Am Donnerstag trifft sich der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Zinssitzung für April. Erwartet wird eine Senkung der Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte und eine Änderung der Kommunikation. Frühere Erwägungen der Notenbank, zunächst eine Zinspause einzulegen, dürften angesichts der Turbulenzen um die Zollpolitik Donald Trumps verworfen worden sein.
Manche Ökonomen meinen sogar, es könnte eine „Zinssenkung XL“ geben. Damit ist ein Zinsschritt nach unten um 0,5 Prozentpunkte gemeint. Entsprechende Gerüchte verbreiteten sich Ende vergangener Woche. Die französische Bank Société Générale beispielsweise schließt einen solchen Schritt nicht aus. Viele andere Beobachter halten ihn aber doch für eher unwahrscheinlich.
„Für mich ist es klar, dass die EZB ihre Leitzinsen am Donnerstag um 25 Basispunkte senkt“, sagte Karsten Junius, Ökonom der Bank J. Safra Sarasin.
Die Stimmung hat sich gedreht
In der Pressekonferenz nach der März- Zinssitzung hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine Zinspause im April nicht ausgeschlossen, aber auf die Datenabhängigkeit der Entscheidung verwiesen.
Zwischenzeitlich hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg Insider zitiert, die Tauben im EZB-Rat, also die Befürworter einer lockeren Geldpolitik, hielten eine weitere Zinssenkung eigentlich für notwendig, könnten darauf aber eventuell verzichten, wenn die Falken, das sind die Befürworter einer strafferen Geldpolitik, noch mehr Zeit zur Auswertung der Daten benötigten.
Das scheint sich durch die Ereignisse rund um Trump geändert zu haben. Der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau ließ sich zitieren, die Veränderungen seit dem 2. April sprächen „für eine baldige Senkung“. Ähnlich äußerte sich der finnische Notenbankchef Olli Rehn. Auch Äußerungen von Bundesbankpräsident Joachim Nagel wurden in diese Richtung gedeutet. Öffentlich gegen eine Zinssenkung im April ausgesprochen hat sich lediglich das österreichische EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann.
„An den Kapitalmärkten ist der Zinsschritt bereits weitgehend eingepreist“, sagte Thomas Romig von der Fondsgesellschaft Assenagon: „Während die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung noch vor einem Monat bei lediglich 50 Prozent lag, wird diese nun mit 95 Prozent erwartet.“
Commerzbank-Ökonom Marco Wagner sagte, die Terminmärkte preisten jetzt für die Aprilsitzung einen EZB-Einlagensatz von 2,26 Prozent ein. Das entspräche ziemlich genau einer Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte.
Inflation im Euroraum zuletzt rückläufig
Die Inflation im Euroraum betrug im März 2,2 Prozent, nach 2,3 Prozent im Februar. Ziel der EZB ist eine Inflationsrate von mittelfristig zwei Prozent.
Die genauen direkten und indirekten Auswirkungen der Trump-Zölle auf Wachstum und Inflation im Euroraum sind allerdings noch unklar. Naheliegend sind dämpfende Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Das könnte es Unternehmen schwerer machen, ihre Preise anzuheben. Bislang war vor allem zu beobachten, dass der Ölpreis unter der Erwartung einer globalen Wirtschaftsschwäche gesunken ist und damit auch Kraftstoff und Heizöl verbilligte. Der im Verhältnis zum Dollar stärkere Euro dürfte zudem Importe billiger machen und Exporte erschweren. Auch eine Umlenkung chinesischer Exporte von den USA in den Euroraum könnte inflationssenkend wirken. Theoretisch könnten mögliche Gegenzölle der Europäischen Union später Importe verteuern.
Manche Ökonomen wie Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim meinen zudem, eine mittelfristige De-Globalisierung als Folge der US-Zollpolitik könnte tendenziell zu höherer Inflation führen.
Was weitere unmittelbare Eingriffe betrifft, werde sich die EZB auf Worte beschränken, meint ING-Ökonom Carsten Brzeski: „Ich denke, dass die EZB betonen wird, dass sie alle verfügbaren Instrumente einsetzen würde, also auch neue Langfristkredite LTRO oder Anleihenkäufe.“
Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte in der vergangenen Woche Bereitschaft zum Eingreifen signalisiert, um das Funktionieren der Finanzmärkte zu sichern. Obwohl die Märkte weiterhin gut funktionierten und es keine allgemeinen Liquiditätsprobleme gebe, habe die Zentralbank „Instrumente, um auf Bedenken hinsichtlich des Funktionierens der Märkte oder der Liquidität einzugehen, falls diese aufkommen sollten“, sagte die Präsidentin der regionalen Notenbank Boston Fed, Susan Collins, der Zeitung „Financial Times“. Die Zentralbank habe diese Instrumente schon in der Vergangenheit rasch eingesetzt: „Wir wären absolut bereit, dies bei Bedarf zu tun.“