Zwei Monate nach dem Eklat im Oval Office ist es zur nächsten offenen Konfrontation zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj gekommen. Nachdem der amerikanische Präsident am Mittwoch den Druck auf Kiew erhöht hatte, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim faktisch anzuerkennen, hielt der ukrainische Präsident dagegen und veröffentlichte eine Erklärung Washingtons aus dem Jahr 2018, also aus Trumps erster Amtszeit, die sich gegen die Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel durch Moskau aussprach.
Selenskyj verbreitete auf dem Kanal Telegram einen Link zu der Erklärung vom 25. Juli 2018, die vom damaligen amerikanischen Außenminister Mike Pompeo unterzeichnet worden war. Darin heißt es, dass die Vereinigten Staaten „den Versuch Russlands, die Krim zu annektieren, ablehnen“. Selenskyj kommentierte das süffisant mit den Worten: „Die Ukraine wird immer im Einklang mit ihrer Verfassung handeln und wir sind sicher, dass unsere Partner, insbesondere die Vereinigten Staaten, im Einklang mit ihren starken Entscheidungen handeln werden“.
Trump hatte zuvor die Weigerung des ukrainischen Selenskyjs, die von Wladimir Putin annektierte Krim abzutreten, als „sehr schädlich für die Friedensverhandlungen“ mit Moskau bezeichnet. Er bezog sich dabei auf eine Äußerung Selenskyjs im „Wall Street Journal“, in der dieser hervorgehoben hatte, dass eine Abtretung der Krim an Moskau gegen die ukrainische Verfassung verstoßen würde: „Die Ukraine wird die Besetzung der Krim rechtlich nicht anerkennen.“ Hier gebe es nicht zu verhandeln. Es handle sich um ukrainisches Territorium. Trump bezeichnete die Worte Selenskyjs auf seiner Plattform „Truth Social“ als „aufhetzend“. Sie seien „sehr schädlich für die Friedensverhandlungen“, schrieb er. Niemand verlange von ihm, die Krim als russisches Gebiet anzuerkennen. Aber: Wenn er die Krim wolle, warum habe er dann vor elf Jahren nicht für die Halbinsel gekämpft – damals, also unter der Präsidentschaft Barack Obamas, sei sie Moskau ohne einen Schusswechsel überlassen worden.
Vage Sicherheitsgarantien für Ukraine
Zuvor hatte der amerikanische Präsident gesagt, er glaube, er habe „einen Deal mit Russland“. Nun müsse er noch Selenskyj überzeugen, was „schwieriger“ sei. Der Plan sieht offenbar vor, dass Kiew seinen Wunsch, NATO-Mitglied zu werden, endgültig aufgeben müsse. Dem Land werden stattdessen vage Sicherheitsgarantien gemacht. Am Freitag hatte Trump mit dem Rückzug der Vereinigten Staaten aus den Ukraine-Verhandlungen gedroht, sollten Kiew oder Moskau die Gespräche „sehr schwierig“ machen. Kurz danach äußerte er die Hoffnung auf ein Abkommen zwischen Russland und der Ukraine noch diese Woche, ohne allerdings Gründe für seinen Optimismus zu benennen. Ende März hatte Trump noch gesagt, er sei „stinksauer“ auf Putin, da dieser die ukrainische Führung in Frage stelle.
Mitte Februar, wenige Wochen nach Trumps Rückkehr ins Weiße Haus, hatten beide in einem Telefonat vereinbart, direkte Verhandlungen über ein Ende der Kämpfe in der Ukraine und die Normalisierung der amerikanisch-russischen Beziehungen aufzunehmen. Seither gab es Begegnungen in Saudi-Arabien sowie direkte Gespräche zwischen Putin und Trumps Sondergesandten Steve Witkoff in Moskau.
Bevor Trump am Mittwoch abermals Selenskyj ins Visier nahm, hatte Vizepräsident J.D. Vance während einer Indien-Reise gesagt, beide Seiten – Kiew und Moskau – müssten einen Teil des Territoriums, das sie derzeit kontrollieren, aufgeben. Den Russen und Ukrainern sei ein „eindeutiger Vorschlag“ für die Friedensverhandlungen unterbreitet worden.
Neben der Anerkennung der russischen Annexion der Krim durch Kiew soll Moskau den Krieg „in etwa“ entlang der derzeit besetzten Gebiete in der Ukraine einfrieren. Einige Gebietstausche werde es geben müssen. Insgesamt käme der amerikanische Vorstoß faktisch einer Duldung der russischen Besetzung der ukrainischen Gebiete durch Kiew gleich.
Vance sagte, es sei an der Zeit, dass „sie entweder ,Ja‘ sagen“, oder die Vereinigten Staaten aus dem Verhandlungsprozess zurückzögen. Das freilich würde ein Ende der amerikanischen Waffenhilfe für Kiew bedeuten – also einen klaren Gewinn für Moskau. Vance sagte weiter, die Vereinigten Staaten hätten ein „außerordentliches Maß“ an Diplomatie betrieben und versucht, „die Dinge aus der Perspektive sowohl der Ukrainer als auch der Russen zu verstehen“. Er sprach von einem „sehr fairen Vorschlag“. Einen genauen Zeitraum, bis wann beide Seiten „Ja“ sagen müssten, nannte er nicht.
Kurz vor Vances Äußerung hatte der amerikanische Außenminister Marco Rubio seine Teilnahme an einer Ukraine-Konferenz in London abgesagt. Eine Sprecherin des State Departments gab logistische Gründe an. Auch Witkoff war in London nicht dabei.
Angeblich wird er in den kommenden Tagen abermals nach Moskau reisen. Karoline Leavitt, die Sprecherin des Weißen Hauses, teilte mit, ihr sei nichts über Pläne Trumps bekannt, Mitte Mai – im Anschluss an einen Besuch in Saudi-Arabien – mit Putin zusammenzutreffen. Sie werde gegebenenfalls eine Mitteilung machen. Trump hatte gesagt, es könnte sein, dass er Putin kurz nach seiner Reise in den Mittleren Osten treffen werde. Auf die Frage, ob das Treffen in Saudi-Arabien stattfinden könnte, sagte er: Möglich, aber unwahrscheinlich.