Sie wollen ihn nicht mehr sehen

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Hogan reagiert schon damals bestürzt. “Ich bin noch nie dermaßen verletzt worden”, erklärt er beim populären US-Talker Howard Stern. Seine fast 25-jährige Ehe ist da schon längst kaputt, Ehefrau Linda hat bereits 2007 die Scheidung beantragt, wegen zahlreicher Affären ihres Gatten. Er verklagt den Medienblog “Gawker”, der einen Ausschnitt des Videos veröffentlicht hatte, dabei unterstützt ihn kurioserweise der konservative deutsch-amerikanische Unternehmer Peter Thiel (Paypal). Vier Jahre später erzielen beide Seiten eine Einigung, Hogan erhält 31 Millionen US-Dollar Entschädigung.

Hochnotpeinlicher Prozess: Hogan am Rande des Verfahrens gegen "Gawker" 2016.Vergrößern des Bildes
Hochnotpeinlicher Prozess: Hogan am Rande des Verfahrens gegen “Gawker” 2016. (Quelle: imago stock&people)

Und gerade, als sich der “Hulkster” mit seiner Rolle als Wrestling-Star im Ruhestand, der bei Gastauftritten gefeiert und bejubelt wird, anzufreunden scheint, wird der Rassismus-Vorfall aus ein und demselben Video öffentlich.

Noch im Januar 2023 erklärt sein einstiger WCW-Chef Eric Bischoff in Verteidigung Hogans, der Rassismus-Skandal sei “nicht ein Abbild des echten Hulk Hogan, sondern das Abbild eines gebrochenen, mit Medikamenten vollgepumpten, versoffenen, verzweifelten Menschen auf dem Tiefpunkt seines Lebens.”

Das Idol so vieler in den 80ern und frühen 90ern Aufgewachsener ist eben nicht mehr unantastbar. Zweifel an seiner Integrität hat es bereits länger gegeben. Seit Jahren schon ist in Fach- und Fankreisen bekannt, dass Hogan ein mindestens schwieriger Partner im Ring war, dem es zu aktiven Zeiten primär darum ging, selbst möglichst stark und unbezwingbar auszusehen. “Doesn’t work for me, brother!”(dt. “Das funktioniert für mich nicht, Kumpel!”) soll seine bevorzugte Antwort gewesen sein, wenn ein Gegner einen seiner eigenen wichtigen Griffe oder Würfe ins Match einbauen wollte. Niederlagen? Da gab es vor allem zu seinen besten Zeiten in trauter Regelmäßigkeit ein Veto von Hogan.

In einem Interview 2018 gibt er zu: “Jeder sagt, Hulk Hogan sei ein Backstage-Politiker gewesen. Gott sei Dank war ich das! Deshalb habe ich mehr Geld verdient als alle anderen, deshalb habe ich die Champion-Titel länger gehalten als alle anderen, deshalb habe ich 35 Jahre lang ganz oben gestanden.”

Bei genauerem Blick auf Aussagen des “Unsterblichen” über die Jahre fällt dazu auf: An Skurrilität sind diese kaum zu überbieten. Da sind nämlich auch noch die unzähligen, dreisten, geschichtsklitternden Lügen des “Hulksters”. Wrestling-Kenner Alan Blackstock hat mal die absurdesten Volten Hogans in einem langen Thread zusammengetragen. Ein paar Beispiele:

  • Elvis Presley sei ein großer Hulk-Hogan-Fan gewesen, behauptete er mal. Problem dabei: Elvis starb 1977 – im selben Jahr begann Hogan erst überhaupt mit dem Wrestling-Training. “Hulk Hogan” gab es da also noch gar nicht.
  • Er habe nach “Wrestlemania 2” 1986 gemeinsam mit Hollywoodstar John Belushi gefeiert. Problem dabei: Der Star aus “Blues Brothers” war da schon vier Jahre tot, starb 1982 an einer Überdosis Drogen.
  • 1992 habe er im Rahmen eines Termins der “Make a Wish”-Stiftung, die kranken Kindern Wünsche erfüllt, einem schwer kranken Jungen in England Tickets für den “Summer Slam 1992” in London geschenkt – damit er ihn im Hauptmatch sehen konnte. Problem dabei: Hogan war zu diesem Zeitpunkt nicht in der damaligen WWF aktiv und somit auch nicht beim Summer Slam dabei.

“Du hast niemals alle von Hulk Hogans Lügen gehört – außer, wenn du alles gehört hast, was er jemals in seinem Leben gesagt hat”, meint Jim Cornette, einst selbst als “Manager” im Wrestling aktiv, mittlerweile erfolgreicher Podcaster mit enzyklopädischem Wissen über die Branche.

Es mag kaum verwundern, dass der notorische Lügner Hogan die Gesellschaft eines anderen notorischen Lügners sucht: Beim Parteitag der Republikaner Mitte Juli vergangenen Jahres in Milwaukee, auf dem Donald Trump endgültig zum Präsidentschaftskandidaten gekürt wird, tritt auch Hogan auf, wirbt in einer skurrilen Rede für den Republikaner, unter tosendem Applaus des aufgewiegelten Publikums, das sich unter seinesgleichen am wohlsten fühlt.

Im August dann sorgt Hogan mit Äußerungen über Trumps demokratische Gegenkandidatin Kamala Harris für Aufsehen. “Soll ich ihr einen Bodyslam verpassen?” fragt er ein johlendes Publikum bei einer Werbeveranstaltung für sein Bier. Und versteigt sich dann in rassistisches Geraune: “Ist Kamala ein Chamäleon? Ist sie Inderin?” fragt er, auf Harris’ multikulturellen Hintergrund anspielend. “Das war nicht ich, das war das Bier, das da sprach”, sagt er danach entschuldigend.

Es ist also wohl die Summe dieser Verfehlungen und Entgleisungen, die nun in dieser dramatischen Ablehnung durch die Fans resultiert. Aber auch die aktuellen Wrestlingstars gehen auf Distanz.

“Ich bin sehr dafür, dass Menschen bekommen, was sie verdienen”, sagte Seth Rollins, einer der aktuell populärsten Wrestler der WWE, erst kürzlich im US-Fernsehen. “Wenn du also von so vielen Menschen ausgebuht wirst, muss es dafür doch einen Grund geben, oder?” Es freue ihn tatsächlich “sehr, das alles so zu sehen. Ich liebe es sogar, das so zu sehen.” Aber: “Ich weiß nicht, ob Hulk die Tragweite wirklich versteht. Wenn er aber irgendwann einmal dahinterkommt, dann kann er sich vielleicht auch mit unseren Fans versöhnen.”