Nach der Einigung auf die Neuverschuldung gab es in der Jungen Union große Verunsicherung. Wenn man sich den Vertrag nun anschaut, kann man beim Thema Rente auch im Ergebnis nicht zufrieden sein. Dennoch ist bei den Themen Migration und Wirtschaft eine Grundlage geschaffen worden, mit der ein Politikwechsel gelingen kann. Die konkrete Umsetzung in Regierungshandeln ist jetzt die Aufgabe von Friedrich Merz.
Wir haben deutlich gefordert, dass der Politikwechsel bei Migration und Wirtschaft jetzt auch kommen muss. Dieser Druck war richtig.
Wo nehmen Sie bei Wirtschaft und Migration Ihren Optimismus her, dass damit ein Politikwechsel erreicht werden kann?
Bei der Migration muss die Zurückweisung an den Grenzen zu einer Grundsatzentscheidung werden, wie man sie 2015 noch verpasst hat, als man die Grenzen unkontrolliert offen gelassen hat.
Zurückweisungen in Absprache mit den Nachbarn, heißt es im Koalitionsvertrag. Verstehen Sie darunter auch eine Zustimmung der Nachbarn?
Die Wahrheit ist, dass die Europäer bereits seit Jahren einen völlig anderen, restriktiveren Kurs eingeschlagen haben. Ich bin sicher, dass Friedrich Merz das hinbekommt.
Aber Zurückweisung auch ohne Zustimmung?
Im Notfall ja. Die Migrationswende kann nicht noch einmal verschoben werden.
Erst mal geht es um neues Vertrauen in unsere Wirtschaft. Ich höre von Unternehmern nicht, dass sie neue Subventionen und mehr Schulden wollen – sie erwarten von der Politik vor allem, dass man sie einfach ihre Arbeit machen lässt. Beim Bürokratieabbau und den Abschreibungen haben wir uns durchsetzen können. Klar, ich hätte mir eine stärkere Steuersenkung gewünscht. Aber die Richtung stimmt.
Und dass Linnemann nicht Wirtschaftsminister werden will?
Das ist ein Zeichen, dass die CDU eine selbstbewusste Partei bleibt und nicht zum Anhängsel des Kanzleramts wird.
Es gibt keine Rentenreform, stattdessen sogar mehr Geld für die Mütterrente und natürlich all die neuen Schulden: Da muss Ihnen doch als Chef der Jungen Union die Hutschnur platzen?
Der demographische Wandel ist seit Jahrzehnten bekannt, wird aber von der Politik einfach ignoriert. Dieses Grundproblem geht auch der neue Koalitionsvertrag nicht an. In diesem Bereich ist der Politikwechsel ausgefallen, vorerst jedenfalls. Man darf aber nicht resignieren, sondern muss nach vorn schauen. Friedrich Merz hat noch am Abend der Vorstellung des Vertrags betont, dass die neue Rentenkommission ihre Arbeit sofort aufnehmen muss, da werden wir ihn beim Wort nehmen. Es darf nur nicht so enden, wie bei der letzten Kommission, in der kurz vor Ende der Legislatur ein Bericht vorgelegt wurde, in dem kaum Substanzielles stand. Vor allem muss dieses Mal auch die junge Generation beteiligt werden. Letztes Mal war niemand unter 40 Jahren dabei. Viel Zeit bleibt nicht mehr. In den Dreißigerjahren wird das demographische Problem für unsere Staatsfinanzen überwältigend. Für eine generationengerechte Rentenpolitik werden wir kämpfen müssen.
Ich habe sowohl bei der Renten- als auch in der Verteidigungspolitik den Eindruck, dass dieser Koalitionsvertrag niemandem wehtun will, da auf Zumutungen verzichtet wird. Das passt nicht in unsere Zeit. Offenbar sorgt man sich davor, Wähler zu verlieren, alte Menschen etwa bei der Rente, junge bei der Wehrpflicht. Ich habe im Wahlkampf jedoch erlebt, dass man Verständnis erntet, wenn man erklärt, warum diese Zumutungen notwendig sind, um unser Land fit für die Zukunft zu machen. Das gilt auch für die Wehrpflicht. Wenn wir bis Jahresende nicht sehen, dass die Zahlen bei der Bundeswehr steigen, muss die Wehrpflicht kommen. Alles andere wäre unverantwortlich, wenn unsere Demokratie uns etwas wert ist.
Ich habe ihn so verstanden, dass er keine Verfahrenstricks gegen die AfD anwenden will, weil das nur deren Opfer-Narrativ stärken würde. Es liegt jedenfalls an der AfD selbst, wie mit ihr umgegangen wird. Mit einer Partei, die von Extremisten geprägt ist, kann es keinen normalen Umgang geben.
Wenn Sie die Schuldenbremse reformieren wollen, wie es im Koalitionsvertrag steht, werden Sie Hilfe brauchen – dann von der Linken?
Es kann keine Vereinbarung mit der Linken geben. Linke und AfD sind nicht beide gleich, aber hinreichend extremistisch, dass für uns keine Zusammenarbeit infrage kommt.
In der Bundestagswahl schnitt die CDU bei den jungen Wählern zwischen 18 und 24 Jahren viel schwächer ab als AfD und Linke – warum?
Wir haben uns natürlich die Frage gestellt, wie es dazu kommen konnte – vor allem weil wir bei der Europawahl vor gut einem Jahr noch die stärkste Kraft bei den jungen Wählern waren.
Ich sehe zwei Punkte: Auf der einen Seite ist Migration gerade für junge Wähler ein gerade im Alltag noch wichtigeres Thema geworden. Vertrauen kann man nur durch Regierungshandeln zurückgewinnen. Und dann ist da der Erfolg der Rede der Linken-Fraktionsvorsitzenden Heidi Reichinnek in den sozialen Medien . . .
. . . in der Debatte zu den Migrationsanträgen der Union, für die Merz auch eine Zustimmung der AfD in Kauf genommen hatte.
Ja, diese Rede hat der Linken einen Hype beschert. Ich bezweifle aber, dass das allzu nachhaltig sein wird.
Aber das Vorgehen von Merz im Bundestag finden Sie mit etwas Abstand richtig?
Wenn man auf die Wählerwanderung schaut, haben wir jedenfalls gesehen, dass es uns keine Stimmen von AfD-Wählern gebracht hat.
Haben Sie irgendwelche Zweifel, dass Ihre Partei an diesem Montag dem Koalitionsvertrag zustimmen wird?
Die CDU wird zustimmen. Aber es muss klar sein, dass es sofort darum geht, wie wir das umsetzen – und dass in dieser Legislatur ein fairer Lastenausgleich für alle Generationen hinzukommen muss. Gerade bei den Staatsfinanzen, auch bei der Rente. Auf die Jungen kommt ohnehin schon sehr viel zu in einer unsicheren Zukunft.