In Mailand platzt für den FC Bayern der große Traum vom “Finale dahoam”. Das liefert unangenehme Erkenntnisse. Der Rekordmeister muss daraus die richtigen Lehren ziehen.
Aus Mailand berichtet Julian Buhl
Die melancholische italienische Schlagermusik, sozusagen als Rausschmeißer, passte ins Bild, als sich das Mitternachtsbankett des FC Bayern gegen 1.30 Uhr langsam auflöste. Mit Thomas Müller und Leon Goretzka hatten die beiden letzten Spieler den Festsaal des Meliá Milano Hotels gerade verlassen.
Bei einem italienischen Buffet mit Safranrisotto Mailänder Art, Focaccia, Pasta und Pizza hatte der Tross der Münchner den Frust über das 2:2 im Viertelfinalrückspiel bei Inter Mailand mit Rot- und Weißwein heruntergespült. Nach dem 1:2 im Hinspiel vergangene Woche in München war das Aus in der Champions League schließlich besiegelt. Damit steht fest, dass das Finale am 31. Mai in der eigenen Arena ohne die Münchner stattfinden wird.
Auch Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen kam bei seiner Rede in dem mit prunkvollen Kronleuchtern geschmückten Saal nicht darum herum, sich das eingestehen zu müssen. “Wir hatten alle diesen Traum vom Finale dahoam, vom Titel dahoam, wie ich mal gesagt habe. Er ist geplatzt. Und wir alle sind traurig darüber”, sagte er.
- Kommentar zum Bayern-Aus: Kompany muss sich hinterfragen
Am Donnerstagvormittag reisten die Bayern mit der ernüchternden Gewissheit im Gepäck zurück nach München, dass dieser große Traum rückblickend nicht mehr als eine Illusion war. Es war nicht die einzige unangenehme Erkenntnis, die die Bayern aus Mailand mitnahmen.
Noch in den Katakomben des ehrwürdigen San-Siro-Stadions sprach Joshua Kimmich einige Punkte gewohnt kritisch und schonungslos an. (Mehr dazu lesen Sie hier.) “Wir haben nicht viele europäische Topteams geschlagen”, sagte Kimmich und zählte die beiden Achtelfinalsiege gegen Leverkusen und das gewonnene Heimspiel gegen Paris Saint-Germain in der Ligaphase auf.
Dem stehen die Niederlagen bei Aston Villa (0:1), in Barcelona (1:4), in Rotterdam (0:3) und die in der Vorwoche gegen Inter (1:2) gegenüber. Hinzu kommt noch das mühevolle 1:1 im Playoffrückspiel gegen Celtic Glasgow. Das ist keine Bilanz eines absoluten Topteams, das die Königsklasse gewinnen kann. Überdies hat Kimmich speziell in diesem Kalenderjahr einen weiteren Negativtrend ausgemacht. “Wenn wir uns die letzten sieben oder acht Spiele anschauen, dann haben wir nur zwei oder drei davon gewonnen. Das ist deutlich zu wenig”, sagte er.
Alles schlechtreden wollte Kimmich nicht. Deswegen sagt er: “Wenn man sieht, wo wir herkommen, dann bin ich schon davon überzeugt, dass wir auf einem guten und richtigen Weg sind. Trotzdem müssen wir noch viele Sachen anpassen und verbessern”, sagte er über die Entwicklung unter Trainer Vincent Kompany.
“Der Trend ist jetzt nicht sehr gut. Wenn man zurückblickt, die letzten sieben Spiele, da ist einfach zu wenig Zählbares herumgekommen.” Zur Wahrheit gehört aber, dass auch Kimmich es nicht schaffte, die beiden wichtigen Inter-Spiele als Anführer der Mannschaft zugunsten der Bayern zu entscheiden.
Sportvorstand Max Eberl sprach hingegen von “einer für mich guten Champions-League-Saison” und irritierte damit seine Zuhörer. Die Saison sollte schließlich eigentlich auch ihm wertvolle Erkenntnisse und im Hinblick auf die Kaderplanung reichlich Verbesserungspotenziale geliefert haben.
Das sind die Verlierer von Mailand
Im Rahmen der Viertelfinalduelle erwiesen sich gleich mehrere Spieler als deren persönliche Verlierer. Min-jae Kim, der in Mailand vor beiden Gegentoren das Kopfballduell verlor, gehört definitiv dazu. Er war in dieser Form eine Schwachstelle der Bayern und bekam für seine schwache Leistung von t-online die Note Fünf.
Der im Hinspiel eingewechselte Sacha Boey machte den in der Endabrechnung nun entscheidenden Fehler, der zum Gegentor zum 1:2 führte. Im Rückspiel saß er – wie auch ansonsten meistens – 90 Minuten auf der Bank. Bislang ist es dem Neuzugang, der im Januar 2024 für 30 Millionen Euro von Galatasaray Istanbul geholt wurde, nicht gelungen, nachzuweisen, dass er Bayern-Format hat.
Auch 50-Millionen-Euro-Sommertransfer João Palhinha spielte in der entscheidenden Saisonphase und den beiden Inter-Spielen keine Rolle. Leroy Sané stand in beiden zwar in der Startelf. Er verpasste es allerdings zum wiederholten Mal, zu zeigen, dass er in großen Partien auch den Unterschied machen kann. Und damit auch die Möglichkeit, Argumente für eine Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrags zu sammeln.