Braucht der FC Bayern den DFB-Star wirklich?

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Der FC Bayern arbeitet an der Verpflichtung von Florian Wirtz. Doch braucht es den teuren Offensivstar überhaupt? Baustellen hat der Klub nämlich eigentlich woanders.

Es ist längst kein Geheimnis mehr: Bayer Leverkusens Angreifer Florian Wirtz ist das erklärte Transferziel des FC Bayern München, der ihn doch so sehr gern verpflichten mag. Und auch deshalb wird oft über den hochtalentierten Nationalspieler gesprochen. Ehrenpräsident Uli Hoeneß, Vorstandschef Jan-Christian Dreesen, Sportvorstand Max Eberl, zahlreiche Experten und solche, die es gerne sein wollen, sie alle sprechen über Wirtz und wann er denn kommen könnte und ob überhaupt und wenn nein, warum vielleicht doch.

Das Interesse der Münchner am 21-Jährigen ist landein- wie -auswärts dermaßen publik, dass den Großkopferten von der Säbener Straße nahegelegt sei, sich die Basar-Szene aus Monty Pythons “Das Leben des Brian” anzuschauen, um das Einmaleins der gepflegten Feilscherei wieder zu erlernen.

So spannend die Vorstellung auch sein mag, das in der Nationalmannschaft begeisternde Duo aus Wirtz und Jamal Musiala auch im Verein zu sehen, und so ehrgeizig der Vorsatz der Bayern auch ist, stets die besten deutschen Spieler verpflichten zu wollen: Wichtiger ist – zumal nach dem 2:2 gegen Borussia Dortmund vom Samstag – die Frage: Brauchen die Bayern Wirtz überhaupt? Denn wenn die Partie gegen den BVB etwas verdeutlicht hat, dann eher die defensive Verwundbarkeit des deutschen Rekordmeisters als sein offensives Unvermögen (bei allen ausgelassenen Chancen).

Mit 83 Toren aus 29 Saisonspielen stellen die Münchner die mit großem Abstand torgefährlichste Mannschaft der Bundesliga. Sie verfügen im Kader über zahlreiche begnadete Angreifer, von Harry Kane über Musiala und Michael Olise bis zu Leroy Sané. Und auch wenn ein solider Vertreter für Kane noch immer händeringend gesucht wird, so bereitet der Sturm doch insgesamt die wenigsten Sorgen, unvermeidbare Tage fahrlässiger Chancenauswertung einberechnet.

Nein, das Problem der Bayern liegt am eigenen Strafraum, die beiden Innenverteidigerpositionen sind es besonders, die der Führungsetage des Klubs Kopfzerbrechen bereiten sollten. Bereiten müssen. Und nicht, ob für Wirtz nun 100 oder doch 120 Millionen Euro nach Leverkusen überwiesen werden müssen.

Denn es ist vielmehr die Abwehr, die verhindert hat, dass die Bayern über den Verlauf der aktuellen Saison hinweg konstant dominant waren. Weder Min-jae Kim noch Dayot Upamecano konnten die üppigen Ablösesummen, die für sie an die SSC Neapel und RB Leipzig überwiesen wurden – 50 Millionen Euro für Kim 2023, 42,5 Millionen Euro 2021 für Upamecano – bisher langfristig rechtfertigen. Geschweige denn nachweisen, dass sie zu konstant starken Leistungen ohne wiederholte kapitale Patzer imstande sind. Der desolate Auftritt des Südkoreaners gegen Dortmund (Note 6 von t-online) – nicht sein erster – war nur der neueste Beleg dafür, dass insbesondere die Innenverteidigung der Münchner den hohen Ansprüchen des Klubs dauerhaft nicht gerecht wird. Noch 2020 standen mit David Alaba, Jérôme Boateng, Javi Martínez, Niklas Süle, Benjamin Pavard, Lucas Hernández und Alphonso Davies sieben gelernte, variabel einsetzbare Verteidiger von damals internationaler Klasse im Aufgebot.

Ein Treppenwitz, dass fünf Jahre später ausgerechnet der bei Tottenham Hotspur einst bereits ausrangierte Eric Dier, der vergangene Saison in höchster Personalnot für 3,5 Millionen Euro erst ausgeliehen, dann ablösefrei verpflichtet wurde, im Vergleich zu seinen dauerzittrigen Nebenleuten zeitweise fast schon ein Fels in der Brandung ist. Eine Unverschämtheit dazu die Tatsache, dass sich die Bayern in ihrer Not auch wiederholt mit Behelfsmanndeckern wie Leon Goretzka oder Josip Stanišić erfolgreich durchzuschummeln vermögen.