Der amerikansiche Präsident Donald Trump schockt langjährige Handelspartner rund um den Globus mit neuen Autozöllen in Höhe von 25 Prozent, die er ab dem 2. April scharf stellen will. Autokonzerne haben reagiert, die EU-Kommission und die Börsenkurse auch. Klar ist, dass dieser Schritt den ohnehin eskalierten Handelsstreit zwischen der größten Volkswirtschaft der Welt und nicht zuletzt Europa weiter befeuern wird. Doch was steckt genau dahinter? Wieso setzt Trump auf Zölle? Und wie können die Länder reagieren, deren Unternehmen davon betroffen sind? Hier kommen Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Was hat Donald Trump angekündigt?
Die Vereinigten Staaten werden ab dem 2. April neue Zölle auf nicht in Amerika produzierte Autos in Höhe von 25 Prozent erheben. Und auch Automobilteile sollen betroffen sein.
Wer ist besonders betroffen?
Deutschland. Nach Daten der International Trade Administration wurden im vergangenen Jahr 784.889 europäische Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten verkauft, davon stammen 446.566 aus der Bundesrepublik; sie ist der bedeutendste europäische Produktionsstandort der Autoindustrie. Umgekehrt wurden 217.230 Autos aus den Vereinigten Staaten nach Europa gebracht. Die europäische Statistikbehörde Eurostat zählt etwas weniger Fahrzeuge, doch das Verhältnis ist ähnlich.
Welche Zölle gelten bislang?
Die Vereinigten Staaten erheben 2,5 Prozent Einfuhrzölle auf Autos, die EU verlangt zehn Prozent für Autos aus den USA. Anders verhält es sich, wenn es um die in Amerika besonders beliebten Pick-ups geht, da erhebt Washington schon jetzt 25 Prozent Einfuhrzoll. Auch der VW-Bus oder andere Lieferwagen fallen unter diesen erhöhten Zollsatz.
Warum macht Trump das?
Aus zwei Gründen: Erstens will er, dass mehr Autos in den Vereinigten Staaten hergestellt werden – von Amerikanern für Amerikaner sozusagen. Europäische oder asiatische Autokonzerne sollen dafür nach seiner Vorstellung mehr Fabriken in den Vereinigten Staaten bauen, dort mehr investieren und gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen.
Zweitens möchte er auf diesem Wege Milliardenbeträge für den Staat einnehmen. Trump hat gleich zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, dass er umfangreich Zölle einführen möchte, um die USA auf Kosten anderer Länder zu bereichern. Er griff dafür in der Geschichte auf die Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts zurück, als William McKinley amerikanischer Präsident war – Trump lobte ihn und dessen Politik mehrfach. Zu jener Zeit setzte Amerika darauf, Staatseinnahmen vor allem mittels Zöllen zu erzielen, und dafür auf Steuern so gut es geht zu verzichten. Trump hat offensichtlich Ähnliches im Sinn, zumindest äußerte er sich dahingehend. Er hat auch jetzt im Rahmen der Zollankündigung niedrigere Steuern in Aussicht gestellt; dies übrigens auch, um die Amerikaner und damit auch viele seiner Wähler zu beruhigen. Denn die müssen sicher höhere Preise zahlen für Autos.
Geht seine Rechnung auf?
Vermutlich langfristig eher nicht. Die Welt hat sich in den zurückliegenden 130 Jahren merklich verändert, Lieferketten sind kleinteiliger geworden, gegenseitige Abhängigkeiten komplizierter und vielschichtiger, die Produkte anspruchsvoller. Amerika ist ein sehr wichtiger und attraktiver Absatzmarkt, aber die globalisierte Wirtschaftswelt besteht nicht nur aus den Vereinigten Staaten.
Viel wird aber davon abhängen, wie Autokonzerne und Kunden reagieren. Werden die Hersteller die Preise deutlich erhöhen, um darüber die Zölle hereinzuholen? Und werden die Kunden die höheren Preise zahlen, weil sie beispielsweise deutsche Autos einfach für so viel besser halten als amerikanische? Oder wählen sie Alternativen? Genau vorherzusehen ist das nicht. Und auch nicht, ob die Unternehmen wirklich mehr Fertigung in den Vereinigten Staaten aufbauen; denn Investitionsentscheidungen hängen immer auch davon ab, für wie verlässlich der entsprechende Standort samt seiner Rahmenbedingungen wahrgenommen wird – Trumps Verhalten schreckt derzeit eher ab.
Um wie viel könnten sich importierte Autos verteuern?
Fachleute halten durchaus einige Tausend Dollar für möglich.
Wären keine Zölle oder andere Handelsschranken nicht vorteilhafter?
Viele Ökonomen sehen das so. Sie argumentieren damit, dass der Wohlstand am Ende für alle wächst, wenn sich Länder oder Regionen spezialisieren und für den Waren- und Dienstleistungsaustausch möglichst keine Hürden existieren. Nach wie vor propagieren Fachleute Freihandel. Und der geht im Prinzip sehr einfach. Eine Regierung braucht bloß alle Zölle und anderen Handelshindernisse abzuschaffen – und schon hat dieses Land für sich Freihandel etabliert.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben viele Länder auf der ganzen Welt entscheiden, tendenziell diese Richtung zu wählen. Das Allgemeine Handels- und Zollabkommen Gatt war ein erster wichtiger Schritt, es ist im Jahr 1995 in der Welthandelsorganisation (WTO) aufgegangen, der mittlerweile 164 Länder angehören, darunter auch China und Russland. Spätestens seit der ersten Amtszeit Trumps haben sich die Sicht auf Handel und das Verhalten vieler Länder aber wieder verändert.
War Protektionismus irgendwann einmal ganz verschwunden?
Nein. Im Grunde genommen hat sich kein Land bislang für Freihandel in Reinform entschieden. In der Wirtschaftslehre gibt es tatsächlich neben dem großen Argument für freien Handel von Waren und Dienstleistungen eine Reihe ökonomischer Gründe, die erklären, warum sich Regierungen immer wieder für Protektionismus entscheiden.
Welche sind das?
Der Wirtschaftsprofessor Oliver Lorz erklärt das in seinem Lehrbuch über Außenhandel so: „Wenn die Handelsgewinne nur bei einer Minderheit der Bevölkerung anfallen, während die Mehrheit durch Außenhandel eher verliert, dann würde der Medianwähler gegen eine Handelsliberalisierung sein und eine Politik, die sich an den Interessen des Medianwählers ausrichtet, ebenfalls.“ Wer sich um Ungleichheit sorgt, hat dazu alternative Möglichkeiten, etwa über die Gestaltung des Steuersystems oder der Sozialsysteme.
2. Alte Industrien und Strukturwandel: Handel erschließt vielen Unternehmen und Branchen neue Absatzmärkte, steigert deren Profitabilität und schafft Arbeitsplätze. Andere hingegen schrumpfen, weil sie vergleichsweise weniger mithalten können mit Anbietern aus dem Ausland. Je nachdem, um wie viele Menschen es geht, kann eine Regierung entscheiden, sie schützen zu wollen oder den Strukturwandel zumindest zu bremsen.
Die Stahlbranche ist ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Regelmäßig beschwer(t)en sich Entscheider aus Brüssel, Berlin und Washington in Peking über die hohe Produktion und die niedrigen Preise chinesischer Hersteller. Der (berechtigte) Vorwurf lautet Preisdumping. Sie haben dabei die durch die günstige Konkurrenz aus Fernost bedrohten Arbeitsplätze im Blick und gewichten dies offenkundig höher als die Vorteile der Verbraucher durch die niedrigeren Preise.
Politisch kann sich das auszahlen unter der Annahme, dass die potentiellen „Handelsverlierer“ stark in einer Branche oder sogar regional konzentriert sind (Stichwort „Rust Belt“) und sich politisch eher engagieren als eine breit gestreute und kunterbunte Koalition der Gewinner. Eine am Freihandel orientierte Perspektive könnte in Bezug auf Dumping freilich entgegensetzen: Wenn jemand mit eigenen Mitteln dafür sorgt, dass wir Waren günstiger bekommen, wieso nicht?
3. Sicherheitsinteressen: Neben wirtschaftlichen spielen geostrategische Erwägungen in die Handelspolitik. Waffenverkäufe etwa kontrollieren Regierungen genau. Hinzu kommen Güter, in denen viele Länder schlicht nicht vom Ausland abhängig und damit theoretisch erpressbar sein wollen – Nahrungsmittel sind ein prominentes Beispiel, die Hilfen für Bauern sind bekannt.
Funktioniert das für große Länder anders als für kleine?
Ja, und das ist ein besonders brisanter Punkte: Für wirtschaftsstarke Länder, also Länder wie die Vereinigten Staaten, ergibt sich aus ihrer Größe zumindest ein Anreiz, zu versuchen, durch Protektionismus den eigenen Wohlstand zu vergrößern – auf Kosten des Auslands, ganz so, wie sich Trump das vorstellt. Die Idee verbirgt sich in der Wirtschaftslehre unter dem sperrigen Begriff „Optimalzoll“: Ein Land ist wirtschaftlich womöglich so bedeutend, dass es etwa durch einen Einfuhrzoll das Preisverhältnis auf den Weltmärkten zu seinen Gunsten verbessern könnte, seine Wohlfahrt also mehrt.
Einigermaßen dazu passt ein Satz, den Trump vor einigen Jahren in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung sagte: „Zum Teil wurde die EU gegründet, um die Vereinigten Staaten im Handel zu schlagen, nicht wahr?“ Und auch seine Rhetorik, bessere „Deals“ in vielen einzelnen Abkommen anzustreben, passte in diese Logik. Denn dieser Idee liegt eine Annahme zugrunde: dass das Ausland darauf nicht reagiert. Gerade wenn es sich ebenfalls um ein „Großes Land“ handelt, würde eine entsprechende Reaktion jedoch jeden Vorteil wieder neutralisieren. „Bei diesem nichtkooperativen Verhalten beider Länder schrumpft der Handel, und beide Länder verlieren“, bringt Ökonom Lorz das auf den Punkt.
Was können Deutschland und die EU tun?
Sie können ebenfalls neue Zölle erhebe oder bestehende erhöhen – und den Amerikanern dann anbieten, eine für beide vorteilhafte Vereinbarung zu erzielen. Die EU ist ein Wirtschaftsraum, der sich qua Größe mit den Vereingten Staaten auf Augenhöhe befindet. Brüssel könnte auch gezielt damit drohen, beispielsweise die großen amerikanischen Technologie-Konzerne einzuschränken, für die Europa ein wichtiger Markt ist. Und dann darauf hoffen, dass deren Vertreter ihrerseits in Washington vorstellig werden und sich bei Trump beschweren. Wehrlos ist Europa keineswegs – wenn es gemeinsam auftritt.