Optische Chips revolutionieren KI: Energie sparen mit Licht

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Mehrere Startups bauen derzeit Prozessoren, die rechenintensive Operationen mit Licht ausführen. Die optischen Prozessoren haben das Potenzial, KI-Berechnungen enorm zu beschleunigen.

Lasertest eines Lichtwellenleiters der neuen Chips in einem Q.ant Labor in Stuttgart

Lasertest eines Lichtwellenleiters der neuen Chips in einem Q.ant Labor in Stuttgart

PD

Licht beschleunigt den Alltag. Eine Glasfaser bringt Filme ohne Zeitverzögerung ins Wohnzimmer. An der Kasse scannt ein Laser Waren im Halbsekundentakt. Bald könnte Licht den nächsten Tempogewinn bringen: Computerchips, die mit Lichtsignalen statt Elektronik rechnen. Solche Chips sollen Grossrechner effizienter machen, die unter der Last von datenintensiven KI-Anwendungen an ihre Grenzen kommen. Auch autonome Autos könnten eines Tages optische Prozessoren nutzen, um den Akku zu schonen.

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Seit langem arbeiten Forscher an optischen Computerchips, nun wollen Firmen erste Anwendungen testen. Das Stuttgarter Startup Q.Ant kooperiert mit dem Leibniz-Rechenzentrum in Garching bei München und dem Forschungszentrum Jülich. Zusammen wollen sie herausfinden, für welche rechenintensiven Aufgaben sich die optischen Chips eignen. Dafür baut Q.Ant eine Fertigungsanlage in Stuttgart, die 2028 die Serienproduktion aufnehmen soll. Die Technik mache bestimmte KI-Berechnungen bis zu 50-mal schneller – bei nur einem Dreissigstel des Energieverbrauchs, verspricht die Firma.

Das Training von KI-Modellen frisst Energie

Der Boom generativer KI wie Chat-GPT rückt den Energieverbrauch von Rechenzentren in den Fokus. Beim Training werden riesige Datenmengen verarbeitet, was ein Rechenzentrum monatelang auslastet. Chat-GPT-4 verbrauchte für sein Training geschätzt so viel Strom wie 7000 Menschen jährlich. Auch die tägliche Nutzung des trainierten KI-Modells kostet Energie: Eine Anfrage kann je nach Länge 1- bis 130-mal so viel Strom benötigen wie eine Google-Suche.

Zwar lassen sich KI-Algorithmen optimieren, um Daten effizienter zu verarbeiten und Energie zu sparen, wie das chinesische KI-Modell Deepseek beweist. Doch die Hardware bleibt ein Problem: Computerchips verarbeiten Daten der Reihe nach, was ständiges Zwischenspeichern nötig macht. Da Rechenwerk und Speicher getrennt sind, kostet das Hin- und Herschieben Energie.

Doch es könnte auch anders gehen: mit grundlegend neuer Hardware, die einem herkömmlichen Computer besonders zeitraubende Aufgaben abnimmt. Die Idee: einfache, aber massenhaft benötigte Rechenschritte wie Multiplikation oder Addition mit Licht ausführen.

Ein optischer Chip leitet Licht durch Wellenleiter wie auf einem Rangierbahnhof. Entlang der Wellenleiter schwächen sogenannte Modulatoren das Licht gezielt ab, wodurch eine Multiplikation realisiert wird. An anderen Stellen kreuzen sich die Bahnen, und die Lichtsignale überlagern sich. Mathematisch entspricht das dann einer Addition.

Multiplikationen und Additionen fallen bei heutigen KI-Anwendungen massenhaft an, etwa bei der Bilderkennung oder bei Sprachmodellen. Indem man diese Aufgaben auslagert und von einem optischen Chip erledigen lässt, so die Vision, lässt sich besonders viel Energie einsparen.

Optische Chips arbeiten ganz anders als elektronische. Dennoch gibt es Ähnlichkeiten. Beide können aus Silizium gefertigt werden. Damit hat die Chipindustrie viel Erfahrung. Aber auch andere Materialien können mit ähnlichen Verfahren verarbeitet werden, zum Beispiel Lithiumniobat.

Der photonische Chip der Firma Q.Ant beschleunigt KI-Anwendungen.

Der photonische Chip der Firma Q.Ant beschleunigt KI-Anwendungen.

Q.Ant

Dieses Material eignet sich wegen seiner interessanten optischen Eigenschaften für optische Chips. Sein Brechungsindex lässt sich durch Anlegen einer elektrischen Spannung verändern. Durch diesen Effekt steuert Q.Ant die optischen Bauteile auf seinem Chip. «Das geht mit sehr geringen Spannungen, also sehr energieeffizient», erklärt Michael Förtsch, CEO von Q.Ant.

Ein Nachteil optischer Chips ist, dass sie nicht so klein gemacht werden können wie elektronische, da ihre Bauteile etwa die Grösse der Lichtwellenlänge haben müssen (einige hundert Nanometer) – die Transistoren auf klassischen Chips sind etwa hundertmal kleiner.

Optische Chips verarbeiten die Information parallel

Dafür kann Licht aber Information simultan verarbeiten: Sehr viele Wellenlängen, also Farben, können gleichzeitig durch den Chip reisen und manipuliert werden. Die Parallelität sei fast unbegrenzt, sagt Michael Förtsch. «Damit lassen sich extreme Geschwindigkeitsvorteile erreichen», sagt er. Da das Licht «rechnet», während es durch den optischen Chip reist, entfällt das Zwischenspeichern von Daten, das Zeit und Energie kostet.

Neben Q.Ant versuchen noch andere Firmen, diese Vorteile zu kommerzialisieren, etwa Lumai aus Oxford. Dessen Technologie nutzt nach Angaben des Unternehmens «Millionen von Lichtstrahlen» simultan und erledige bestimmte KI-Berechnungen 1000-mal schneller als klassische Chips.

Auch die kalifornische Firma Lightmatter hat einen optischen Prozessor speziell für KI-Berechnungen entwickelt. Laut Website der Firma soll er in Alltagsanwendungen wie Chatbots, E-Commerce oder autonomen Fahrzeugen eingesetzt werden. Der Prozessor wird im Fachmagazin «Nature» ausführlich beschrieben. Er enthält vier optische Chips und elektronische Anschlüsse, um ihn in eine herkömmliche Computerumgebung einbauen zu können.

Dies sowie die Fabrikation der Chips mit herkömmlichen Verfahren der Halbleiterindustrie «lasse erwarten, dass photonische Rechenbeschleuniger in naher Zukunft ihren Weg in reale Systeme finden werden», schreibt Anthony Rizzo vom Dartmouth College in Hanover in einem begleitenden Kommentar in «Nature».

Ersetzen also schnelle und energieeffiziente optische Rechner bald klassische? So einfach ist das nicht. Optische Chips tauschen nicht einfach Strom gegen Licht, sondern brechen mit dem digitalen Rechnen an sich. Während digitale Rechner alles durch 0 und 1 darstellen und damit im Prinzip eine beliebig hohe Genauigkeit erreichen können, rechnen optische Chips mit analogen Signalen, die durch physikalische Grössen wie die Lichtintensität dargestellt werden. Diese Grössen lassen sich nur begrenzt genau messen; sie sind anfällig für Rauschen und schwanken wegen Ungenauigkeiten in der Fertigung von Chip zu Chip.

Q.Ant will trotzdem eine Genauigkeit wie ein 16-Bit-Digitalrechner erreicht haben – also 3 bis 4 Nachkommastellen. Zum Vergleich: Ein typischer Prozessor in einem Smartphone kann Daten mit 64-Bit Genauigkeit verarbeiten, also 15 bis 16 Nachkommastellen. Weil für bestimmte KI-Aufgaben wie die Bilderkennung eine tiefere Präzision ausreichend ist, schneidet der Chip von Q.Ant bei Tests dennoch gut ab. So erkannte die Hardware handgeschriebene Ziffern mit 95-prozentiger Genauigkeit.

Die Erfolgsquote des Prozessors von Lightmatter liegt für handgeschriebene Zeichen sogar bei 99,3 Prozent. Damit liegt er nur 0,1 Prozentpunkte hinter digitalen Computern. Auch bei anderen Anwendungen kam der Prozessor den Leistungen eines elektronischen Rechners nahe. Dazu zählt etwa ein KI-Algorithmus, der Atari-Spiele wie Pac-Man erlernt, oder ein Sprachmodell, das Filmkritiken als positiv oder negativ klassifiziert.

Mit Licht zu rechnen, ist nicht für alle Anwendungen besser

Förtsch räumt ein, dass optische Prozessoren nicht für alle Anwendungen Vorteile bringen werden. Entsprechend vorsichtig tasten sich potenzielle Nutzer ans optische Rechnen heran. «Für uns ist das ein spannendes Forschungsprojekt», sagt Stefan Krieg vom Forschungszentrum Jülich über die Kooperation mit Q.Ant. «Wir wollen die Möglichkeiten der Hardware verstehen», sagt der Physiker, der Hochleistungsrechner für physikalische Simulationen nutzt und dafür auch KI-Methoden verwendet. Sein Team will optische Prozessoren mit anderen neuen Computerarten vergleichen, etwa Quantencomputern.

«Anwendungen werden nicht komplett auf optischen Chips laufen», ergänzt Josef Weidendorfer, der am Leibniz-Rechenzentrum für Future Computing zuständig ist. In der Regel müsse man die optischen Chips in herkömmliche Computer integrieren.

Das macht die Sache aber kompliziert: Information muss dann oft zwischen optischen und elektronischen Signalen umgewandelt werden. Da es noch keinen optischen Speicher gibt, muss die Information zudem elektronisch gespeichert werden. «Der Energiebedarf solcher Umwandlungen muss noch untersucht werden», betont Weidendorfer.

Die Tests, die Q.Ant in den kommenden drei Jahren mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie macht, sollen solche Fragen beantworten. Erst dann wird man wissen, ob optische Chips in der Praxis tatsächlich Vorteile gegenüber herkömmlichen Chips bringen werden.

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