Mindestlohnerhöhung gefährdet Obst- und Gemüseproduktion, warnt Bauernverband

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Zum Jubeln ist es für Deutschlands Bauern wohl noch zu früh. Nach den lautstarken Trecker-Protesten im vergangenen Jahr hatten viele Landwirte mit Spannung auf den Koa­litionsvertrag geblickt – in der Hoffnung, dass die CDU möglichst viele ihrer Anliegen durchsetzen würde. Die Bilanz des Deutschen Bauernverbands fällt jedoch gemischt aus. Bau­ernpräsident Joachim Rukwied sprach am Mittwoch vor Journalisten von „Licht und Schatten“ aus Sicht der Landwirtschaft.

Positiv hob der Verband vor allem die Rückkehr der Agrardieselsubvention hervor. Diese soll laut Rukwied die „Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft innerhalb Europas“ stärken. Der Agrardiesel war Auslöser und Kernpunkt der Bauernproteste. Die im vergangenen Jahr zunächst abgeschaffte Agrardieselbeihilfe kostet den Bund jährlich rund 440 Millionen Euro. Jeder Hof erhält damit etwa 3000 Euro im Mittel im Jahr. Weitaus mehr Geld erhalten die Bauern aus Brüssel.

Auch das klare Bekenntnis zur Tierhaltung in Deutschland sowie die zugesagte Planungssicherheit von 20 Jahren für Investitionen in neue Ställe begrüßte der Bauernverband. Vage Hoffnung setzt man zudem auf bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen sowie die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage – beides wird im Koalitionsvertrag zumindest in Aussicht gestellt. Auch Fördermittel für tierwohlgerechte Ställe finden sich darin wieder. Da jedoch alle Maßnahmen unter Finanzierungsvorbehalt stehen, bleibt abzuwarten, was tatsächlich umgesetzt wird.

Grundlegende Strukturreformen fehlen

Trotz einiger positiver Aspekte übte Rukwied deutliche Kritik. Der Koalitionsvertrag sei in vielen Punkten zu unkonkret, es fehle an klaren Maßnahmen. Besonders der angekündigte Bürokratieabbau bleibe deutlich hinter den Erwartungen zurück. Statt „unpräziser Absichtserklärungen und Prüfaufträge“ brauche es nun echte Entlastung, sagte Rukwied.

Immerhin bewertet der Bauernprä­sident das Vorhaben der Koalition, die sogenannte Stoffstrombilanz abzuschaffen, als ersten richtigen Schritt. Diese sei ein „rein deutsches Thema“, das nicht einmal von der EU-Kommission gefordert werde. Die Pflicht zur detaillierten Dokumentation des Düngemitteleinsatzes sehen viele Landwirte als unverhältnismäßig hohen Aufwand.

Wie viele andere Wirtschaftsverbände bemängelt auch der Bauernverband das Fehlen grundlegender Strukturreformen. Angesichts der geplanten Neuverschuldung von über 1000 Milliarden Euro bestehe die Gefahr, dass dringend notwendige Reformen abermals aufgeschoben werden, warnte Rukwied. Die neue Bundesregierung habe nun „die letzte Chance“, das Vertrauen der Landwirtschaft zurückzugewinnen und die Branche wieder auf einen Wachstumspfad zu führen.

Kritik an geplanter Mindestlohnerhöhung

Besonders kritisch sieht der Bauernverband die geplante Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Diese gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Obst- und Gemüseproduktion, sagte Joachim Rukwied. Für Saisonarbeitskräfte, die ihren Lebensmittelpunkt meist in Ländern wie Rumänien und Bulgarien haben, fordert der Verband Sonderregelungen. Andernfalls sei mit einem weiteren Rückgang beim Anbau arbeitsintensiver Sonderkulturen zu rechnen – genau das wolle die Koalition laut Vertrag eigentlich verhindern. „Dieses Ziel wird zur Makulatur, wenn die Mindestlohnerhöhung dem entgegensteht“, sagte Rukwied.

Abschließend äußerte Rukwied sein Bedauern darüber, dass das Umwelt- und Klimaministerium an die SPD geht. Man habe gehofft, dass sowohl dieses als auch das Landwirtschafts­ministerium an die CDU/CSU fallen. Nun bestehe die Gefahr, dass sich beide Ressorts in ihren Zielen gegenseitig blockierten.

Fest steht bislang nur, dass die CSU das Landwirtschaftsministerium übernehmen wird. Ob die derzeitige baye­rische Agrarministerin Michaela Kaniber tatsächlich den Posten in Berlin übernimmt, ist derzeit noch offen. Der zuvor für den Posten gehandelte bayerische Bauernpräsident Günther Felß­ner (CSU) hatte nach Aktionen von Tierrechtsaktivisten auf seinem Hof seinen Rückzug erklärt.