Westfield-Überseequartier: Ein Konsumtempel spaltet Hamburg

14

Das Wort „endlich“ wird in diesen Tagen in der Hamburger Hafencity häufig gebraucht. Endlich öffnete nun am Dienstag das Shoppingcenter die Türen, das Herzstück im seit mehr als zwei Jahrzehnten geplanten Westfield-Überseequartier, einem Komplex aus mehr als einem Dutzend Gebäuden, mit 600 Wohnungen, Büros und Praxen, Gastronomie und Hotels, Vergnügungsstätten und Fitnesscenter, einer U-Bahn-Station und sogar einem Kreuzfahrtterminal.

Vor einem Jahr war der Start schon bis ins Detail geplant, dann wurde die Eröffnung kurzfristig abgesagt unter Verweis auf einen Wasserschaden an zentraler Stelle. Weitere Termine im ­August und im Oktober wurden gekippt. Allein diese Verschiebungen haben den Bauherr und Betreiber URW (Unibail-Rodamco-Westfield) einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet, weil Mieter für Umsatzausfälle Erstattung forderten sowie für Ware und Personal, das vergebens eingestellt worden war. Insgesamt gibt das französische Unternehmen die Investitionssumme mit 2,45 Milliarden Euro an.

DSGVO Platzhalter

Endlich können die rund 170 Unternehmen eröffnen und sich in dem neuen Stadtquartier präsentieren, das im Jahr 16 Millionen Besucher erwartet. Ein Drittel der vertretenen Marken und Konzepte sei bisher nicht in Hamburg präsent, heißt es bei URW. Das gilt auch für das Mode- und Lifestyle-Unternehmen Breuninger , das mit 13.000 Quadratmeter Fläche auf drei Stockwerken Ankermieter des Einkaufszentrums ist. Als ein „begehbares Lifestyle-Magazin“ stellt Breuninger-Manager Henning Riecken die Hamburger Dependance vor, deren Geschäftsführer er ist.

Das Erfolgsrezept von Breuninger

Erfolgsrezept von Breuninger ist ein außergewöhnlich kundenorientiertes Geschäftsmodell. Schon in den Neunzigerjahren führte das Stuttgarter Unternehmen das sogenannte Personal Shopping ein, mit individueller Beratung und vorausgewählten Kleidungsstücken und Accessoires, etwa für spezielle Anlässe oder für besonders eilige Kunden. Schon im Jahr 1959 hatte Breuninger die erste Kundenkarte Deutschlands eingeführt, um besondere Aktionen anzupreisen und individuelle Erwartungen erkennen zu können.

Welcher Schritt des Kaufprozesses analog oder digital stattfinde, spiele dagegen keine Rolle, betonte Breuninger-Chef Holger Blecker bei einem Medientermin zum Wochenbeginn in Hamburg. Weit mehr als die Hälfte des Umsatzes kommt aus dem Onlinehandel (eine weit überdurchschnittliche Quote), aber im Einzugsgebiet von Breuninger-Häusern wird ein Fünftel der Onlinebestellungen im Laden abgeholt und vielfach mit weiteren Einkäufen verbunden. Auch deshalb ist man bei Breuninger froh, in einer so kaufkräftigen Stadt wie Hamburg – endlich – einen Standort zu haben.

„Um die Frequenz mache ich mir keine Sorgen“

An guten Samstagen erwartet Breuninger 12.000 bis 15.000 Besucher in dem neuen Geschäft, so viele Menschen wie Einwohner einer Kleinstadt. „Um die Frequenz mache ich mir keine Sorgen“, sagte Riecken am Tag vor der Eröffnung. Dass just an diesem Tag nicht nur die deutschen Börsen tief im Minus waren, weil die von US-Präsident Trump verhängten Zölle auf der ganzen Welt Turbulenzen ausgelöst hatten, stand freilich unausgesprochen im Raum: Die womöglich schlagartig schrumpfende Konsumlust könnte die großen Pläne womöglich zunichtemachen.

Pikanterweise war schon die Finanzkrise 2008/2009 der Realisierung des für die Hafencity so zentralen Quartiers im Wege gestanden. Damals hatte die Stadt Hamburg, mit Olaf Scholz (SPD) als Erstem Bürgermeister, gezielt nach finanzstarken Partnern gesucht. Im Jahr 2014 sagte der französische Konzern Unibail-Rodamco (heute URW) zu, allerdings unter der Voraussetzung, dass allein die geplante Einzelhandelsfläche von 40.000 auf 80.000 Quadratmeter verdoppelt wurde.

Heftige Diskussionen über das neue Quartier

Just diese riesige Verkaufs- und Erlebnisfläche führt seit Langem zu heftigen Diskussionen über das neue Quartier – denn vielen scheint klar, dass dadurch die Hamburger Innenstadt weiter veröden könnte. „Wir sehen das Überseequartier nicht als Konkurrenz zur Innenstadt“, betonte Bürgermeister Peter Tschentscher in seiner Ansprache anlässlich der Eröffnungsfeier am Dienstag: „Die City und das Überseequartier sind zwei Einkaufs- und Erlebniszentren, die wechselseitig Ausstrahlungs- und Anziehungskraft entwickeln können.“ Vom Jungfernstieg zum Überseequartier seien es nur 20 Minuten zu Fuß – eine historische Wegebeziehung, die „in den kommenden Jahren die beiden Zentren noch enger zusammenführen“ werde, so die Erwartung des Bürgermeisters. Etwas mehr Engagement der Stadt hätten die Westfield-Mieter aber wohl doch erwartet, auch etwa durch eine gute Gestaltung der anderen Achse, von der Elbphilharmonie (mit jährlich 3,5 Millionen Besuchern) zum Überseequartier am anderen Ende der Hafencity.

Gegenwind bekommt unterdessen URW als Betreiber und Bauherr des Quartiers auch aus der Baubranche. Bei einem schweren Arbeitsunfall waren im Herbst 2023 fünf Arbeiter getötet worden. Den Eröffnungstag nutzte daher die Gewerkschaft IG Bau, um mit einer Protestaktion „Ihre Mall – Unser Grab“ auf die gravierenden Sicherheitsmängel auf der riesigen Baustelle aufmerksam zu machen, die immer wieder vergeblich thematisiert worden waren.