Mitglieder der US-Regierung haben Amerikas Kehrtwende in der Handelspolitik mit der Verhängung der höchsten Importzölle seit den 1940er Jahren verteidigt und Hoffnungen gedämpft, die Zölle könnten nur von kurzer Dauer sein oder gar aufgeschoben werden. Es sei weder mit einer Rezession zu rechnen noch damit, dass amerikanische Verbraucher die Zölle spüren.
Die Regierungsvertreter versuchten damit offensichtlich, ihre Bevölkerung zu beschwichtigen, die Umfragen zufolge in der Mehrheit hohe Zölle ablehnt. Die Nervosität steigt, nachdem die Aktienmärkte einen der schlimmsten Kursverluste nach dem Zweiten Weltkrieg hinnehmen mussten. Größere Einbrüche verzeichneten die Börsen nur 1987, in der Finanzkrise und während der Pandemie. Die Kursverluste binnen zwei Tagen summierten sich auf sechs Billionen Dollar.
Bankvolkswirte warnen inzwischen vor einer drohenden Rezession. Finanzminister Scott Bessent sagte dagegen, es gebe für Anleger keinen Grund, eine Rezession einzukalkulieren. Überdies seien kurzfristige Marktbewegungen weniger relevant für Anleger als die Tatsache, dass der Ölpreis gesunken sei. Das allerdings wird von Volkswirten ebenfalls als Krisensignal gedeutet.
Auch einige Trump-Unterstützer warnen
Der Hedgefonds-Manager Bill Ackman, ein enger Unterstützer von Präsident Donald Trump, riet eindringlich dazu, die Zölle aufzuschieben. „Wenn wir dies nicht tun, besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft aufgrund der massiv gestiegenen Unsicherheit in eine möglicherweise schwere Rezession gerät.“ Handelsminister Howard Lutnick, einer der wichtigsten Propagandisten von Trumps protektionistischem Kurs, stellte dagegen klar: „Es gibt keine Verschiebung“.
Mehr als 50 Länder versuchten unterdessen nach Angaben von Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett, Verhandlungen mit der US-Regierung aufzunehmen, um die Zölle zu verschieben oder zu verringern. Am weitesten ging dabei Vietnam. Mit dem südostasiatischen Land haben die USA das größte Handelsbilanzdefizit nach China und Mexiko. Es bot an, alle Zölle auf US-Importe zu streichen, nachdem Trump eine Abgabe von 46 Prozent angekündigt hatte. Das geht aus einem Brief der Kommunistischen Partei Vietnams vom 5. April hervor, aus dem Bloomberg zitiert. Trumps Handelsberater Peter Navarro machte dem Land wenig Hoffnung: Vietnam betrüge mit sogenannten Handelsbarrieren und diene als Plattform für chinesische Exporte, die so Zölle zu umgehen trachteten.
Hassett wertete den Vorstoß der Länder so, dass ihnen bewusst sei, dass sie selbst die Kosten der Zölle zu tragen hätten. Deshalb würden amerikanische Verbraucher wenig von den Zöllen zu spüren bekommen. Untersuchungen aus Trumps erster Amtszeit zeigten allerdings, dass die Verbraucher die Zölle auf Importe nahezu komplett trugen.
Tausende Dollar Kaufkraftverlust
Und die neue Zollrunde hat eine andere Dimension: Die von Trump am 2. April bekannt gegebenen Zölle werden den durchschnittlichen effektiven US-Zollsatz von 2,5 Prozent im Jahr 2024 auf etwa 22,5 Prozent erhöhen, rechnete das Yale Budget Lab vor. In Kombination mit den von Trump im Februar und März verhängten Zöllen werde dies kurzfristig zu einem Kaufkraftverlust von 3.800 US-Dollar für einen durchschnittlichen Haushalt führen.
Hoffnungen, die Zölle könnten nur von kurzer Dauer sein, dämpfte Lutnick. Die Zölle seien in Kraft, weil Trump die nationale Sicherheit durch hohe Handelsbilanzdefizite gefährdet sehe. Lutnick wiederholte die Interpretation des Präsidenten, der in Handelsbilanzdefiziten betrügerische Aktivitäten am Werk sieht.
Trump selbst bemühte unterdessen erste Durchhalte-Parolen: „Das ist eine wirtschaftliche Revolution, und wir werden gewinnen. Es wird nicht einfach, aber das Endergebnis wird historisch sein“, schrieb er auf Truth Social. Er verwies darauf, Unternehmen hätten bereits Investitionen in Billionenhöhe in den USA angekündigt.
Musk für Freihandel
Gleichwohl zeigen sich erste Risse im Regierungslager. So attackierte Trumps Vertrauter Elon Musk Trumps Handelsberater Peter Navarro, der als einer der Architekten der Handelspolitik gilt. Vor einer Versammlung italienischer Politiker sagte er, er wolle mehr und nicht weniger Freihandel. Als ein X-Nutzer Navarro lobte und darauf hinwies, dass er einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften von der Harvard University hat, antwortete Musk: „Ein Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften von der Harvard University ist eine schlechte Sache, keine gute Sache.“ Als ein anderer X-Nutzer Navarro verteidigte, antwortete Musk, dass dieser nichts aufgebaut habe.
Navarro schlug wegen Musks Äußerungen zurück und wies darauf hin, dass die Produktionsbetriebe des Tesla-CEOs unter dem neuen Zollregime wahrscheinlich einen erheblichen Schlag erleiden werden. „Elon ist großartig, wenn er auf seiner DOGE-Spur ist, aber wir verstehen, was hier vor sich geht: Elon verkauft Autos, er schützt einfach seine eigenen Interessen.“