Die Krise des Stahlunternehmens British Steel und der offene Konflikt mit dem chinesischen Eigentümerkonzern Jingye haben im Vereinigten Königreich eine scharfe Debatte über den Umgang mit Investitionen aus China ausgelöst. Am Wochenende hatte das Parlament die Regierung ermächtigt, die Kontrolle über das Stahlwerk in Scunthorpe zu übernehmen, um zu verhindern, dass Jingye die letzten zwei Hochöfen dort abschaltet.
Nun überwachen Regierungsbeamte die Lieferung von Koks und Erz. Einmal abgeschaltet und erkaltet, lässt sich ein Hochofen nur schwer wieder hochfahren. Eine vollständige Verstaatlichung des Stahlunternehmens wird zunehmend wahrscheinlich.
„Sabotage“ oder „Vernachlässigung“?
Die Ereignisse haben scharfe Reaktionen hervorgerufen. Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds von der Labour-Partei sagte, er hätte British Steel nicht an einen Konzern aus China verkauft. Der wirtschaftspolitische Sprecher der oppositionellen Konservativen rief zu „erhöhter Wachsamkeit“ gegenüber China-Engagements auf. Nigel Farage, Chef der aufstrebenden Rechtspartei Reform UK, behauptete, British Steel sei durch „Sabotage“ der Kommunistischen Partei Chinas in die Krise geführt worden. Luke de Pulford, Direktor der KP-kritischen Inter-Parlamentarischen Allianz zu China, sagte, es sei „eine explizite Strategie der chinesischen Kommunistischen Partei, die industrielle Basis anderer Länder zu untergraben“.
Auch aus der Regierung gibt es raunende Vermutungen, dass Peking möglicherweise Scunthorpe opfern wolle, um Großbritannien von chinesischen Stahlimporten abhängig zu machen. Wirtschaftsminister Reynolds sagte: „Es mag keine Sabotage sein, es mag Vernachlässigung sein.“
Jingye verweist auf die hohen Energiekosten in Großbritannien
Branchenexperten hingegen verweisen auf die hohen Energiekosten als Faktor für den Niedergang der Stahlindustrie im Vereinigten Königreich. Jingye, der Mischkonzern, der British Steel 2020 aus der Insolvenz übernommen hat, beklagt hohe laufende Verluste des Scunthorpe-Werks – mehr als 200 Millionen Pfund im Jahr. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums warf London vor, die wirtschaftlichen Fragen zu „politisieren“.
Auch wenn es keine Belege für böse Absicht oder gar Sabotage gibt, hat die British-Steel-Krise zu einer Verhärtung der Fronten geführt. Der Labour-Politiker Tan Dhesi, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Unterhauses, sagte, der Fall British Steel müsse als „Wendepunkt bei der Bewertung der Sicherheit unserer kritischen Industrien gesehen werden“. Man müsse „sicherzustellen, dass sie nicht den Launen externer Akteure zum Opfer fallen“. Emely Thornberry, die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, forderte eine Prüfung aller chinesischen Investitionen in der britischen Nuklearindustrie, im Telekommunikations- und Verkehrssektor.
Ein Wendepunkt für die Bewertung von Investitionen in kritische Industrien
Die britisch-chinesischen Beziehungen haben sich deutlich abgekühlt. Vor zehn Jahren jubelte der damalige Tory-Premier David Cameron bei einem Besuch von Chinas Staatschef Xi Jinping noch über eine „goldene Ära“ der wirtschaftlichen Beziehungen.
Doch 2020 untersagte London den Einbau von Huawei-Technik in das 5-G-Mobilfunknetz. Ende 2022 ordnete die Regierung Sunak an, dass die China General Nuclear Power Group (CGN) nicht mehr am Atomkraftwerksprojekt Sizewell C beteiligt sein darf. London zahlte CGN mehr als hundert Millionen Pfund für den Abschied. Die konservative Regierung zwang zudem ein Techunternehmen mit chinesischem Großaktionär zum Verkauf der Newport Wafer Fab, der größten Mikrochipfabrik des Königreichs.
Die seit vergangenem Sommer amtierende Labour-Regierung schien gegenüber Peking eher auf Kooperation zu setzen. Finanzministerin Rachel Reeves warb für verstärkten Handel und Investitionen. Diese Woche weilt Handelsminister Douglas Alexander in der Volksrepublik. Energieminister Ed Miliband vereinbarte eine „enge Kooperation“ mit Peking für die Energiewende, wie die „Times“ diese Woche schrieb. Beispielsweise erhalten zwei chinesische Firmen Millionenzuschüsse für den Bau großer Offshore-Windparks vor der Küste Schottlands. Ein Regierungssprecher warb für eine pragmatische Zusammenarbeit. Die zunehmend chinakritische konservative Presse hält der Labour-Regierung dagegen eine zu enge Anbindung vor.