Roche bläst zur Offensive in den Vereinigten Staaten. Der Schweizer Pharmakonzern will dort in den kommenden fünf Jahren insgesamt 50 Milliarden Dollar investieren. Damit reagiert der Basler Konzern auf die drohenden Zölle auf Pharmaimporte, die der amerikanische Präsident Donald Trump in Aussicht gestellt hat.
Arzneimittel und medizinische Geräte sind gemäß einer Regelung der Welthandelsorganisation (WTO) eigentlich von Zöllen ausgenommen. Aber Trump schert sich nicht um multilaterale Abkommen und internationale Verträge. Er setzt auf das Faustrecht des Stärkeren und untergräbt die Arbeit der WTO, etwa indem er deren Berufungsgericht in Genf und damit die Streitschlichtung zwischen Handelspartnern blockiert. Konkret hat Trump über Zölle für importierte Pharmazeutika sinniert, die „in der Nähe von 25 Prozent“ liegen könnten. Damit will er Pharmakonzerne erklärtermaßen dazu bewegen, ihre Produktion in den USA auszubauen.
40 Prozent aller Exporte aus der Schweiz
US-Zölle auf Pharmaimporte würden die Schweizer Pharmaindustrie schwer treffen. Die Branche hat im vergangenen Jahr Produkte im Wert von fast 32 Milliarden Franken in die Vereinigten Staaten ausgeführt – 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Pharmazeutika und Diagnostika machen rund 40 Prozent aller Exporte aus der Schweiz aus. Amerika ist nicht nur der größte Pharmamarkt der Welt, sondern wegen des hohen Preisniveaus auch der mit Abstand lukrativste Markt für verschreibungspflichtige Medikamente. Diese kosten dort im Durchschnitt dreimal so viel wie in anderen Industrieländern.
Mitte April hatte schon Novartis angekündigt, in den kommenden fünf Jahren 23 Milliarden Dollar in den USA zu investieren und dort künftig die für die amerikanischen Patienten wichtigsten Medikamente produzieren zu wollen. Der ebenfalls in Basel ansässige Konzern will in der Produktion und in der Forschung in Amerika rund 1000 Arbeitsplätze schaffen.
Neues Forschungs- und Entwicklungszentrum in Massachusetts
Konkret will der Konzern, der mehr als die Hälfte seines Pharmaumsatzes in den USA macht, Produktionsstätten für das im Aufbau befindliche Portfolio an Medikamenten zur Gewichtsreduktion sowie für Gentherapien errichten. In einem neuen Forschungs- und Entwicklungszentrum in Massachusetts will sich Roche künftig der Künstlichen Intelligenz sowie Herz-Kreislauf-, Nieren- und Stoffwechselerkrankungen widmen. Die schon bestehenden Forschungs- und Entwicklungszentren für Pharmazeutika und Diagnostika in Arizona, Indiana und Kalifornien sollen modernisiert und erweitert werden.
Einen beträchtlichen Teil ihrer US-Investitionen hatten Roche und Novartis gewiss ohnehin geplant. Aber es gilt, Trump mit möglichst hohen Summen zu beeindrucken und so von seinen Zollplänen abzubringen. Unter Federführung der Regierung in Bern tüftelt die Schweizer Wirtschaft als Ganzes angeblich an einem Investitionsversprechen im Volumen von rund 150 Milliarden Dollar, um Trump von dem horrenden 31-Prozent-Zoll abzubringen, den sich seine Leute für die Eidgenossenschaft ausgedacht haben.
Befürchtungen um hiesige Produktionsstätten
In hiesigen Arbeitnehmerkreisen von Roche wird befürchtet, dass die US-Offensive zulasten der Produktionsstätten in Penzberg (Bayern), Mannheim und Kaiseraugst (Schweiz) gehen könnte. Nach Aussage einer Sprecherin hat Roche aber derzeit keine Pläne, Investitionen und Stellen an anderen Standorten zu kürzen. Allein 2024 hat der Konzern 19 Milliarden Dollar investiert.
Insgesamt importierten die USA 2024 pharmazeutische Produkte im Wert von 233 Milliarden Dollar. Davon kamen zwei Drittel aus der EU. Auch für die deutsche Pharmaindustrie sind die Vereinigten Staaten der wichtigste Exportmarkt. Dorthin geht rund ein Viertel aller Ausfuhren. US-Zölle könnten nach Einschätzung von Branchenkennern dazu führen, dass die deutschen Pharmaexporte nach Übersee um gut ein Drittel sinken. Der Verband forschender Pharmaunternehmen (VFA) hat bereits Ende März vor Zöllen auf Arzneimittel gewarnt. Dadurch könnten Investitionen in die USA gelenkt werden, was den Standort Europa erheblich belasten würde.
Auch amerikanische Pharmakonzerne fürchten sich vor der Einführung von Zöllen, weil sie außerhalb der USA große Produktionsstätten unterhalten, vor allem im steuermilden Irland. Nicht von ungefähr also hat Eli Lilly jüngst angekündigt, 27 Milliarden Dollar in den Ausbau seiner amerikanischen Werke zu investieren. Der Vorstandschef des US-Branchenriesen Pfizer, Albert Bourla, erwägt, Teile der Produktion von Standorten im Ausland in die Heimat zu verlagern.