In London hat die jüngste Gesprächsrunde über ein Ende des Ukrainekrieges ohne den amerikanischen Außenminister Marco Rubio und den Sondergesandten Steve Witkoff stattgefunden. Stattdessen führte der Sonderberater des amerikanischen Präsidenten für die Ukraine, Keith Kellogg, die Gespräche für die amerikanische Seite. Für Deutschland nahmen der außenpolitische Berater des Bundeskanzleramts Jens Plötner und der Politische Direktor des Auswärtigen Amtes an den Beratungen teil. Auch der französische Außenminister Jean-Noel Barrot reiste nicht an. Stattdessen war Präsident Emmanuel Macrons diplomatischer Chefberater Emmanuel Bonne zugegen. Der britische Außenminister David Lammy, der als Gastgeber fungierte, traf sich zu einer gesonderten Unterredung mit seinem ukrainischen Kollegen Andrij Sybiha, der gemeinsam mit Präsidialamtschef Andrij Jermak und Verteidigungsminister Rustem Umjerow in London war.
Rubio hatte am Dienstagabend Lammy über sein Fernbleiben informiert. Dieser gab an, es sei eine „produktive“ Unterhaltung gewesen. Rubio teilte mit, er wolle seine Reise nach London nachholen. Zuvor hatte es in diversen englischsprachigen Medien Spekulationen gegeben, wonach Moskau zu einer Waffenruhe entlang der Frontlinie bereit sein könne, falls die Ukraine sich offiziell mit der Abtretung der Krim einverstanden erkläre. Russland hatte die Halbinsel schon 2014 besetzt und annektiert.
Moskau schmeichelt Trump, bewegt sich in der Sache aber nicht
Dmitrij Peskow, der Sprecher von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, fand sich angesichts dieser Berichte in seiner Lieblingsrolle wieder: der des maßvollen Mahners, der Erwartungen dämpft. Man habe Kontakte mit den Amerikanern, die Arbeit sei kompliziert und zeitintensiv, rasche Ergebnisse der Arbeit, die überdies nicht öffentlich sei, seien nicht zu erwarten, sagte er der Zeitung „Financial Times“. Ähnlich äußerte er sich zuvor im heimischen Staatsfernsehen. Am Mittwoch wandte sich Peskow gegen „sehr viele verschiedene“ Provokationen in den Medien.
Auch die unter anderem auf Putins eigenen außenpolitischen Berater zurückgehenden Berichte darüber, dass Witkoff abermals nach Russland reisen werde, und zwar noch in dieser Woche, kommentierte Peskow in kargen Worten: „Wir werden mitteilen, wenn es dazu kommt.“ Es wäre schon die vierte Reise Witkoffs zu Putin seit Februar.
Russlands Präsident nutzte die bisherigen Besuche für seine Charmeoffensive gegenüber Trump. Andererseits ist Putin Trump inhaltlich nicht wirklich entgegengekommen. Den amerikanisch-ukrainischen Vorschlag einer umfassenden Waffenruhe und sogar die Initiative zu einer maritimen Waffenruhe im Schwarzen Meer, die für Russland eher günstig wäre, knüpfte er an seine alten Maximalforderungen und lehnte sie so faktisch ab. Das Mitte März im Telefonat Putins und Trumps ausgemachte Moratorium für Angriffe auf Energieanlagen, dem Kiew zustimmte, ist vorige Woche nach 30 Tagen ausgelaufen, und schon zuvor warfen Ukrainer und Russen einander vor, sich nicht daran zu halten.
Moskau stellt die überfallene Ukraine als Kriegstreiberin dar, offenkundig mit dem Ziel, abermals eine Aussetzung der amerikanischen Militärhilfen zu erreichen oder gar deren Ende. Diese Taktik und der Verlauf des Angriffskriegs in den vergangenen mehr als drei Jahren säen Zweifel daran, ob Putin wirklich bereit wäre zu einem „Einfrieren“ der bestehenden Front. Sein Krieg ist längst zu einem Eroberungskrieg geworden. Dabei wäre es für Moskau ein enormer Erfolg, eine – und sei es nur amerikanische – Anerkennung der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim zu erreichen, die Trump Putin in seiner ersten Amtszeit noch verwehrt hatte.
Einem aktuellen Bericht des amerikanischen Mediums Axios zufolge hatten die US-Unterhändler den Ukrainern bei Gesprächen in Paris ein einseitiges Dokument als „letztes Angebot“ für ein Kriegsende unterbreitet. Dem Bericht zufolge stellt Washington darin in Aussicht, die Krim formal als russisches Staatsgebiet anzuerkennen. Darüber hinaus könnte die Besatzung von vier weiteren Gebieten in der Ost- und Südukraine „de facto“ anerkannt werden, die Russland 2022 als Ganze annektiert hat, obwohl es sie weiterhin nur zum Teil kontrolliert. Als weitere Zugeständnisse an die russische Seite werden ein NATO-Beitritt der Ukraine ausgeschlossen und eine Rücknahme von Russland-Sanktionen in Aussicht gestellt. Für Kiew soll das Dokument lediglich eine „robuste Sicherheitsgarantie“ europäischer Partner enthalten. Darüber hinaus soll ein kleiner, noch immer russisch besetzter Teil des Gebiets Charkiw der Ukraine zurückgegeben werden. Weiterhin sieht das Dokument „freie Durchfahrt auf dem Fluss Dnipro“ vor, der in Teilen der Südukraine die Frontlinie darstellt. Das russisch besetzte Atomkraftwerk in Saporischschja soll laut Axios von Washington betrieben werden und „die Ukraine und Russland“ mit Strom versorgen.

In Paris ist die Bereitschaft gering, der amerikanischen Forderung nach einer Lockerung der EU-Sanktionen nachzukommen. Den amerikanischen Vorschlag, den Witkoff in Paris präsentierte, bewertet man im Elysée-Palast insgesamt skeptisch. Aus französischer Sicht enthält er keine ausreichenden Garantien zur Sicherung der ukrainischen Verwaltungshoheit, die eine Lockerung der EU-Sanktionen rechtfertigen würden. Noch sei der „Deal“ unausgeglichen, zumal die USA einseitig die Krim als russisch anerkennen wollten, heißt es in Paris. Rubio soll darüber schon in Paris verärgert gewesen sein. Er drohte damals mit den Worten, „sollte es keine eindeutigen Anzeichen für eine Einigung geben, können wir unser Engagement einstellen“.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Dienstagabend in Kiew, er habe bisher offiziell keinen Vorschlag erhalten. Zugleich bekräftigte er, dass Diskussionen über territoriale Zugeständnisse das Risiko bergen, auf Putins Spiel hereinzufallen und Moskau dann den Rahmen der Verhandlungen diktieren werde. „Sobald die Gespräche über die Krim und unsere souveränen Gebiete beginnen, wird das in die von Russland gewünschte Richtung gehen.“ Das bedeute eine Verlängerung des Krieges, „weil es nicht möglich sein wird, sich schnell auf alles zu einigen“. Ein Verzicht auf die Krim komme für Kiew nicht infrage, sagte Selenskyj. Das verstoße gegen die Verfassung. „Es ist unser Territorium, das Territorium des ukrainischen Volkes, da gibt es nichts zu diskutieren.“ Selenskyj hatte aber deutlich gemacht, dass eine Anerkennung des Status Quo angesichts der militärischen Lage möglich sei. Er betonte, zu direkten Gesprächen mit Putin bereit zu sein, sollte es einen dauerhaften Waffenstillstand geben.