Seltene Erden: Chinas Trumpf im Wirtschaftsclash

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Es sind sieben Metalle, die sich im Zentrum des Handelskrieges wiederfinden. Sie werden als Schwere Seltene Erden bezeichnet und sind nicht nur für viele militärische Anwendungen enorm wichtig. Der F35-Kampfjet braucht 900 Pfund an Schweren Seltenen Erden, manche amerikanische U-Boote sogar das Zehnfache. Jahrelang hat China, das ein Monopol auf deren Weiterverarbeitung und damit auf ihre globale Nutzung hat, damit gedroht, diese Karte auszuspielen. Seit der Handelskrieg Anfang April endgültig eskaliert ist, hat China den Export faktisch ausgesetzt.

Der Rest der Welt, so schildern es Industrievertreter, hat Lagerbestände für einige Wochen. Sollten die Ausfuhren nicht bald wieder losgehen, droht in vielen Industrien ein Produktionsstopp. Es gebe kein Auto ohne Seltene Erden, heißt es etwa auf der Automesse in Shanghai. Es gehe eher um Wochen als um Monate.

Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), schlägt öffentlich Alarm und fordert Brüssel auf einzuschreiten. Die EU-Kommission solle die Situation „mit der chinesischen Seite erörtern, um eine zeitnahe Lösung zu finden“. Müller ist in dieser Woche zu politischen Gesprächen in China.

Seltene Erden sind Chinas schärfstes Schwert

„Beschränkungen für den Export Seltener Erden sind das schärfste Schwert, das die Chinesen zücken konnten“, sagt Harald Elsner von der Deutschen Rohstoffagentur (Dera), die zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gehört. Allerdings weist der Geologe darauf hin, dass die neueste Liste aus Peking nicht stringent sei. „Uns ist nicht bei jedem betroffenen Rohstoff die potentielle militärische Bedeutung (Dual use) bekannt.“ Einige Elemente seien eher für den Medizinsektor relevant.

Von den insgesamt 15 Seltenen Erden sind sechs von Pekings Exportembargo betroffen. Laut Elsner sind es Metalle, deren Produktionsvolumina eher gering, die aber schwieriger zu substituieren sind. Von den weiteren neun Seltenen Erden exportiere China dagegen zum Teil große Mengen an Kunden in aller Welt, es gehe dabei also auch um viel Geld. Das siebte betroffene Metall ist Scandium, das meistens, aber nicht immer zu den Seltenen Erden gezählt wird. In Legierungen stärkt es Aluminium, macht es aber auch flexibler, hitzebeständiger und leichter. Deshalb kommt es etwa in Flugzeugen zum Einsatz. Vielleicht steckt dahinter aber auch ein Zeichen an US-Präsident Donald Trump, da Scandium auch für die Produktion von Golfschlägern eine Rolle spielt.

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China hatte in seinem Gegenschlag nach Trumps Zöllen an seinem „Tag der Befreiung“ Anfang April neue Exportkontrollen für die Seltenen Erden eingeführt. „Diese sind ohne Vorlaufzeit sofort in Kraft getreten“, sagt VDA-Präsidentin Müller. Die Exporteure müssten nun neue Lizenzen beantragen, und zwar für alle Länder. Deshalb sind auch Ausfuhren nach Deutschland betroffen.

Die Restriktionen gelten auch für Legierungen und Magnete mit den Schweren Seltenen Erden, nicht aber für in China produzierte Motoren oder Lautsprecher. Um die Lizenzen zu erhalten, müssen die Unternehmen weitreichende Angaben machen, heißt es aus Industriekreisen. Sie müssen etwa schildern, wie viele Magnete sie in einem Motor verbauen, müssen Fotos und technische Zeichnungen davon liefern und die Endprodukte und deren Verkaufsregionen angeben. Das kommt einer Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen gleich. Südkoreanische Medien berichteten in dieser Woche, dass Unternehmen gewarnt worden seien, Produkte mit Schweren Seltenen Erden aus China nicht an US-Militärunternehmen zu liefern.

Müller rechnet damit, dass es „mindestens sechs bis acht Wochen“ dauern wird, bis diese erteilt würden und beruft sich auf ähnliche Erfahrungen mit Germanium, Gallium und Antimon im vergangenen Jahr. Sie warnt jedoch: „Eine Garantie einer Erteilung der neuen Lizenzen haben die Exporteure nicht.“

Wie lange reichen die Lagerbestände an Seltenen Erden?

Dera-Fachmann Elsner sieht für deutsche Unternehmen trotz des Embargos vorerst keine akuten Engpässe. Zunächst könne der Bedarf wohl meist aus Lagerbeständen gedeckt werden. Bis eine Neuregelung aus China greife, könnten zusätzliche Bedarfe am Weltmarkt gedeckt werden. Andere Regionen könnten mehr leiden. „Langfristig wird es die USA am härtesten treffen“, glaubt Elsner, falls das Land dauerhaft von Importen aus China abgeschnitten sein sollte. Zwar gebe es in den USA Bestrebungen, eigene Produktionsketten aufzubauen. Man müsse aber deutliche Fragezeichen setzen hinter die Fähigkeiten der Amerikaner.

Das Nadelöhr ist dabei nicht der Bergbau, sondern die Raffinierung. Denn aus den Felsbrocken müssen in aufwendigen Verfahren die jeweiligen Rohstoffe gewonnen werden. Dazu braucht es entsprechende Anlagen und das nötige Verfahrenswissen – ohne Raffinieren keine Rohstoffe. Häufig seien nur die Chinesen in der Lage, die Prozesse aufzusetzen, so Elsner und nennt als Beispiel das Metall Terbium, das ebenfalls zu den seltenen Erden gehört. Um Terbium in einer Reinheit von 99,99 Prozent zu gewinnen, brauche man laut chinesischen Angaben rund 1700 Arbeitsschritte innerhalb von 30 Tagen. Das könne man nicht einfach kopieren. Die Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) in der amerikanischen Hauptstadt Washington schrieb in einer Analyse, sämtliche Weiterverarbeitung der Schweren Seltenen Erden finde zurzeit in China statt.

Vorkommen gibt es auch anderswo, etwa in Australien. Noch werden diese aber nach China geschippert, weil in Australien die nötigen Fähigkeiten und Anlagen fehlen. Der australische Lynas-Konzern arbeitet indes gerade daran, eine eigene Separierungsanlage für die beiden Seltenen Erden Dysprosium und Terbium in Malaysia aufzubauen. Unterstützung kommt dabei von japanischen Partnern, die sich bereits einen Großteil der erwarteten Jahresproduktion gesichert haben. Ähnliche Initiativen und Investitionen gibt es laut CSIS in etlichen anderen Ländern.

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Chinas Dominanz beschränkt sich dabei nicht auf die Seltenen Erden, wie Daten der Dera für das Jahr 2022 zeigen (siehe Karte). Schaut man sich die Verteilung der Bergbauproduktion auf der Welt an, also in welchen Ländern Rohstoffe abgebaut werden, liegt China mit 15,5 Prozent an der Spitze, dicht dahinter folgt Australien mit seinen vielen Bodenschätzen. Die restlichen Vorkommen sind breit über viele Länder verteilt. Es ist also möglich, seine Bezugsquellen breiter zu streuen und sich von China unabhängiger zu machen, heißt es von der Dera.

Chinas Vormachtstellung zeigt sich vor allem in den folgenden Lieferketten. Laut Dera-Daten konzentriert das Land knapp 56 Prozent aller Raffinerie-Kapazitäten auf sich. Kein anderes Land kommt auch nur annähernd auf diesen Wert. Deutschland importierte dem Statistischen Bundesamt zufolge im vergangenen Jahr zwei Drittel seiner Seltenen Erden aus China, einige der Metalle werden aber nahezu ausschließlich aus China importiert.

Wenn man mit Managern darüber spricht, wie sich die Welt in diese Abhängigkeit begeben konnte, kommt oft als Antwort, dass in der rasanten Globalisierung diese Raffinerien in den Industrieländern niemand haben wollte. Das Geschäft gilt als schmutzig und margenschwach, „im Prinzip sind das riesige Chemiefabriken“, sagt einer. Bei der Separierung von Seltenen Erden fällt radioaktives Material an. Deshalb überließ man diesen Teil der Wertschöpfungskette gern den Chinesen, wo wenig Widerstand durch Umweltschützer und Gerichte zu erwarten war.

Im Westen konzentrierte man sich auf die profitable Weiterverarbeitung der aus China gelieferten Rohstoffe. Heute fällt den Industrieländern diese Politik auf die Füße. Die Welt ist Untersuchungen zufolge bei rund 30 Rohstoffen abhängig vom Reich der Mitte. Ohne sie fällt die Energiewende ebenso ins Wasser wie die Produktion von Chips, die angestrebte Rüstungsoffensive würde ebenso in Turbulenzen geraten wie die Produktion von Maschinen und Werkzeugen.

Das Peking gewillt ist, diese Macht strategisch auszuspielen, bekam die Welt schon im Sommer 2023 zu spüren, als es Ausfuhrkontrollen für Gallium und Germanium verhängte. Die Jahresproduktion beider Metalle ist zwar im Vergleich gering, aber etwa für die Produktion von Halbleitern und zahlreichen anderen Tech-Produkten sind sie immens wichtig. Ab sofort mussten Exporteure eine Genehmigung von staatlichen Stellen einholen. Lange wurde diese zwar weiterhin erteilt. „Die Chinesen haben aber klar gemacht, dass sie ein ziemliches Pfund in der Hand haben“, sagt ein deutscher Industrievertreter.

Warum das Element Wolfram so wichtig ist

Im Februar dieses Jahres weitete Peking die Liste deutlich auf 25 kritische Metallprodukte und Technologien zu ihrer Herstellung aus. Diese Maßnahme wirkte wie ein vergiftetes Antrittsgeschenk an US-Präsident Donald Trump. Auf der Liste steht nun zum Beispiel auch Wolfram, das in Verbindung mit Kohlenstoff eine wichtige Rolle bei der Härtung von Metallen spielt und für die Herstellung von Schneidwerkzeugen ebenso bedeutend ist wie für Sportgeräte oder spezielle durchschlagskräftige Munition. Mehr als 80 Prozent des Wolframangebots stammen derzeit aus China.

Alternativen sind deshalb heiß begehrt. Der Bergbaukonzern Almonty will noch im zweiten Quartal 2025 im koreanischen Sangdong die größte Mine außerhalb Chinas in Betrieb nehmen mit einem Volumen von 2300 MTU (metrische Tonneneinheiten) Wolframtrioxid im ersten Jahr und knapp 4800 im zweiten Jahr. Vorstandschef Lewis Black weiß, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein wird. „Mir ist klar, dass ich vielen Interessenten sagen muss, dass ich sie leider nicht sofort beliefern kann.“

Bis in zwei Jahren wollen die USA vollständige Lieferketten aufbauen, die ihren militärischen Bedarf an Seltenen Erden decken. In Kalifornien und Texas entstehen zurzeit die nötigen Anlagen. Diese würden aber auf nicht einmal ein Prozent der chinesischen Kapazitäten kommen. Die Fachleute von CSIS zweifeln daran, dass die Pläne ausreichen, damit sich das US-Verteidigungsministerium wirklich unabhängig machen kann von Lieferungen aus China.