WHO-Mitglieder einigen sich auf weltweites Pandemieabkommen

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Nie wieder Corona-Chaos?

Pandemievertrag beschlossen: Was sich jetzt weltweit ändern soll


Aktualisiert am 17.04.2025 – 09:29 UhrLesedauer: 4 Min.

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Maske aus der Corona-Zeit: Alle Länder sollen künftig geordnet Zugang zu Pandemiematerial bekommen. (Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa/dpa-bilder)

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Chaotische Zustände wie bei der Corona-Pandemie sollen sich nicht wiederholen. Mehr als 190 Länder sind nun umfangreiche Verpflichtungen eingegangen.

Nie wieder soll die Welt bei einer großen Gesundheitsnotlage wie der Corona-Pandemie in ähnliche Panik verfallen. Deshalb haben sich die Mitgliedsländer der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf einen Pandemievertrag geeinigt. Er soll chaotische Zustände bei der Beschaffung von Schutzmaterial und die ungerechte Verteilung der Impfstoffe verhindern. Der Vertrag soll im Mai bei der WHO-Jahrestagung verabschiedet werden und tritt erst in Kraft, wenn 60 Länder ihn ratifiziert haben. Weil in Unterpunkten noch verhandelt werden müsste, dürfte das noch mindestens zwei Jahre dauern.

Ebenso wie WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus sprach der amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von einer historischen Einigung. Der Vertrag regelt den schnellen Austausch von DNA-Sequenzen neuer Erreger. Damit steige die “Wahrscheinlichkeit, dass ein lokaler Ausbruch nie zu einer Pandemie wird”, sagte Lauterbach.

Die EU sieht die “Kapazitäten für die Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion sowie zur Entwicklung neuer medizinischer Gegenmaßnahmen gestärkt”, wie der EU-Kommissar für Gesundheit, Olivér Várhelyi, mitteilte. “Die Weltgemeinschaft setzt damit auch ein wichtiges Zeichen für Solidarität und Multilateralismus – und gegen den Trend zu Alleingang, Egoismus und Rückzug ins Schneckenhaus”, so die amtierende Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD).

Den Europäern war Prävention ein besonderes Anliegen, damit sich tödliche Erreger möglichst gar nicht ausbreiten können. Eine neue Pandemie sei nur eine Frage der Zeit, warnt die WHO. Die Gefahr wächst, weil Menschen sich in Gebieten ausbreiten, die der Tierwelt vorbehalten waren und durch den Kontakt Erreger von Tieren sich an Menschen gewöhnen können. Auch der Klimawandel mit Hitze und Überschwemmungen begünstigt die Ausbreitung von Insekten und Erregern.

Bei Corona hat jedes Land panikartig reagiert und zunächst ohne Rücksicht auf andere seine Interessen durchgesetzt. Regierungen haben sich gegenseitig Schutzmaterial streitig gemacht und als der Impfstoff da war, haben viele Länder ihn gehortet. Den Kürzeren zogen immer die schwächsten Länder. Während in Europa teils schon die dritte Impfung verabreicht wurde, warteten in anderen Ländern Menschen noch auf den ersten Impfstoff.

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Neue Regelung: Medizinisches Personal soll bei einer Pandemie weltweit als Erstes versorgt werden. (Quelle: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa/dpa-bilder)

Was die Corona-Pandemie angerichtet hat

Das bis dahin unbekannte Virus Sars-CoV-2 breitete sich ab Ende 2019 von China innerhalb von Wochen weltweit aus. Direkt auf eine Infektion werden weltweit mindestens sieben Millionen Todesfälle zurückgeführt. Zusammen mit den indirekten Folgen wird die Zahl der Todesfälle auf gut 36 Millionen geschätzt: Menschen, die wegen der Pandemie keinen Arzt aufsuchen konnten oder deren Behandlung im Krankenhaus sich verzögerte. Weltweit brach die Wirtschaft ein, Millionen Kleinunternehmer gingen Konkurs.

Was mit dem Vertrag anders wird

  • Prävention: Länder verpflichten sich, ihre Gesundheitssysteme und die Überwachung des Tierreichs so zu stärken, dass Krankheitsausbrüche schnell entdeckt und möglichst im Keim erstickt werden.
  • Lieferketten: Alle Länder sollen Zugriff auf Schutzmaterial, Medikamente und Impfstoff haben. Gesundheitspersonal soll zuerst versorgt werden.
  • Technologietransfer: Pharmafirmen sollen ihr Know-how teilen, damit auch in anderen Ländern Medikamente und Impfstoffe produziert werden können.
  • Forschung und Entwicklung: DNA-Sequenzen von Pathogenen sollen für die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen frei zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenzug sollen Pharmaunternehmen der WHO zehn Prozent ihrer Produktion zur Verteilung in ärmeren Ländern spenden und weitere zehn Prozent zu günstigen Preisen abgeben (Pabs-System). Die Modalitäten müssen noch ausgehandelt werden. Das soll in einen Anhang zum Vertrag.

Aus Verhandlungskreisen ist zu hören: Die afrikanischen Länder hätten gerne strengere Auflagen im Pabs-System durchgesetzt, ebenso bessere Zusagen für den Technologietransfer und klarere Zusagen für Finanzierungshilfen zur Stärkung der Gesundheitssysteme. Europäische Verhandler hätten gerne stärkere Auflagen bei der Prävention gehabt.

Gegen die WHO und den Vertrag laufen seit langem Kampagnen, vor allem in sozialen Netzwerken. Kolportiert wird, die WHO könne bei der nächsten Pandemie Zwangsmaßnahmen anordnen. Auch die sehr konservative Schweizer Wochenzeitung “Weltwoche” haut in die Kerbe: “Die WHO würde mit dem neuen Vertragswerk faktisch zur mächtigsten Behörde der Welt, zu einer Behörde, die über den Ausnahmezustand entscheidet”, schreibt sie.

Das ist nicht der Fall. In Artikel 24 steht ausdrücklich, dass die WHO oder ihr Generaldirektor keine innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Maßnahmen anordnen können. Sie kann keine Reisebeschränkungen verhängen, Impfungen erzwingen oder Lockdowns anordnen, steht explizit im Text. Der Vertrag gilt nur in Ländern, die ihn ratifizieren. Es sind keine Strafmaßnahmen vorgesehen, wenn ein Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

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Ebenfalls festgehalten: Die WHO kann auch weiterhin keinen Impfzwang anordnen. (Quelle: Annette Riedl/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa/dpa-bilder)