Studie von RIAS über Judenhass: Antisemitismus in der AfD

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Auch wenn sie es selbst immer wieder entschieden abstreitet: Der Antisemitismus ist in der AfD tief verankert. Das geht aus der neuesten bundesweiten Studie des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hervor, die am Mittwoch in Potsdam vorgestellt wurde. Zum ersten Mal wurden mehr als 2000 antisemitische Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund ausgewertet. Die Ergebnisse belegen laut RIAS eine hohe Affinität zu Gewalt bei rechtsextremen Akteuren.

Die Zahl rechtsextremer antisemitischer Vorfälle bleibt im Jahresvergleich konstant hoch. Der Antisemitismus der extremen Rechten drehe sich vor allem „um Geschichtsrevisionismus und die Abwehr der Erinnerung an die Schoa“. Dieser sei auch bei der AfD zu finden. So heiße es im Grundsatzprogramm der Partei aus dem Jahr 2016 im Abschnitt „Kultur, Sprache, Identität“: „Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst“. Revanchistische Äußerungen seien bei den Funktionären der AfD so gut wie durchgängig zu finden.

Das in der AfD programmatisch verankerte Bedürfnis, nicht mehr über den Nationalsozialismus zu sprechen, treffe auf große Resonanz in der deutschen Bevölkerung. So stimmten in der Leipziger Autoritarismusstudie 2022 gut 60 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Wir sollten uns lieber gegenwärtigen Problemen widmen als Ereignissen, die mehr als 70 Jahre vergangen sind“. Die Erinnerung an die Schoah als „Schuldkult“ zu diffamieren und AfD-Mitglieder mit Juden während des Nationalsozialismus gleichzusetzen, seien typisch revanchistische Umgangsformen der AfD.

Manche Funktionäre sind Teil von Terrorgruppen

Rechtsextreme antisemitische Narrative fänden zunehmend Zustimmung in der Bevölkerung. Diese Normalisierung zeige sich auf Versammlungen und bestätige sich in den Wahlerfolgen der AfD. Auch anlässlich der Massaker des 7. Oktobers 2023 äußerten Funktionäre der AfD sich antisemitisch.

Auf europäischer Ebene kooperiere die AfD mit Parteien, für die antisemitische Aussagen dokumentiert seien. Außerdem seien Funktionäre der Partei Teil von terroristischen Netzwerken, wie die Aufdeckung der „Sächsischen Separatisten“ jüngst verdeutlicht habe.

Neben Geschichtsrevisionismus und Post-Schoah-Antisemitismus zählten regressive Elitenkritik und Verschwörungsmythen zu den Ideologemen, die in der AfD häufig anzutreffen seien. „Um ihre selbsterklärte Rolle als parlamentarischer Arm der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen zu unterstützen, nutzte die Partei sogenannte ‚alternative Medien‘, um ihre Narrative zu verbreiten und band diese in ihren Wahlkampf ein“, heißt es in der 120 Seiten starken Broschüre.

Eine „Kränkung“ durch die USA

Sie betrachtet außerdem die prorussische Ausrichtung der Partei. Die internationale Hegemonie der Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg seien genauso wie die Präsenz amerikanischer Soldaten in Deutschland direkt mit der militärischen Niederschlagung des Nationalsozialismus verknüpft. „Für die extreme Rechte verkörpert beides daher eine schmerzliche Kränkung“.

Bei ihrer Hinwendung zu Russland beziehe sich die AfD auf die preußische Diplomatie und die Politik Bismarcks. Die Vereinigten Staaten dagegen würden als Sinnbild westlich-liberaler Demokratien verdammt. Sie würden regelrecht zum negativen Bezugspunkt der eigenen identitär-völkischen Bestrebungen, analysieren die Autoren der RIAS-Studie.

Aus rechtsextremen antisemitischen Einstellungen folgten konkrete Handlungen und antisemitische Vorfälle, die reale Konsequenzen für die Betroffenen hätten. Zwischen 2019 bis 2023 dokumentierte der Bundesverband RIAS sechs Vorfälle extremer Gewalt und 34 Angriffe. Besonders gefährdet sind jüdische Einrichtungen, wie der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Jahr 2019 zeigt. Antisemitische Gewalttaten würden im rechtsextremen Spektrum immer wieder glorifiziert.

Auch in alltäglichen Begegnungen – etwa im Nahverkehr oder der Nachbarschaft – würden Juden angegriffen oder bedroht. Sie erlebten ihren Alltag zunehmend als bedroht und fühlten sich gezwungen, ihn auf antisemitische Vorfälle auszurichten. Häufig seien Gedenkstätten und -zeichen sowie Synagogen und Einrichtungen jüdischer Gemeinden das Ziel Rechtsextremer und würden beschädigt. Die Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein (SPD) sagte zu der Studie, es erschrecke sie, wie weit antisemitische Einstellungen inzwischen in die Mitte der Gesellschaft, weil sie durch die AfD legitimiert würden.