Daten sind die neue Munition für Verteidigung

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Wie stark es für den Aufbau von Verteidigungsfähigkeit auf Bits und Bytes ankommt, wird im Gespräch mit Hensoldt-Chef Oliver Dörre deutlich. „Daten sind aus meiner Sicht so wichtig wie Munition“, sagte der Rüstungsmanager am Dienstagabend vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW). Er hat an der Universität der Bundeswehr in München Informatik studiert, war Offizier und ist Reservist im Rang eines Oberstleutnants.

Eine Fregatte ist wie ein schwimmendes Rechenzentrum

Hensoldt ist – anders als etwa Rheinmetall – kein Unternehmen der Schwerindustrie, sondern stellt Sensoren und Radartechnik her und entwickelt Software. Die sensiblen und vielseitigen Produkte kommen in Panzern, Flugzeugen oder Schiffen zum Einsatz oder dienen zur Abwehr von Hackerangriffen. „Eine Fregatte ist heute ein schwimmendes Rechenzen­trum“, sagte Dörre.

Hensoldt-Radare rüsten aber auch das vom Rüstungsunternehmen Diehl hergestellte Luftverteidigungssystem IRIS-T aus, das etwa für den Schutz der Ukraine zum Einsatz kommt. Allerdings entfalle nur ein Prozent der neuen Hensoldt-Aufträge auf die Ukraine.

Die Verteidigungsindustrie und das Militär erleben aktuell einen positiven Imagewandel. Als Europa nach dem Ende des Kalten Kriegs genussvoll von der Friedensdividende zehrte, waren Soldaten und Rüstungshersteller schlecht beleumundet. Investoren strichen die Branche sogar aus ihren Nachhaltigkeitsfonds. Doch dann marschierte Russland im Februar 2022 in die Ukraine ein. Und seit Donald Trumps Wiederwahl zum US-Präsidenten wurde immer deutlicher, dass Europa sich nicht mehr allein auf amerikanische Hilfe verlassen kann. Daher steigen die Aktienkurse von Rheinmetall , Hensoldt & Co. rasant. Motivierte Bewerber rennen der Branche geradezu die Tür ein.

Ein „Ja“ zur Wehrpflicht

Für die Bundeswehr hingegen ist es allerdings immer noch nicht viel leichter geworden, Personal zu finden. „Mir ist es wichtig, die Verteidigungsbereitschaft in die Gesellschaft zu tragen“, sagt Reserveoffizier Dörre, der die Frage, ob eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sinnvoll sei, mit einem knappen aber deutlichen „Ja“ beantwortet. Er vergleicht das damit, wie es gelungen sei, den Klimawandel als gesamtgesellschaftliche Herausforderung im Bewusstsein zu verankern.

Hensoldt-Chef Oliver Dörre ist Informatiker und Reserveoffizier.
Hensoldt-Chef Oliver Dörre ist Informatiker und Reserveoffizier.Hensoldt

Militärischer Habitus ist bei Dörre trotz seiner Bundeswehrvergangenheit nicht zu erkennen. Der 55 Jahre alte Vorstandschef tritt mit seinem dunklen Anzug und der markanten Brille wie ein Manager auf und spricht nicht wie ein Soldat. Doch hat er aus seiner Bundeswehrzeit wichtige Charaktereigenschaften mitgenommen, etwa Teamgeist oder die Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen. „Whatever it takes, wir sind bereit“, sagte Dörre in Anlehnung an die kürzlich von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz geprägte Formel, die auf den ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi und die Zeit der Euroschuldenkrise zurückgeht.

Am Tag von Dörres Besuch in Frankfurt hat der Bundestag ein historisches Schuldenpaket auf den Weg gebracht, um den Aufbau von Verteidigungsfähigkeit und Infrastruktur anzukurbeln. Allerdings muss das umstrittene Vorhaben erst noch den Bundesrat passieren. Auch Dörre gibt zu bedenken, dass das kein Selbstläufer sei. Es bleibt also spannend.

Mit Geld allein ist es nach Einschätzung von Dörre ohnehin nicht getan. Es komme zudem darauf an, das militärische Beschaffungswesen zu modernisieren und die fragmentierte europäische Verteidigungslandschaft zu harmonisieren. Hersteller bräuchten Planungssicherheit. Haushaltpolitik auf Jahressicht dagegen sei nicht besonders nachhaltig. Auch sei die Frage zu klären, wie Staat und Rüstungsfirmen echte Innovationspartner werden könnten. Bisher sei es noch so, dass Unternehmen, die an der Erprobung neuer Militärtechnik teilnehmen, später von der Beschaffung ausgeschlossen werden könnten.