Sozialpolitik von Schwarz-Rot bedroht Wohlstand

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Geht man davon aus, dass Wirtschaftswachstum und sichere Arbeitsplätze stets in ausreichender Menge vom Himmel fallen, dann bietet die geplante Sozialpolitik von Schwarz-Rot nicht allzu viel Anlass zu Kritik. Zwar wären dann trotzdem einige politische Solidaritätsappelle an jene nötig, die die Mehrkosten bezahlen sollen. Vielleicht in der Art, wie SPD-Sozial­minister Heil im Aufschwungjahr 2018 die damalige Erhöhung der Mütterrente erklärte: Die zahlungspflichtigen Enkel sollten ih­ren Großeltern das „gönnen“. Für die Finanzierbarkeit der Renten oder die Berufs- und Aufstiegschancen der Jüngeren wäre es in so einer Welt aber egal, wie viel vom Erwirtschafteten der Sozialstaat für sich reklamiert.

Leider gibt es diese Wunderwelt nicht und erst recht nicht heute. Das Wachstum des Sozialstaats – zum Beispiel das Renten- oder auch das Mindestlohnniveau – lässt sich eben nicht beliebig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln. Was dafür ausgegeben werden muss, fehlt für private und öffentliche Investitionen. Es verteuert den Faktor Arbeit. Es erhöht die Kostenlast von Unternehmen und senkt ihre Wettbewerbsfähigkeit. Der Preis fürs „Gönnen“ fällt dann viel höher aus, weil er nicht nur mit Steuern und Abgaben zu entrichten ist. Weniger wirtschaftliche Prosperität, weniger Innovation, Wegfall von Karrierechancen und Ar­beits­plätzen – all das kommt als Zuschlag obendrauf.

Löhne entwickeln sich nicht nach Regeln der „Rentenniveaugarantie“

Um so abwegiger ist die Fixierung der Rentenpolitik auf die abstrakte Kenngröße „Rentenniveau“. Union und SPD wollen diese nun „bei 48 Prozent gesetzlich bis zum Jahr 2031 absichern“. Das deklarieren sie als Schritt zu mehr „Verlässlichkeit“. Was dies in Euro und Cent heißt – und zwar nicht nur für Zahler, sondern auch Rentner – scheint zweitrangig.

Doch was wird eigentlich stabiler, wenn man das sogenannte Rentenniveau gesetzlich fixiert? Für die Berechnung der jährlichen Rentenerhöhung ist dann zwar zwingend vorgeschrieben, dass sie keinesfalls mehr geringer ausfallen darf als der Anstieg der beitragspflichtigen Löhne; auch dann nicht, wenn die Belastung der Zahler schon deshalb kräftig wächst, weil sie für mehr und mehr Rentner aufkommen müssen. Aber das Tempo der allgemeinen Lohnentwicklung, auf das sich diese „Rentenniveaugarantie“ bezieht, lässt sich nach wie vor durch keine Gesetze wirksam vorschreiben, nicht einmal durch Mindestlohngesetze.

Arbeitnehmer und Rentner leiden gleichermaßen

Die „Rentenniveaugarantie“ belastet die Zahler mit zweistelligen Milliardenbeträgen, kostet wirtschaftliche Dynamik, schmälert Verdienstchancen von Arbeitnehmern und dämpft damit am Ende auch die Renten. Mehr Verlässlichkeit bringt das nicht. Eher steckt darin eine „immaterielle Gerechtigkeitslogik“ nach dem Motto: Wenn es schon nötig ist, dass Renten langsamer steigen, soll wenigstens garantiert sein, dass es Arbeitnehmern auch nicht besser geht als Rentnern.

Bisher sieht das Gesetz stattdessen den sogenannten Demographie- oder Nachhaltigkeitsfaktor vor. Er sorgt dafür, dass die Renten etwas langsamer steigen als die Löhne, wenn es mehr Rentner und weniger Zahler gibt, um letztere vor Überlastung zu schützen. Technisch gesehen, bewirkt dieser einst von Rot-Grün beschlossene Faktor ein kontrolliertes Absenken der Kenngröße Rentenniveau. Die künftige „Garantie“ macht daraus gewissermaßen ein unkontrolliertes Absinken des allgemeinen Wohlstandsniveaus.

Mindestlohn als sozialpolitisches Teilhabekonzept

Und diese Kontrolle wird auch nicht durch eine neue Mindestlohnpolitik zu gewinnen sein, die Union und SPD mit der Zahl 15 Euro in ihrem Koalitionsvertrag nun zumindest vorbereiten (wenn auch je nach Parteistandpunkt unterschiedlich intensiv). Das dahinter stehende Kriterium vom 60 Prozent des mittleren Lohnniveaus stammt aus derselben Denkwelt wie die „Rentenniveaugarantie“.

Es soll den Mindestlohn von seiner bisherigen Funktion einer Un­tergrenze ge­gen „Lohndumping“ in ein sozialpolitisches Teilhabekonzept („Living Wage“) überführen. Es geht darum, seine Höhe – ähnlich wie die Rentenausgaben – von begrenzenden ökonomischen Rahmendaten abzukoppeln. Wo Arbeitsplätze nicht die Produktivität erreichen, um eine nach sozialen Wunschkriterien definierte Lohnhöhe zu tragen, sollen sie verschwinden.

Natürlich wäre es schön, wenn es immer automatisch genügend Wachstum und Arbeitsplätze gäbe. Im Grunde aber zeigen Union und SPD schon mit ihren Rentenplänen ihr Misstrauen gegenüber der eigenen Beschäftigungspolitik. Denn falls es gelänge, so viele Menschen in Arbeit zu bringen, dass dies den Anstieg der Rentnerzahlen ausgleicht, griffe der vorhandene Nachhaltigkeitsfaktor gar nicht ein. In einer solchen Welt sänke die Kenngröße Rentenniveau auch ohne neue Garantieklausel nicht unter 48 Prozent.