Vor seiner Gefangennahme im Garten Gethsemane hat sich Jesus von seinen Jüngern abgesondert und das Zwiegespräch mit Gott gesucht. Seine Bitte, der Vater möge den Kelch an ihm vorübergehen lassen, bildet in den Evangelien das erzählerische Portal zum großen Thema des Osterfests, nämlich dem Umgang mit dem Tod. Die Erzählung von Jesu Sterben am Kreuz wirft den Leser auch auf seinen eigenen Tod zurück, diesen großen Vereinzeler, der keine Stellvertretung duldet.
Gegenüber dieser individuell-existenziellen Grundsignatur des Osterfests tritt der Aspekt der Gemeinschaft zurück. Dabei finden sich unmittelbar vor der Gartenszene von Gethsemane zwei der stärksten Bilder christlicher Gemeinschaft: In den drei synoptischen Evangelien von Markus, Matthäus und Lukas ist es das letzte Abendmahl, während der Evangelist Johannes an dieser Stelle die Fußwaschung ins Zentrum rückt.
Da sich der Kreis der Teilnehmer in beiden Varianten auf Jesus und seinen Zwölferkreis beschränkt und die Kirchen die Teilnahme am Abendmahl an Voraussetzungen wie die Taufe oder eine bestimmte Konfessionszugehörigkeit binden, wird dieses Sakrament gewöhnlich nicht als sonderlich inklusiv wahrgenommen, sondern eher als binnenkirchliche Veranstaltung. Darauf darf das Abendmahl jedoch nicht verkürzt werden.
Denn es soll auch an die Mahlgemeinschaften erinnern, die elementarer Bestandteil von Jesu Wirken waren und deren hervorstechendes Merkmal darin bestand, dass sie die sozialen und religiösen Grenzen der damaligen Zeit sprengten. Diese Gastmähler waren ebenso wie das letzte Abendmahl auch nur als Vorgriff auf die himmlische Gemeinschaft richtig zu deuten. „Und sie werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, und zu Tisch sitzen im Reich Gottes“, lautet einer der Schlüsselverse dazu, dem viele Exegeten hohen historischen Wert zusprechen.
Profanität und Transzendenz
Die Mahlgemeinschaften Jesu weisen jene Verschränkung von Profanität und Transzendenz auf, die für das Christentum charakteristisch ist: Das diesseitige Geschehen ist bewusst einfach und inklusiv gehalten, ohne Opferkult oder fortgesetztes Blutvergießen – und bildet eben darin die Präsenz eines grundgütigen Gottes ab sowie die Verheißung einer jenseitigen Mahlgemeinschaft, in der weltliche Trennungen endgültig entfallen.
Letzteres bleibt natürlich eine Sache des Glaubens, und beim Ersteren muss man hinzufügen, dass die angestrebte Inklusivität in der Geschichte des Christentums Stückwerk blieb. Aber das Bild einer inklusiven Mahlgemeinschaft entfaltete doch seine Kraft als Zielvorstellung, im Privaten wie im Politischen.
Doch die Strahlkraft dieses Bildes scheint rapide nachzulassen. Zahlreiche Daten belegen, dass die Menschen nicht nur immer häufiger allein leben und wohnen, sondern auch immer mehr Zeit allein verbringen, ihre Mahlzeiten immer häufiger allein einnehmen und in Restaurants sogar zunehmend häufig Einzelplätze für sich reservieren.
Was Smartphones und Internetplattformen damit zu tun haben
Als entscheidende Treiber dieser Entwicklung gelten die Verbreitung der Smartphones und die Internetplattformen. Deren Wirkung besteht nicht allein darin, dass man stundenlang auf einen kleinen Bildschirm starrt. Die Logik von Facebook, Tiktok oder X führt auch zur Herausbildung von Meinungsblasen, in denen man sich wechselseitig im Urteil über andere bestätigt.
Diese weltanschauliche Purifikation wirkt umso verheerender, weil parallel jene Räume veröden, in denen man die eigenen Urteile über andere am lebendigen Exemplar überprüfen und gegebenenfalls korrigieren könnte. Denn verloren geht vor allem der mittlere Bereich, der sich zwischen der großen Öffentlichkeit auf der einen Seite und Familie und Freunden auf der anderen Seite befindet. Also die Sphären der erweiterten Nachbarschaft, der Vereine, der Kommunalpolitik, des Lokaljournalismus.
Diese soziale Zone des örtlichen Miteinanders verschiedener Gruppen hatte Jesus mit seinen Mahlgemeinschaften oder auch mit seinem Gleichnis vom großen Gastmahl im Blick.
Die Entwicklung macht vor den Kirchen nicht halt. Auch hier deuten die Daten auf eine immer stärkere Homogenisierung von bestimmten religiösen Stilen und politischen Präferenzen hin, die sich dann in einer zunehmend einseitigen Ausrichtung von Gemeinden oder ganzer Konfessionen niederschlägt.
Ein Ritual wie das Abendmahl verliert jedoch einen Teil seines Sinnes, wenn es die bestehenden Gräben eher manifestiert als diese überwölbt. Der Gründonnerstag ist der richtige Zeitpunkt, um sich vom Bild der Mahlgemeinschaft neu inspirieren zu lassen.