Fit sind sie hier alle. Der Mann, der mit einem Maßband herumläuft und die Oberarme von anderen vermisst, die Frau im Lacklederkleid, die eine Langhantel stemmt. Schweiß treibt die Bundeswehr denen, die sich an ihrem Hindernisparcours versuchen, dennoch auf die Stirn. Es ist Fibo, und zwischen Proteinshakes und Kreatinpulver zeigen ein paar Dutzend Soldaten in Tarnfleck, wie stark man bei der Bundeswehr ist. Die Hoffnung: unter den Fibo-Besuchern neue Kameraden anwerben.
Die Fibo ist eine Messe, auf der Frauen mit langem, glatten Haar in Leggings, deren Naht den Po betont, zwischen Männern herumlaufen, deren Brust beinahe das Muskelshirt sprengt. Sie kosten Grillsoßen ohne Zucker und Fett, kaufen Sportkleidung, probieren sich durch Myriaden von Proteinprodukten und treten in Challenges an: Wer hängt am längsten an der rotierenden Stange? Wer drückt die meisten Kilos? Dazu wummert Musik durch die Hallen der Kölner Messe, die für einige Tage im April Gastgeber für die weltgrößte Fitnessmesse ist.
Wenn es ums Überleben geht, sind fiese Tricks erlaubt
Und dazwischen die Bundeswehr. Ihr Stand hebt sich ab von denen drumherum. Das liegt an den gepanzerten Fahrzeugen und den hochgewachsenen Soldaten, die vorführen, wie sie einen Gegner im Nahkampf ausschalten: „Alles ist erlaubt“, kommentiert ein Oberstabsfeldwebel während einer Vorführung seiner Soldaten, die deutlich macht, dass sportliche Eleganz und Fairness keine Kategorien im militärischen Nahkampf sind. Es geht darum zu überleben, „fiese Tricks“ inklusive.
Dass der Stand anders ist, liegt auch an der Organisation, die sich dort präsentiert. Während nebenan für „Holistic fuel“ geworben wird, heißt es bei der Bundeswehr schlicht: „Stellung halten“. Während ein Proteinpulverhersteller verspricht, sein Produkt werde den Körper „transformieren“, steht auf den Aufstellern der Bundeswehr: „Voller Einsatz für den Frieden“ oder „Mit Hightech Haltung zeigen“. Aus jedem Satz grüßt die Bedeutsamkeit: Hier geht es um was.

Auch wenn die Slogans sich unterscheiden – die Bundeswehr kommt beim Publikum an. Der Stand ist gleich am ersten Messetag gut besucht, viele versuchen sich am Parcours, führen ein Gespräch mit den Soldaten oder gleich mit einer Karriereberaterin. Das Image der Armee? Positiv: „Ich finde es cool, dass die zeigen, was sie machen“, sagt eine dunkelhaarige Frau, deren gut trainierter Bauch zwischen Leggings und Shirt hervorblitzt. „Ich würde auf jeden Fall hingehen, wenn die mich einziehen würden“, sagt ihr 23 Jahre alter Begleiter. „Insgesamt ist das doch eine gute Idee: ein Jahr nach der Schule Disziplin und Verantwortung lernen.“ Freiwillig gemeldet hat er sich nach seinem Schulabschluss aber nicht.
Ein Mann Mitte 30, der erzählt, er habe gedient, sagt: „Im Ernstfall würde ich als Reservist zurückkommen.“ Der Ernstfall, damit ist gemeint, dass die Weltlage sich weiter zuspitzt. Dass Deutschland sich selbst oder Bündnispartner ernsthaft gegen einen Aggressor verteidigen muss. Seit Donald Trump wieder als US-Präsident regiert, scheint das für viele im Bereich des Vorstellbaren zu liegen.
Die Bundeswehr wird immer älter
Es klingt anders als vor ein paar Jahren. Als der Frieden in Europa sicher schien, junge Männer nach der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 scharenweise darauf verzichteten, Teil der Truppe zu werden. Die Bundeswehr hat seitdem ein Personalproblem: Die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten ist bis 2023 von mehr als 206.000 auf 181.500 geschrumpft. Wie es im aktuellen Jahresbericht der Wehrbeauftragten Eva Högl heißt, braucht es „neben einem allgemeinen Personalzuwachs insbesondere auch die Kompensation der jährlich etwa 20.000 aus dem aktiven Dienst ausscheidenden Soldatinnen und Soldaten“, um das Soll zu erreichen.
Die Bundeswehr wird immer älter. Carsten Breuer, der Generalinspekteur der Bundeswehr, sprach vor einigen Tagen davon, die dünne Personaldecke auch durch Reservisten aufzustocken. Bis zum Wechsel des Jahrzehnts könne die Bundeswehr bis zu 100.000 Reservisten ausbilden. Aber um die zu gewinnen, müsse man „dabei auf einen Wehrdienst setzen – in welcher Form auch immer“, sagte Breuer.
Ob die Wehrpflicht wieder aufgenommen wird oder ein Freiwilligendienst reicht – die Bundeswehr kämpft gegen ihre Schrumpfung derweil unter Einsatz von viel Geld; im Jahr 2024 waren es 58 Millionen Euro. Die fließen in Kampagnen in den sozialen Medien, in Serien, die den harten und spannenden Alltag der Soldaten zeigen sollen, in Schulbesuche und in Rekrutierungsveranstaltungen. Man kann mal fünf Tage bei den Gebirgsjägern schnuppern. Oder eben auf einer Fitnessmesse einen Hindernisparcours überwinden.
„Los, drauf! Weiter, weiter!“
Der beginnt mit Klimmzügen, wahlweise mit Schutzweste, plus 15 Kilogramm, Rucksack, noch einmal 15 Kilo, und Waffenattrappe – nicht so schwer, aber unhandlich. Dann eine zwei Meter hohe Hürde bezwingen, unter einem Auto durchrobben und danach mit einer Laserwaffe schießen, während der Brustkorb sich durch die vorherige Anstrengung heftig hebt und senkt.
Ein Soldat macht vor, wie es geht. Die Hürde überwindet er so nebenbei, als hätte er Sprungfedern in den Knöcheln. Mancher schafft mit Schutzweste mehrere Klimmzüge – ist ja auch eine Fitnessmesse. „Das ist überdurchschnittlich“, lobt ein Soldat. Eine junge Frau, die sonst in ihrer Freizeit ins Fitnessstudio geht und in der Pflege arbeitet, schafft keinen. Auch die Hürde erklimmt sie nicht aus eigener Kraft. Ein Soldat gibt ihr über Oberschenkel und Schulter Aufstiegshilfe. Am Ende des Parcours keucht sie: „Nur ein Wort: Respekt.“

Im zweiten Teil, beim „Militärischen Nahkampf“, geht es dann rabiater zu. Mit einem dumpfen Schlag geht der Gegner zu Boden. „Los, drauf! Weiter, weiter!“, fordert ein Soldat den Kämpfer auf. Der junge Mann, dessen Fäuste auf das Gesicht einer Trainingspuppe niederprasseln, während er rittlings auf ihr sitzt, schlägt fester zu. „Ausgeschaltet!“, ruft der Soldat. Der Faustkämpfer erhebt sich und lächelt, die Stirn glänzt. Doch die Aufgabe ist noch nicht erfüllt. Als Nächstes muss ein „verletzter Kamerad“ geborgen werden. Auf der Schulter schleppt der Mann eine etwa 40 Kilogramm schwere Puppe durch Halle 10 der Messe Köln.
Heute wird ihnen auch mal gedankt
Vonseiten der Bundeswehr heißt es, der Erfolg ihrer Bemühungen sei messbar: Die Zahl der Neuzugänge bei der Truppe hat sich von 2023 auf 2024 um 18,5 Prozent gesteigert, gibt ein Sprecher zu Protokoll. Auch der Bericht der Wehrbeauftragten zeigt, dass die Bewerber- und Einstellungszahlen steigen. Allerdings verlässt jeder Vierte die Bundeswehr demnach innerhalb des ersten halben Jahres seines Diensts schon wieder.
Für die Rekrutierer auf der Fibo ist es schon ein Erfolg, wenn jemand ein Beratungsgespräch wahrnimmt und vielleicht sogar einen Folgetermin im Karrierecenter ausmacht. Dafür hätten sich Auftritte auf Messen wie dieser bewährt, sagt der Leiter des Messestands. Die Besucherzahlen stiegen stetig. Am Ende werden in diesem Jahr 30.000 Besucher den Stand besucht haben, wie die Bundeswehr nach der Messe mitteilt. Doch das ist nicht alles: „Die Ansprache aus der Bevölkerung hat sich verändert. Wir bekommen positives Feedback, es wird uns auch mal gedankt“, sagt der Messestandsleiter. Er sieht einen „klaren Meinungsumschwung in der Bevölkerung“.

Die Soldaten, die ihre Truppe auf der Fibo repräsentieren, hinterlassen zumindest einen positiven Eindruck bei den Besuchern. Die Offiziersanwärter am Stand – allesamt Studenten der Bundeswehruniversität in Hamburg, ein Ausbildungszug, der sportlich auf militärischen Nahkampf spezialisiert ist – sind bewundernswert fit, zudem zugewandt, freundlich und strahlen diesen gewissen militärischen Ernst aus: Sie sind hier nicht zum Spaß.
Das gilt auch für die Fähigkeiten zum militärischen Nahkampf. Die sollen in den gesamten Streitkräften aufgebaut werden, weil „die Lage“ sich verändert habe, sagt ein Oberleutnant aus der Gruppe, der sich als Karl vorstellt. Im Kalten Krieg sei das Standard gewesen, in den vergangenen Jahren hätten nicht mehr alle Soldaten diese Fähigkeiten erlernt: mehrere Gegner im Nahkampf ausschalten, mit allem, was man hat.
Die Mündung der Waffe mit voller Wucht in ein Gesicht rammen, wenn die Munition leer ist. Sich mit Schlägen und Tritten – egal, wohin – aus einer Umklammerung befreien, dem Gegner Waffen entreißen, oder abzufeuern, ohne zweimal nachzufragen, ob das gerade richtig ist. „Das hat nichts mit Selbstverteidigung zu tun“, sagt der Oberstabsfeldwebel, der die Ausbildung im militärischen Nahkampf verantwortet. „Wir müssen uns als Soldaten damit abfinden, dass wir kämpfen können müssen.“ Wenn er vorführt, wie seine Leute kämpfen können, wirkt er stolz. „Wir sind ein guter Haufen“, sagt er. Er hofft, dass potentielle Bewerber das ebenso sehen. Und Teil des Haufens werden wollen.