neue Aufgabe an. 2036 soll das fünfte Flugzeug komplett ausgestattet und fertig sein.

Für „alle Phasen des Bedrohungsspektrums“

Nach Angaben des Unternehmens ist es einer der größten Modernisierungsaufträge für Flugzeuge, der jemals an ein anderes Unternehmen als den Flugzeughersteller vergeben wurde. Boeing hatte offenbar kein Interesse an dem Vorhaben zum vorab vereinbarten Festpreis. Auf solche Konditionen hatte sich der Konzern schon beim Bau der neuen US-Präsidentenflieger „Air Force One“ eingelassen. Da die Kosten stark stiegen, wird es für Boeing ein Verlustgeschäft.

Ein kleineres Flugzeugmodell als Boeings 747 wäre kaum geeignet gewesen für die Spezialflotte. Das US-Militär beschreibt deren Aufgabengebiet so: „Im Falle eines nationalen Notfalls oder der Zerstörung von Bodenkommando- und Kontrollzentren bietet das Flugzeug ein äußerst überlebensfähiges Kommando-, Kontroll- und Kommunikationszentrum, um die US-Streitkräfte zu dirigieren, Notfallkriegsbefehle auszuführen und Maßnahmen ziviler Behörden zu koordinieren.“ Somit sei die Flotte für „alle Phasen des Bedrohungsspektrums“ gerüstet.

Und dafür ist einiges an Bord unterzubringen. Die bisherigen Flugzeuge vom Typ E-4, einer militärischen Version der einstigen Jumbo-Variante 747-200, beherbergen eine Kommandozentrale, einen Konferenzbereich, einen weiteren Besprechungsraum, Arbeits- und Schlafbereiche sowie eine Lounge. Bis zu 112 Personen können an Bord arbeiten und ruhen.

Große Tanks sind auch nötig – für 15.000 Flugkilometer am Stück. Da in der Luft nachgetankt werden kann, wäre ein mehrtägiger Flug möglich. Ein Schutz gegen Angriffe in der Luft sowie eine Abschirmung gegen radioaktiven Niederschlag und eine Radarkuppel sind auch verbaut.

Einen Atomschlag, der einen tagelangen Flugeinsatz nötig machen könnte, hat es in der Geschichte der bisherigen Doomsday-Flieger nicht gegeben. Die Regierungsflieger, die weniger bekannt sind als die „Air Force One“, standen allerdings nicht bloß rum. US-Verteidigungsminister und Militärstäbe nutzen sie für Reisen, nach Naturkatastrophen wie Wirbelstürmen dienten sie als mobile Einsatzzentralen. Laut Militärangaben ist mindestens einer der bisherigen Flieger stets sofort einsatzbereit – nun läuft das Programm für die Ablösung.