Die Unabhängigkeit von Zentralbanken ist eine wesentliche Voraussetzung für ihren Kampf um die Geldwertstabilität. Darüber sind sich die meisten Ökonomen einig. Entschieden ist die Debatte damit nicht, zumindest nicht in den USA. Die Unabhängigkeit der amerikanischen Federal Reserve steht dort zur Disposition, weil Präsident Donald Trump den Boden bereitet, sie unter seine Kontrolle zu bringen. Ein Fall vor dem Supreme Court eröffnet ihm womöglich sogar die Gelegenheit dazu. An den Finanzmärkten herrscht schon Unruhe. Dollar, Aktien und US-Staatsanleihen hatten am Montag nach Verbalattacken des Präsidenten gegen Notenbank-Chef Jerome Powell deutlich nachgegeben.
In seinem jüngsten Beitrag auf seiner Plattform Truth Social attackierte Trump den Chef der Federal Reserve nicht nur als großen Verlierer („major loser“) und „Herr Zu Spät“ (Mr. Too Late). Sondern er unterstellte ihm parteipolitische Motive.
Öffentliche Herabwürdigungen durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten dürften für Powell nichts Neues mehr sein. Eine neuere Qualität hat allerdings Trumps Unterstellung, er habe aus parteipolitischen Gründen die Leitzinsen gesenkt, um Joe Biden und Kamala Harris zur Wahl zu verhelfen. Offensichtlich bezog sich Trump auf die Zinssenkung im September 2024, als die Fed die Zinsen um einen halben Prozentpunkt gesenkt hatte, nachdem die Arbeitslosenquote binnen eines Monats von 3,7 Prozent auf 4,2 Prozent gestiegen war.
Was will Trump von der Federal Reserve?
Trump verfolgt mehrere Ziele. Er will, dass die Notenbank seine hochriskante Wirtschaftspolitik durch lockere Geldpolitik stützt. Sein jüngster Ärger entzündete sich an der Aussage des Notenbankers, dass Zölle höchstwahrscheinlich zumindest vorübergehend zu einem Anstieg der Inflation führen. Trumps Zölle seien deutlich höher ausgefallen als erwartet, hatte Powell in einer Rede vorige Woche in Chicago gesagt. „Dies dürfte auch für die wirtschaftlichen Auswirkungen gelten, zu denen eine höhere Inflation und ein langsameres Wachstum gehören werden“, so der Chef der Federal Reserve. Damit signalisierte er, dass die Fed zunächst keine Leitzinssenkungen plane.
Doch wichtiger noch ist für Trump vermutlich, dass er keine Einschränkung seiner präsidialen Macht duldet. Eine unabhängige Behörde, die sich mit ihrer Geldpolitik den Wünschen des Weißen Hauses widersetzt, findet Trump schwer erträglich. Dieses Empfinden ist für politische Machthaber nicht ungewöhnlich. Frühere Präsidenten wie Richard Nixon, Lyndon B. Johnson oder Ronald Reagan hatten ebenfalls versucht, die Federal Reserve unter Druck zu setzen, hatten aber weniger Zweifel an der Unabhängigkeit der Federal Reserve gelassen.
Trump spricht von Powells Entlassung
„Powells Entlassung kann nicht schnell genug kommen“, schrieb Trump letzte Woche auf Truth Social. Vor Journalisten im Weißen Haus sagte er überdies: „Ich bin nicht zufrieden mit ihm. Ich habe ihm das auch gesagt, und wenn ich will, dass er geht, wird er sehr schnell gehen, glauben Sie mir“, fügte er hinzu. Trumps Wirtschaftsberater Kevin Hassett hatte am Freitag bestätigt, dass Trump weiter den rechtlichen Status Powells prüfe und damit die Möglichkeit, ihn zu feuern.
Tatsächlich könnte eine Entscheidung des Supreme Court Trumps Ambitionen dienen. Dabei geht es im Kern um die Frage, wie schwer eine 90 Jahre alte Entscheidung des Supreme Courts heute noch wiegt. Damals hatte Franklin Delano Roosevelt versucht, den bis 1938 vom Senat bestätigten Chef der Federal Trade Commission, William E. Humphrey, aus politischen Gründen zu feuern, nachdem er ihn vergeblich zum Rücktritt aufgefordert hatte.
Das Gericht wies das Ansinnen des Präsidenten damals zurück mit der Begründung, dass die Kommissare nur wegen Unfähigkeit, Pflichtverletzung oder Amtsvergehen vom Präsidenten entlassen werden konnten, nicht aber wegen politischer Meinungsverschiedenheiten. Der Kongress hatte die Kommission geschaffen und ihr überwiegend quasi-gerichtliche und quasi-legislative Aufgaben verliehen. Im klassischen Sinne berührte die Kommission damit die exekutive Macht des Präsidenten nicht, so die Vorstellung.
Die Anwälte der Trump-Regierung argumentieren heute wieder, dass der Präsident die Befugnis habe, Leiter von ähnlich strukturierten Behörden zu entlassen, darunter das National Labor Relations Board und das Merit Systems Protection Board. Sie baten das Gericht, den 90 Jahre alten Präzedenzfall aufzuheben. Zwei von Trump gefeuerte Mitglieder dieser Institutionen hatte gegen ihre Entlassung geklagt.
Wie die Richter entscheiden, ist unklar. Die konservative Mehrheit neigt allerdings dazu, dem Präsidenten große exekutive Macht zuzubilligen. Sie könnten aber auch davon absehen, eine neue Grundsatzentscheidung zu treffen oder aber ein Urteil fällen, das die Federal Reserve bewusst isoliert und damit ihren unabhängigen Status sogar untermauert.
Sollte Trump allerdings Kontrolle über die Fed bekommen, dann könnte das die Inflation befeuern, weil die Anleger nicht mehr glauben würden, dass geldpolitische Entscheidungen dem Kampf der Inflation dienten.