Auf die deutsche Nationalmannschaft warten spannende Duelle mit Italien. Mittendrin: Ein Ersatzmann, auf den Julian Nagelsmann zählt.
Es war die 86. Spielminute im wohl entscheidenden Spiel der abgelaufenen Saison: Tottenhams Heung-min Son lief allein auf das Tor von Manchester City zu. Der eingewechselte Stefan Ortega blieb lange stehen, ehe er zum Spagat ansetzte und Sons Versuch, auf 1:1 zu stellen, vereitelte. Trainer Pep Guardiola traute seinen Augen nicht, legte sich nach der Rettungstat sogar auf das Spielfeld.
Der Sieg (2:0) brachte City im Kampf um den später gewonnenen Meistertitel der Premier-League in Pole-Position. Obwohl Ortega zum Helden gereift war, sieht die Realität zehn Monate später ganz anders aus: Er ist bei Manchester City weiterhin nur die Nummer zwei.
In der aktuellen Saison bestritt er bislang wettbewerbsübergreifend nur 16 Partien, hütete zuletzt in der Liga Mitte März gegen Brighton (2:2) das Tor. Der 32-Jährige kämpft um jeden Einsatz – kommt meist aber nur zum Zug, wenn Stammtorhüter Ederson ausfällt. Nun hat sich Bundestrainer Julian Nagelsmann trotzdem dazu entschieden, Ortega in den Kader der deutschen Nationalmannschaft gegen Italien zu berufen.
Deutschlands ehemaliger Nationaltorhüter René Adler kann erahnen, warum. “Wenn Julian Nagelsmann von Rollen in seiner Mannschaft spricht, dann brauchst du auch eine klare Nummer zwei – und das ist eine ganz andere Herausforderung”, erklärte er im Gespräch mit t-online. Adler spielt damit auf Ortegas offensichtliche Fähigkeit an, innerhalb von kürzester Zeit zu funktionieren.
Sollte ein Torwart sich im Spiel verletzen oder aus einem anderen Grund das Feld verlassen müssen, “dann kannst du Ortega einwechseln und weißt, dass er in der Rolle die Erfahrung hat wie kein anderer. Er ist sofort da, kommt aus der kalten Hose und liefert”, so Adler weiter.
Ähnlich war die Situation in der vergangenen Saison gegen Tottenham. Ederson musste angeschlagen raus, Ortega übernahm in der 69. Minute im Tor – und war gleich mehrfach gefordert. Mit Blick auf die Nationalmannschaft meinte Adler daher: “Tego (Spitzname, Anm. d. Red.) wäre in der Rolle als Torhüter, der eingewechselt werden kann, prädestiniert, weil er das seit seinem Wechsel zu Man City auf allerhöchstem Niveau praktiziert.”

Ortega wechselte 2022 vom heutigen Drittligisten Arminia Bielefeld in die Premier League. Seither bestritt er immer mal wieder ein Duell, gilt als beste Nummer zwei – obwohl er auch die Qualitäten als Stammtorhüter besitzt. “Tego ist ein anerkannter Typ in der Kabine”, erzählte Sky-Experte Adler. Und er verriet, erfahren zu haben: “Ortega hätte bei einem Abgang von Ederson die Zustimmung von Pep Guardiola gehabt, die Nummer eins zu werden.”
Der Brasilianer war im vergangenen Sommer mit einem Wechsel nach Saudi-Arabien in Verbindung gebracht worden. Trotz Gesprächen scheiterte dieser allerdings. “Ich glaube, es gab nicht wenige Spieler bei City, die Ortega als Stammtorwart okay gefunden hätten”, sagte Adler und begründete: “Er hat herausragende Qualitäten im Spielaufbau, eine sehr gute Schlagtechnik und eine gute Ballannahme und Ballmitnahme.”
Das Torwartspiel hat sich über die Jahre verändert. “Es ist viel moderner geworden und nicht mehr zu vergleichen mit meiner Zeit. Auf allerhöchstem Niveau ist es wichtiger geworden, dass ein Torwart Drucksituationen des Gegners überspielen kann”, erklärte Adler, der in seiner aktiven Karriere unter anderem bei Bayer Leverkusen (2003 bis 2012) und dem Hamburger SV (2012 bis 2017) spielte.