Russland rechtfertigt tödlichen Angriff auf Sumy

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Nach dem russischen Raketenangriff auf Sumy am Palmsonntag hat das russische Verteidigungsministerium seine Version des Geschehens in Sumy vorgelegt. Darin ist weder von den getöteten Zivilisten – mittlerweile 35 Personen, unter ihnen zwei Kinder – sowie 120 Verletzten die Rede noch von der 117. Brigade der Territorialverteidigung, die in den ukrainischen Berichten über die angeblich angegriffene Ordensverleihung erwähnt wird, deren Teilnehmer nicht verletzt wurden. Stattdessen gibt das russische Militär an, in Sumy eine „Versammlung des Führungsstabs“ einer ukrainischen Heeresgruppe namens Sewersk – ukrainisch Siwersk, eine Stadt im Donbass – mit zwei Raketen des Typs Iskander-M angegriffen, das Ziel zerstört und mehr als 60 ukrainische Soldaten getötet zu haben.

Die Darstellung widerspricht zwar den Bildern und Berichten aus Sumy, liegt aber auf der Linie des russischen Militärs, seine Angriffe stets als „Hochpräzisionsschläge“ zu bezeichnen. Diesen Begriff verwendet auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, die am Donnerstag von einer „Inszenierung“ Kiews und einem „Aufschrei“ eines „kollektiven Westens“ sprach, dem sich Russland nach eigener Darstellung in der Ukraine gegenübersieht. Sacharowa sagte weiter, der „Hochpräzisionsschlag“ von Sumy habe einem Treffen ukrainischer Kommandeure mit „westlichen Ausbildern“ in einem Restaurant namens „Magellan“ gegolten.

Entlassung des Gouverneurs des Gebiets Sumy

Dieses freilich gab es in einer anderen ukrainischen Stadt, Krywyj Rih. Dort hatte ein russischer Angriff am 4. April zwanzig Menschen, unter ihnen neun Kinder, getötet – in der Version des russischen Militärs dagegen „bis zu 85 ukrainische Soldaten und Offiziere ausländischer Staaten“, die sich zu einer „Sitzung“ in „einem Restaurant der Stadt“ versammelt hätten. Allerdings hieß das Restaurant zum Zeitpunkt des Angriffs schon „RoseMarine“ und wurde dabei nicht getroffen, wie Aufnahmen von Überwachungskameras zeigten; vielmehr explodierte die Rakete, laut Ukraine eine Iskander-M mit Streumunition für maximale Zerstörungswirkung, nahe einem benachbarten Spielplatz.

Die ukrainische Regierung hat nach dem bisher folgenschwersten russischen Raketenangriff in diesem Jahr den Gouverneur des Gebiets Sumy, Wolodymyr Artjuch, entlassen, teilte Taras Melny­tschuk, der Vertreter der Regierung, im ukra­inischen Parlament mit. Gründe dafür nannte Melnytschuk nicht, die Demission folgte jedoch nach Vorwürfen, Artjuch habe mit der auch öffentlich bekannt gegebenen Ordensverleihung des ukrainischen Militärs für die 117. Brigade im Zentrum der Stadt versehentlich einen Vorwand für den russischen Angriff geschaffen. Artjuch hatte seine Teilnahme an der Veranstaltung bestätigt, aber bestritten, diese initiiert zu haben.

Verhandlungen in Paris

Ein ukrainischer Soldat, der an der Verleihung teilgenommen hatte und dessen Stieftochter unter den Verletzten des Angriffs ist, sagte gegenüber der „Washington Post“, dass viele Trauernde in Sumy Wut auf die Initiatoren der Zeremonie hätten. Von den Soldaten, die den Angriff im Keller abgewartet hätten, sei niemand verletzt worden. Die Veranstaltung sei jedoch „unnötig und unverantwortlich“ gewesen, sagte der Soldat.

Sumy liegt nur 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt und verfügt bei Luftangriffen nur über eine geringe Vorwarnzeit und zudem über eine nicht ausreichende Flugabwehr. Russland hat am Karfreitag abermals die Ukra­ine bombardiert und dabei in der Großstadt Charkiw mit einer mit Streumunition bestückten Rakete einen Menschen getötet und große Schäden angerichtet, berichtete Bürgermeister Ihor Terechow. Der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Wassilij Nebensja, bezeichnete einen Waffenstillstand „unter den gegenwärtigen Umständen“ als „unrealistisch“.

Am Donnerstag waren auf Einladung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris Vertreter der USA, der Ukraine sowie Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands zusammengetroffen, um eine Bilanz der Bemühungen um eine Waffenruhe in der Ukraine zu ziehen. Die bisherigen Verhandlungen zwischen den USA und Russland sind ins Stocken geraten, auch weil Moskau nicht von seinen Maximalforderungen abrückt. Aufseiten der USA waren Außenminister Marco Rubio sowie die Sondergesandten für den Nahen Osten, Steve Witkoff, und die Ukraine, Keith Kellogg, dabei.

Die Ukraine hatte Außenminister Andrij Sybiha und den Chef des Präsidialamtes, Andrij Jermak, entsandt. Für Frankreich und Großbritannien nahmen die Außenminister, für Deutschland der außenpolitische Berater der Bundesregierung, Jens Plötner, teil. Ergebnisse wurden im Anschluss nicht mitgeteilt. Es sei klar, dass Russland den Krieg fortsetzen wolle, sagte Macron. Rubio sprach sich danach explizit für eine weitere Beteiligung der Europäer an den Gesprächen aus. Ihre Ideen seien „sehr hilfreich und konstruktiv“. Bisher hatte Trump die europäische Beteiligung als verzichtbar empfunden.