Folgen der Landwirtschaft: Dünger könnte Pollen aggressiver machen

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Stand: 28.04.2025 06:39 Uhr

Verschiedene Umweltfaktoren beeinflussen, wie allergen Pollen sind. Ein Forschungsteam aus Belgien konnte jetzt zeigen: Überdüngung könnte eine größere Rolle spielen als bislang bekannt.

Etwa zwölf Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer Pollenallergie. Besonders häufig sind Gräserpollen die Ursache – daher auch der Name Heuschnupfen. Der Einsatz von Düngemitteln könnte Allergikern das Leben zusätzlich erschweren, wie ein Forschungsteam aus Belgien jetzt zeigen konnte. Dafür haben sie erstmals die Pollen von ungedüngten und gedüngten Grasflächen direkt miteinander verglichen.

Weniger Heuschnupfen-Symptome auf ungedüngten Flächen

Die Idee für das Projekt kam dem belgischen Forschungsteam während der Feldarbeit in einem französischen Naturreservat. Ein Mitarbeiter, der normalerweise unter Heuschnupfen leidet, habe dort überraschend wenig Symptome gespürt, wie Studienautor Robin Daelemans schildert. Einer der großen Unterschiede zu den Wiesen in der belgischen Region Flandern sei gewesen, dass es auf den Wiesen in Frankreich weniger Nährstoffeintrag gibt, so Daelemans. Flandern ist stark landwirtschaftlich geprägt, die Böden gelten als mit Stickstoff überlastet.

Um den Einfluss des Düngemittels im Boden auf die Gräserpollen zu untersuchen, wählten die Forschenden ein Gebiet nahe ihrer Universität in der belgischen Stadt Löwen (Leuven) aus. Anhand alter Karten identifizierten sie nah beieinander liegende Wiesen, von denen ein Teil gedüngt wurde, ein Teil nicht. Im Schnitt lagen diese Flächen knapp 30 Meter voneinander entfernt. Somit sollte der Einfluss von anderen Umweltfaktoren wie der Luftverschmutzung geringgehalten werden.

Pollen von gedüngten Flächen aktivieren Immunzellen stärker

Mit einem umfunktionierten Staubsauger sammelte das Team jeweils Pollenproben von gedüngten und ungedüngten Wiesen. Eine Laboranalyse zeigte schließlich: auf gedüngten Flächen gab es deutlich mehr Pollen – rund sechsmal so viel wie auf ungedüngten Flächen. Ein Ergebnis, das sich dadurch erklären lässt, dass Pflanzen auf gedüngten Flächen stärker wachsen.

Weitere Tests zeigten allerdings, dass diese Pollen womöglich auch eine stärkere allergische Reaktion auslösen. Um das zu untersuchen, stellte das Team Lösungen auf Basis der gedüngten und ungedüngten Flächen her, die genau gleich viel Pollen enthielten. Diese testeten sie an Blutproben von 20 Personen mit Heuschnupfen.

Studienautorin Paulien Verscheure untersuchte, wie bestimmte Immunzellen im Blut – sogenannte basophile Zellen – auf die verschiedenen Pollenlösungen reagieren. “Dabei konnten wir sehen, dass die basophilen Zellen stärker reagieren und empfindlicher sind, wenn sie mit Pollen von gedüngten Flächen in Kontakt kommen.” Laut den Tests reagierten die Zellen auf die Pollen von gedüngten Flächen rund fünfmal so stark wie auf die Pollen von ungedüngten Flächen.

Viele Umwelteinflüsse spielen eine Rolle

Düngemitteleinsatz und eine stärkere Reaktion auf Gräserpollen gehen also möglicherweise Hand in Hand. Noch seien viele Fragen ungeklärt, sagt Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin an der Universität Augsburg. Sie hält die Studie dennoch für einen wichtigen Baustein in der Umweltmedizin, da sie sich mit der Frage beschäftige, wie unser menschliches Eingreifen in die Natur dazu führt, dass diese schädlicher für uns werde. “Insofern ist das ein gutes Beispiel für eine Studie, von der wir mehr brauchen.” Auch Umweltverschmutzung, ultrafeine Partikel, Dieselrußpartikel und Versiegelung tragen laut Traidl-Hoffmann dazu bei, dass Pollen für Menschen schädlicher werden.

Wirkmechanismus muss noch geklärt werden

Studienautor Robin Daelemans spricht von einem ersten Anhaltspunkt, von dem aus in weitere Richtungen ermittelt werden könne. Um zu bewerten, wie groß der Effekt von Düngemitteln tatsächlich ist, müssten beispielsweise die Pollen von einzelnen Pflanzenarten näher untersucht werden und wie sie auf Dünger reagieren. Außerdem stelle sich die Frage, ob sich die Ergebnisse auf andere Regionen in Europa übertragen lassen. Auch im Nordwesten Deutschlands finden sich überdüngte landwirtschaftliche Flächen.

Klar ist: Wenn es um die Aggressivität von Pollen geht, spielen viele Umwelteinflüsse eine Rolle – einige werden direkt durch den Menschen beeinflusst. Umweltmedizinerin Traidl-Hoffmann drückt es so aus: “Wir müssen endlich verstehen, dass wir Teil eines Ganzen sind und dass wir wirklich die Natur so positiv beeinflussen, dass wir gesunde Menschen auf einer gesunden Erde sind.”