In London hat die jüngste Gesprächsrunde über ein Ende des Ukrainekrieges ohne den amerikanischen Außenminister Marco Rubio und den Sondergesandten Steve Witkoff begonnen, auch der französische Außenminister Jean-Noel Barrot reiste nicht an.
Stattdessen führte der Sonderberater des amerikanischen Präsidenten Trump für die Ukraine, Keith Kellogg, die Gespräche für die amerikanische Seite. Für die Bundesrepublik nahmen der außenpolitische Berater des noch amtierenden Bundeskanzleramts Jens Plötner und der Politische Direktor des Auswärtigen Amtes an den Beratungen teil. Für Frankreich nimmt Macrons diplomatischer Chefberater Emmanuel Bonne an den Gesprächen in London teil. Er war seit 2017 bereits mit den Verhandlungen zu den Minsker Abkommen mit Moskau und Kiew befasst. Der britische Außenminister David Lammy, der als Gastgeber fungierte, traf sich zu einer gesonderten Unterredung mit seinem ukrainischen Kollegen Andrij Sybiha, der nach London gekommen war.
Rubio hatte am Dienstagabend seinen britischen Kollegen Lammy über sein Fernbleiben informiert. Lammy gab an, es sei eine „produktive“ Unterhaltung gewesen. Die Gespräche über den Frieden in der Ukraine seien an einem „entscheidenden Punkt für die Ukraine, Großbritannien und die euro-atlantische Sicherheit“ angekommen. Sie Unterredungen würden „zügig fortgeführt“. Rubio lies wissen, er wolle seine Reise nach London in den nächsten Monaten nachholen.
Peskow dämpft Erwartungen über russische Kompromissbereitschaft
Zuvor hatte es in diversen angelsächsischen Medien Spekulationen gegeben, wonach Moskau zu einer Waffenruhe entlang der Frontlinie bereit sein könne, falls die Ukraine sich offiziell mit der Abtretung der Krim einverstanden erkläre. Russland hatte die Halbinsel schon 2014 besetzt und annektiert.
Auch die unter anderem auf Putins eigenen außenpolitischen Berater zurückgehenden Berichte darüber, dass Trumps Sondergesandter Steve Witkoff abermals nach Russland reisen werde, und zwar noch in dieser Woche, kommentierte Peskow in kargen Worten: „Wir werden mitteilen, wenn es dazu kommt.“ Es wäre schon die vierte Reise Witkoffs zu Putin seit Februar.
Putin ist Trump bislang nicht entgegengenkommen
Andererseits ist Putin Trump nicht inhaltlich entscheidend entgegengekommen. Den amerikanisch-ukrainischen Vorschlag einer umfassenden Waffenruhe und sogar die Initiative zu einer maritimen Waffenruhe im Schwarzen Meer, die für Russland eher günstig wäre, knüpfte er an seine alten Maximalforderungen und lehnte sie so faktisch ab. Das Mitte März im Telefonat Putins und Trumps ausgemachte Moratorium für Angriffe auf Energieanlagen, dem Kiew zustimmte, ist vorige Woche nach 30 Tagen ausgelaufen, und schon zuvor warfen Ukrainer und Russen einander vor, sich nicht daran zu halten. Putins Berater Juri Uschakow sagte zu diesem Moratorium, man werde den Amerikanern ein „bestimmtes Signal“ übermitteln, wie man weiter verfahren müsse.
Damit dürften wieder Vorwürfe an Kiew gemeint sein, denn Moskau stellt die überfallene Ukraine als Kriegstreiberin dar, offenkundig mit dem Ziel, abermals eine Aussetzung der amerikanischen Militärhilfen zu erreichen oder gar deren Ende. Im Fall der von Putin offenbar als Signal an Trump verkündeten „Osterwaffenruhe“ sagte Peskow ganz offen, man werde das Weiße Haus über „Verstöße“ durch die ukrainischen Streitkräfte informieren.
Diese Taktik und der Verlauf des Angriffskriegs in den vergangenen mehr als drei Jahren säen Zweifel daran, ob Putin wirklich bereit wäre zu einem „Einfrieren“ an der bestehenden Front oder gar einem Verzicht auf die vier 2022 annektierten süd- und ostukrainischen Gebiete, wie die Berichte der westlichen Medien implizieren. Denn sein Krieg ist längst zu einem Eroberungskrieg geworden. Dabei wäre es für Moskau ein enormer Erfolg, eine – und sei es nur amerikanische – Anerkennung der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim von 2014 zu erreichen, die Trump Putin in seiner ersten Amtszeit noch verwehrt hatte.
Witkoff forderte in Paris die Lockerung von EU-Sanktionen
Auch in London wurde nun auf Erkenntnisse verwiesen, dass schon die kurzfristig verkündete Osterwaffenruhe von russischer Seite nicht eingehalten worden sei. Der britische Verteidigungsminister John Healey sagte im Unterhaus, nach Erkenntnissen des britischen militärischen Geheimdienstes gebe es keine Anzeichen dafür, dass Russlands militärische Aggression nachlasse: „Obwohl Putin angab, er habe einen Waffenstillstand zu Ostern verfügt, hat er ihn gebrochen“, sagte Healey. Der Verteidigungsminister gab auch an, er könne bestätigen, dass sich Russlands „militärischer Fortschritt“ an der Front „verlangsamt“, dass allerdings die Ukraine an einer Reihe von Frontabschnitten weiter unter Druck stehe.
In Paris ist die Bereitschaft gering, der vom amerikanischen Sondergesandten Steve Witkoff in Paris vorgebrachten Forderung nach einer Lockerung der EU-Sanktionen nachzukommen. Diese Position ist eng mit der geschäftsführenden Bundesregierung in Berlin sowie mit Wahlsieger Friedrich Merz abgestimmt.
Witkoffs Gründonnerstagsvorschlag bei der Konferenz in Paris bewertet man im Elysée-Palast skeptisch. Witkoff stellte in der französischen Hauptstadt ein Angebot Putins vor, die aktuelle Frontlinie einzufrieren und auf russische Ansprüche in den weiterhin ukrainisch kontrollierten Gebieten in vier Regionen zu verzichten. Aus französischer Sicht beinhaltet der Vorschlag keine ausreichenden Garantien zur Sicherung der ukrainischen Verwaltungshoheit, die eine Lockerung der EU-Sanktionen rechtfertigen würden. Frankreich drängt auf überprüfbare Gegenleistungen Russlands wie eine komplette Feuerpause sowie einen kontrollierbaren Stufenplan zum Truppenabzug. Noch sei der „Deal“ unausgeglichen, zumal die USA einseitig die russische Souveränität über die Krim-Halbinsel anerkennen wollten, heißt es in Paris.

Über die in enger Absprache mit Präsident Selenskyj erarbeitete französische Verhandlungsposition soll der amerikanische Außenminister Marco Rubio verärgert gewesen sein. Er warnte noch in Paris, „sollte es keine eindeutigen Anzeichen für eine Einigung geben, können wir unser Engagement einstellen“.
Kiew schließt Verzicht auf die Krim aus
Selenskyj sagte am Dienstagabend vor Journalisten in Kiew, er habe bisher offiziell keinen Vorschlag erhalten. Zugleich warnte er, dass Diskussionen über territoriale Zugeständnisse das Risiko bergen, auf Putins Spiel hereinzufallen und Moskau dann den Rahmen der Verhandlungen diktieren werde. „Sobald die Gespräche über die Krim und unsere souveränen Gebiete beginnen, wird das in die von Russland gewünschte Richtung gehen.“ Das bedeute eine Verlängerung des Krieges, „weil es nicht möglich sein wird, sich schnell auf alles zu einigen“.
Ein Verzicht auf die Halbinsel Krim komme für Kiew nicht infrage, sagte Selenskyj. „Die Ukraine wird die Besetzung der Krim nicht anerkennen.“ Das verstoße gegen die Verfassung. „Es ist unser Territorium, das Territorium des ukrainischen Volkes, da gibt es nichts zu diskutieren.“ Einer Abgabe ukrainischer Gebiete an Russland ist in der ukrainischen Bevölkerung bisher nicht mehrheitsfähig. In repräsentativen Umfragen des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS) bezeichneten zuletzt 47 Prozent der Befragten ein solches Vorgehen als „absolut inakzeptabel“, 34 Prozent gaben an, dass das „schwer zu akzeptieren, aber möglich“ sei.
Selenskyj hatte stets deutlich gemacht, dass die Ukraine niemals rechtlich auf die von Russland besetzten Gebiete verzichten werde, eine Anerkennung des Status Quo angesichts der militärischen Lage aber möglich sei. Er wiederholte am Dienstag sein Angebot, zu direkten Gesprächen mit Putin bereit zu sein, sobald es einen dauerhaften Waffenstillstand gibt.