Seltene Krankheit: Ein gebrochenes Herz kann tödlich sein

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Stand: 27.03.2025 05:16 Uhr

Das Broken-Heart-Syndrom ist nicht so harmlos wie bisher angenommen. Neueste Forschung zeigt: Es ist fast so gefährlich wie ein Herzinfarkt – und kann jeden treffen.

Das Broken-Heart-Syndrom, auch bekannt als Takotsubo-Syndrom ist eine Erkrankung, die Mediziner noch immer vor Rätsel stellt. Die plötzlich auftretende, kurzzeitige Herzschwäche führt zu Brustschmerzen, Atemnot oder Herzrasen, ähnlich wie ein Herzinfarkt. Wissenschaftler aus Deutschland erforschen aktuell die genauen Ursachen. Neue Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf die seltene Krankheit.

Plötzliche Herzschwäche

Das Herz versagt, ohne Vorwarnung – das hat Gabriela K. erlebt. Sie verlor das Bewusstsein beim Restaurantbesuch mit ihrer Familie. Eigentlich ging es ihr gut, als plötzlich ein unangenehmes Gefühl in ihr aufstieg. Ihr wurde schwindelig, und ehe sie sich richtig mitteilen konnte, fiel sie in Ohnmacht. “So dieses Gefühl, dir wird irgendwie komisch, eben dass man merkt, man ist nicht mehr Herr seiner Sinne, sondern da passiert jetzt was, was außer Kontrolle gerät. Und dann ist es ja leider sehr schnell gegangen. Als ich dann gesagt habe, mir wird komisch, ich kriege keine Luft, war ich weg.”

Gefährlich wie ein Herzinfarkt

Im Krankenhaus wurde schnell klar: Gabriele K. hatte keinen Herzinfarkt, sondern das sogenannte Takotsubo-Syndrom. Der japanische Mediziner Hikaru Sato beschrieb die Herzerkrankung als erstes. Dabei fiel ihm auf, dass der Herzmuskel sich seltsam verformt, und die Form eines länglichen Tonkruges annimmt. Solche werden in Japan als Tintenfischfallen benutzt und heißen Takotsubo.

Beim Takotsubo-Syndrom nimmt das Herz die Form einer japanischen Tintenfischfalle (Takotsubo) an.

Nicht nur starke Emotionen können Auslöser sein

Die Erkrankung ist auch bekannt als Broken-Heart-Syndrom, denn lange ging man davon aus, dass der Auslöser stets eine heftige Emotion sei, also das sprichwörtlich gebrochene Herz. So erklärt der Kardiologe Christian Templin von der Uniklinik Greifswald im Gesundheitsmagazin Visite im NDR Fernsehen.

“Früher war die Erkrankung charakterisiert als emotional stressvermittelte Erkrankung. Da kannte man nur emotionale Auslöser wie den Tod einer geliebten Person, Mobbing am Arbeitsplatz, die Diagnose einer schweren Erkrankung. In den vergangenen Jahren sind aber immer mehr auch physische Trigger beschrieben worden, und heutzutage haben wir in der Tat häufiger physische Trigger als emotionale Trigger.

Zu den physischen Triggern gehören demnach akute neurologische Erkrankungen wie ein Schlaganfall, eine Epilepsie oder eine Blutung im Kopf. “Es gibt aber auch Patienten, ungefähr ein Drittel, bei denen kein identifizierbarer Trigger zugrunde liegt”, sagt Templin.

Gabriele K. gehört zu den Menschen, bei denen der Auslöser für die ernste Herzerkrankung im Dunkeln bleibt. Die Tage nach ihrem Zusammenbruch im Restaurant wurden für sie zur Zitterpartie, denn ihr Herz hatte nicht mehr die volle Leistung. Die aktuelle Forschung zeigt: “Die Mortalität, also die Sterberate, ist bei einem Takotsubo-Syndrom ähnlich hoch wie bei einem Herzinfarkt”, sagt der Kardiologe Thomas Stiermaier vom UKSH Lübeck.

Das passiert im Herzen

Bei einem Takotsubo-Syndrom bläht sich die linke Herzkammer am unteren Ende auf wie ein länglicher Ballon und pumpt nicht mehr. Stattdessen pumpt die Mitte des Herzens verstärkt im schnellen Rhythmus, um dies zu kompensieren, schafft das aber nicht.

Nun drohten mehrere Komplikationen gleichzeitig, wie ein Pumpversagen der linken Herzkammer, erläutert Christian Templin. “Wenn dieser Bereich so stark pumpt, hat das Blut Schwierigkeiten, aus der linken Herzkammer ausgeworfen zu werden. Und dann steigt der Druck in der Hauptkammer des Herzens an. Das kann zu einem Pumpversagen der Herzkammer führen.”

Mögliche schlimme Folgen eines Takotsubo-Syndroms

Da sich das Blut in der aufgeblasenen Herzkammer sammelt, kann sich ein Gerinnsel bilden, ein sogenannter Thrombus. Gelingt der über die Gefäße zum Gehirn, kann das einen Schlaganfall auslösen. Zudem sinkt beim Takotsubo-Syndrom die Herzleistung, Betroffene erleiden meist einen Kreislaufzusammenbruch, so wie Gabriele K. Ein Takotsubo-Syndrom ist daher immer ein Fall für den Notarzt.

Forschende wollen Ursache entschlüsseln

Bisher ist nicht klar, was genau das Takotsubo-Syndrom auslöst. Doch an mehreren Universitäten in Deutschland wird daran geforscht, unter ihnen die Universitätskliniken in Heidelberg, Greifswald und in Lübeck. Dort forscht Thomas Stiermaier unter anderem an der Frage, welche Entzündungszellen beim Takotsubo-Syndrom aktiv sind und als mögliche Auslöser in Frage kommen. “Es gibt verschiedenste Zellen, die im Immunsystem von Bedeutung sind. Und nur, wenn wir wissen, welche beim Takotsubo-Syndrom entscheidend sind, können wir die gegebenenfalls gezielt mit einem Medikament behandeln. Dem sind wir auf der Spur.”

Noch ist die Pathophysiologie, also der genaue Ablauf der Erkrankung, nicht entschlüsselt. Klar ist bereits: Ein Takotsubo-Syndrom kann sich anfühlen wie ein Herzinfarkt, unterscheidet sich aber grundlegend. Denn anders als beim Herzinfarkt ist kein Blutgefäß verschlossen, auch stirbt kein Teil des Herzmuskels ab.

Die Behandlung ist bisher nur unspezifisch: Patienten erhalten Medikamente, die auch bei Herzschwäche gegeben werden, um das Herz zu stabilisieren. Eine zielgenaue Behandlung wird erst möglich, wenn die Mechanismen der Krankheit vollständig geklärt sind. Die gefährlichste Phase sind die ersten Tage nach dem plötzlichen Auftreten der Erkrankung. Danach erholt sich der Herzmuskel in vielen Fällen wieder. Es dauert ungefähr acht Wochen, bis das Herz wieder normal arbeitet. So war es auch bei Gabriele K.. Ihr geht es heute wieder gut.